Sozialpädagoge schreibt Bilderbuch, um Kinder zum Zähneputzen zu motivieren! Das klingt zu ernst, um schön zu sein. Zum Glück übt der Inklusionsberater Balthasar Alletsee nicht nur seinen Beruf aus. Trommler schreibt Kinderbuch! Das klingt schon ganz anders. Außerdem ist der Mittsechziger Komödienautor, mit Tiefgang und humanistischer Botschaft.
Und sein Buch "Josef Geranius. Eine tierische Zahnputzgeschichte" ist ganz große Klasse. Es kommt völlig ohne erhobene Zahnbürste aus, sondern kann Kinder prima unterhalten und ganz nebenbei für Fragen der Zahnpflege sensibilisieren. Dieses Nebenbei funktioniert auf den bunten Seiten des Kinderbuchs über einen Umweg durch Afrika und durch das Tierreich: Zahnarzt hat das Bohren satt, fährt zum Trommeln nach Afrika und lernt dort ein Krokodil mit schrecklich wehen Zähnen kennen. Er fädelt einen Deal ein: Die Vögel des Urwalds picken der Echse nach jeder Mahlzeit die Reste aus dem Maul und – werden dafür nicht gefressen.
Die Geschichte kann man auch anschauen. Marco Wagners Illustrationen sind nicht grade Wimmelbilder, aber stecken voll überraschender Details und verraten einen ganz eigenen Stil. Außerdem kann man das Buch als zehnminütiges Musical hören und die Songs selber singen, etwa im Kindergarten.
Eine 35-Jährige Entstehungsgeschichte
Das kleine Meisterwerk "Josef Geranius" hat eine rund 35-jährige Entstehungsgeschichte. Am Beginn stand Alletsees Schwager, ein Zahnarzt. Der warnte seinen angeheirateten Verwandten, Kinder allein könnten gar nicht richtig Zähne putzen. Die Eltern müssten immer nachhelfen. "Bei meinen willensstarken Töchtern kein leichtes Unterfangen", ulkt Balthasar Alletsee bis heute. Aber er schaffte es, und dabei habe es zumindest "nicht geschadet", dass er den Mädchen die Geschichte über Mithelfer beim Zähneputzen zur guten Nacht hinfantasierte.
Um die Jahrtausendwende fiel ihm der Geranius wieder ein. Da schrieb er den Text auf. Weil er nun zwar vieles kann, aber nicht gut malen, ging er an die Fachhochschule und bat den Illustrationsprofessor Nicolai Sarafov um Vermittlung von Kunststudenten. Der junge Marco Wagner machte die Geschichte zu seiner Semesterarbeit. Drei Exemplare wurden hergestellt.
Inzwischen gibt es 2003. Die neuen 2000 kamen so: Alletsees jüngste Tochter arbeitet inzwischen selbst pädagogisch und regte eine Neuauflage von Papas Buch an. Der hatte inzwischen in Kindergärten inkludierende Gruppen moderiert, verstand Kinder also noch besser als vor 30 Jahren. Dementsprechend kürzte er den Text, nahm wieder Kontakt zu seinem früheren Studenten auf und erfuhr, dass der international Karriere als Zeichner gemacht hatte. Trotzdem schaute sich Marco Wagner seine alte Arbeit gern noch einmal an, obwohl ihm die Ausführung arg studentisch vorkam. Im Kern aber hatte sie was, und so zeichnete er fast das ganze Buch neu.
Fast bei einem Kinderbuchverlag gelandet
Dem Texter fiel beim Überarbeiten auch was Neues ein: Liedtexte. Da war kein Halten mehr. Schnell fand er einen Schauspieler mit Stimme für moderne Märchen: Rainer Appel, der am Würzburger Privattheater Chambinzky zwei Komödien Alletsees inszeniert hatte. Zwei Sänger kamen hinzu und eine ganze Band: die Widersacher aller Liedermacher machten die Songs ausgehfein.
Fast hätte sogar ein großer schweizer Kinderbuchverlag den Geranius ins Programm genommen, sprang dann aber ab. Schade, findet Alletsee, aber Vertriebsmanager fehlte bisher noch in seiner Berufesammlung, und seitdem antichambriert er bei Zahnarztvereinigungen und Mundhygiene-Kongressveranstaltern, um sein Buch auf deren Tagungstische legen zu dürfen. Viele positive Rückmeldungen erhielt er, auch von Buchhändlerinnen und Buchhändlern. So ist, zumindest war bis vor kurzem noch, der "Geranius" im Hugendubel erhältlich.
Das Buch ist in Bonitas-Qualität gedruckt, fadengeheftet und hat einen soliden Pappeinband. Im Selbstverlag erschienen, kann es in jeder Buchhandlung unter der ISB-Nummer 978-3-000-74234-7 für 14,80 Euro bestellt werden.