Für einen Getränkehersteller gibt es fast kein größeres Fiasko, als wenn in einer seiner Flaschen Glassplitter oder Zigarettenstummel zum Vorschein kommen. Der Imageschaden ist immens – mal ganz abgesehen davon, dass sich ein Verbraucher verletzen kann. Dass so etwas einmal passiert, kann selbst SALT Solutions nicht verhindern. Dass es im gleichen Zuge ein zweites Mal geschieht hingegen schon.
Denn die Software des Würzburger IT-Unternehmens ist in der Lage, binnen kürzester Zeit sämtliche Flaschen ausfindig zu machen, die parallel zu der geschädigten abgefüllt worden sind. „Wenn Sie auf die Charge einer Flasche schauen, wissen Sie genau, von welchem Händler die Flasche stammt, aus welchem Lager sie gekommen und aus welcher Maschine sie herausgefallen ist“, sagt Dr. Hans Christoph Dönges, Vorstandsmitglied bei SALT. Und über die Daten, die dort hinterlegt seien, könne man anhand der Software unter anderem herausfinden, aus welchem Gemisch, mit welchem Wasser und an welchem Tag die Flaschen abgefüllt worden seien. „Der Rückruf und die Ursachenforschung können somit unverzüglich und zielgenau gestartet werden.“
Zuwachs fehlt
Diese mächtige Anwendung basiert – wie viele andere Lösungen des IT-Systemhauses – auf der Unternehmenssoftware SAP und ist in Würzburg entwickelt worden. Der Kunde ist kein geringerer als Getränkeriese Coca-Cola. „In Deutschland sind seit Mitte 2000 alle Lebensmittelhersteller vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, ihre Ware zurückverfolgen zu können – bis hin zu den einzelnen Zutaten“, erklärt Dönges: „Wir haben an Coca Cola ein System ausgeliefert, das genau diese Anforderung zuverlässig erfüllt. Es ist hierzulande an allen knapp 65 Abfüllstandorten in Betrieb.“
Für die Entwicklung solch ausgeklügelter Systeme braucht es pfiffige Menschen. Daran mangelt es in dem mittlerweile knapp 500 Mitarbeiter beschäftigenden Unternehmen nicht, wohl aber an beständigem Zuwachs. „Industrie 4.0 und Digitalisierung sind ein sehr guter Antreiber unserer Projekte“, sagt Dönges: „In der derzeitig günstigen Marktsituation könnten wir eigentlich viel mehr Mitarbeiter einstellen – selbst dann, wenn wir nur die für uns sinnvollen Anfragen annehmen würden.“
Der Haken: „Wir brauchen in den Projektteams einen Mix aus gewachsener Erfahrung und kreativem Elan. Wir haben extreme Schwierigkeiten, erfahrene Leute aus den Ballungsräumen hierher zu locken. Die wollen alle in Hamburg, Frankfurt und Berlin arbeiten, weil das Leben dort vermeintlich so viel schöner ist.“ Es gebe scheinbar viele Menschen, die den großen Trubel und die verpestete Luft bräuchten. „Denn wenn man die höheren Lebenshaltungskosten miteinrechnet, ist der Gehaltsvorteil schnell dahin“, betont Dönges.
Sei es drum: SALT Solutions bleibt letztlich nichts anderes übrig, als seine Mitarbeiter selbst „auszubrüten“. An dieser Stelle kommt Heiner Drathen ins Spiel. Er ist bei SALT Solutions verantwortlich für die interne Aus- und Weiterbildung. „Unsere Strategie ist ein gezielter, an den jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgerichteter Qualifizierungspfad für jeden Einzelnen – und zwar in Richtung der Bedürfnisse, die wir jetzt und in den nächsten drei Jahren haben“, erklärt Drathen. Dafür wurde vor etwa zwei Jahren die sogenannte SALT Academy ins Leben gerufen. Dort sollen sich drei Berufsspezies ihr nötiges Rüstzeug holen: die Software-Ingenieure, die Prozessberater und die Projektleiter.
Vor allem das Coaching der letztgenannten Gruppe ist Drathen eine Herzensangelegenheit. „Als Projektleiter brauchen wir – auch wenn die Bezeichnung etwas negativ klingt – bipolare Persönlichkeiten, die auf der einen Seite extrem erfolgs-, ergebnis- und zielorientiert sind. Sie müssen also regelrecht von einem positiven Projektergebnis besessen sein“, weiß Drathen.
Auf der anderen Seite bräuchten diese Leute eine hohe Kompetenz im Bereich der Menschenorientierung, etwa Begeisterungsfähigkeit, Durchsetzungsstärke und Empathie. „Das sind alles Charakterzüge, die sich nicht am Ergebnis, sondern am Gegenüber orientieren“, erläutert Drathen: „Ich habe selbst lange Projekte geleitet und weiß, dass diese Rolle einen unausgegorenen Kampf der beiden Pole Zielorientierung und Menschenorientierung mit sich bringt.“ Das Programm läuft über 18 Monate on-the-job und qualifiziert angehende Projektleiter dafür, später genau in jenem Spannungsfeld erfolgreich tätig zu sein. Zu den Programminhalten zählen neben der fachlichen Software-Ausbildung beispielsweise Burnout-Prävention, Kommunikationskurse und Vertragsrecht.
Hoher Praxisanteil
„Das ist so eine richtige 360-Grad-Qualifikation mit sehr hohem Praxisanteil und vielen Best-Practice-Fällen.“ Das Programm ist für SALT Solutions nicht gerade günstig, zumal viele externe Dozenten hinzugezogen werden. Doch Drathen ist davon überzeugt: „Die Projektleiter sind die Stellgröße, die über wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg in einem Projekt entscheidet. Sie sitzen an einer ganz zentralen Stelle der Wertschöpfung im Unternehmen.
Da lohnt sich eine Investition in deren Qualifikationen so gut wie immer.“ Um an gute Fachkräfte heranzukommen, will SALT Solutions auch verstärkt dazu übergehen, Büros in größeren Städten aufzubauen – so wie vor einiger Zeit in Stuttgart. „Das hängt einerseits damit zusammen, dass wir dann noch näher an den Kunden dran sind“, sagt Dönges, das für Würzburg und Stuttgart verantwortliche Vorstandsmitglied: „Andererseits ist es auch eine erste Ausweichreaktion auf den zunehmenden Fachkräftemangel.“ Der rechtliche Sitz von SALT Solutions ist eigentlich München, ein sehr bedeutender Standort ist auch Dresden, eine weitgehend SAP-freie Zone, „das Herz des Unternehmens schlägt jedoch in Würzburg“, meint Dönges.
Neben den Beschäftigten in der SAP-Entwicklung für die Supply-Chain-Kette und in Teilen der zentralen Verwaltung sind hier mittlerweile auch rund 100 Mitarbeiter im IT-Support beschäftigt. Sie besetzen drei Stockwerke in einem der neu gebauten Novum Business-Center gegenüber. „Diese betreuen nicht nur eigenentwickelte Lösungen, sondern auch solche, die Wettbewerber eingeführt haben“, sagt Dönges, der von dem „am stärksten wachsenden Unternehmensbereich“ spricht.
Auch sonst stehen die Zeichen auf Wachstumskurs. Die Mitarbeiterzahl hat sich binnen weniger Jahre verdoppelt – genau wie der Umsatz. „Wir haben schon Big Data und Business Intelligence gemacht, als diese noch keine Modewörter waren“, blickt Dönges zurück: „Stellen Sie sich vor, Sie kaufen einen Mercedes und geben in unserem System dessen Fahrgestellnummer ein: dann können Sie ganz genau verfolgen, an welchen Endmontageschritten welche Qualitätsmessungen vorgenommen worden sind und ob diese in Ordnung waren, oder ob nachgearbeitet werden musste. Das System datiert von 2003.“
Beispiel Kaffeemaschine
Ein Anwendungsbeispiel par excellence ist auch die hochintelligente Kaffeemaschine, die bei SALT Solutions zu Demonstrationszwecken häufig auf Messen oder internen Schulungen zum Einsatz kommt.
„Daran lässt sich hervorragend und anschaulich zeigen, was Industrie 4.0 eigentlich bedeutet“, weiß Dönges. So ordert die Maschine automatisch Nachschub, wenn es etwa an Milch oder Kaffee mangelt. Als Kaffeegenießer kann man sich vom eigenen Rechner aus ankündigen, so dass sich die Maschine entsprechend vorbereitet. „Stellt man nun seine individuelle Tasse darunter, erkennt sie sie – und füllt genau das Kaffeegemisch ein, was der Nutzer für gewöhnlich präferiert.“ Die eigenen Mitarbeiter holen sich ihren Kaffee indes an einem der vielen Vollautomaten in den Ruheecken.
Daten & Fakten
Firma: SALT Solutions AG
Standort: Schürerstraße 5a, 97080 Würzburg;
weitere Standorte: München (Hauptsitz), Dresden, Stuttgart.
Gründungsjahr: 1996
Mitarbeiterzahl: knapp 500
Umsatz: etwa 52,8 Millionen Euro
Hauptleistungen: SAP-zertifizierte Software-Lösungen für die Logistik, die Produktion und den Handel, IT-Support.
Vorstand: Dieter Heyde (Vors.), Dr. Bernhard Blüthner, Dr. Hans Christoph Dönges, Claudia Lang, Frank Reinecke
Homepage: www.salt-solutions.de