Für Würzburger Kunstliebhaber wurde am vergangenen Wochenende einiges geboten. Über 30 Künstlerinnen und Künstler aus Würzburg und Umgebung öffneten auch in diesem Jahr wieder die Türen zu ihren Ateliers und Werkstatträumen. Bei den Tagen des offenen Ateliers, die am Samstag und am Sonntag stattfanden, konnten Besucher die Kunstschaffenden in ihrem persönlichen Arbeitsumfeld erleben.
Ziel der Veranstaltung war es, einen lebendigen Dialog zwischen Kunstinteressierten und den Künstlern und Künstlerinnen zu schaffen, sowie Einblicke in deren Räume, Denk- und Schaffensprozesse zu ermöglichen.
Surreale Aufnahmen
Fotografie, Malerei, Skulpturen und Plastik - das künstlerische Angebot war vielfältig und erfrischend anders. So etwa die surrealen Fotografien von Heide Eggermann. "Ich versuche mit der Kamera zu malen", beschreibt die Fotografin ihr Schaffen. Anstatt beim Fotografieren - wie sonst eigentlich zwingend notwendig - penibel darauf zu achten, die Kamera während der Belichtungszeit nicht zu bewegen, kippt sie die Kamera auf eine geübte Weise und lässt damit herrlich surreale Aufnahmen entstehen, die sie in ihrem Atelier in der Juliuspromenade präsentiert.
Verschwurbelte Pinienwälder, bizarre Gebäudeaufnahmen und schattenhafte Figuren - die meisten Motive sind unbearbeitet und bestechen durch ihre Einfachheit. Andere Motive sind nachbearbeitet, so etwa eine verwirbelte Waldaufnahme, über die Heide Eggermann den Schemen eines schmutzigen Fensters gelegt hat. "Compositing" nennt sich diese Technik, die zwei oder mehr voneinander getrennt aufgenommene oder erstellte Elemente zu einem Bild zusammengeführt. Durch die Störung der Belichtung der Fotos will sie den Faktor Zeit in den Werken visualisieren. Bewegung, Veränderung, Vergänglichkeit sind Aspekte, die ihr dabei wichtig sind: "Mit diesen bewegten Bildern drücke ich aus, dass die Zeit vergänglich ist."
Vergänglichkeit, Veränderung, Erneuerung, das sind auch Themen, die Georgia Templiner wichtig sind. Kokons in allen Formen und Farben finden sich in ihrem Atelier in der Mainaustraße 50. "Es muss etwas sterben, damit neues entstehen kann", sagt die Künstlerin, die ihre Kokons wahlweise auf Leinwand bannt, aus Zeitung von der Decke hängen lässt oder aus Tesafilm gewickelt in der Ecke liegen hat. Mehr als fünf Kilometer Klebeband sind für das größte Exemplar draufgegangen, laut Georgia Templiner kann es jedoch gerne auch noch weiterwachsen. Seit 25 Jahren ist Georgia Templiner künstlerisch tätig, ihr Kernthema Veränderung hat sich für sie erst im Rückblick rauskristallisiert: "Die Themen ‚werden‘, ‚vergehen‘, ‚verändern‘ sind für mich so eine Art Lebensfrage." In Würzburg von der Kunst zu leben, sei schwierig, erklärt Georgia Templiner, die nebenbei noch eine Lehrtätigkeit an der Fachoberschule für Gestaltung in Würzburg wahrnimmt und als Grafikerin arbeitet. Auch aus diesem Grund ist sie Mitorganisatorin der Aktion "Achtung! Kunstleerer Raum.", mit der sie die Öffentlichkeit für die Relevanz einer lokalen Kunstszene sensibilisieren will.
Muskulöse Menschen, Pferde und Mischwesen
Einer, der am Wochenende ebenfalls in sein Atelier im Abtsleitenweg 2 einlud und wohl ganz gut von seiner Kunst leben kann, ist der 93-jährige Kunstmaler Curd Lessig. Seine Wand- und Glasmalereien zieren Kirchen, Aussegnungshallen und öffentliche Gebäude und werden auch in Galerien in ganz Bayern ausgestellt. Anlässlich der Tage des offenen Ateliers haben seine Frau Eva-Maria Lessig und Tochter Cornelia Lessig-Licha eine Sammlung verschiedenster Tuschezeichnungen von Liebespaaren zusammengestellt. Es sind schlichte, aber doch detaillierte Zeichnungen von muskulösen Menschen, Pferden und Mischwesen - in leidenschaftlichen Posen umschlungen, liebend, meist jedoch auch kämpfend. "Liebe ist nicht immer nur schön, sondern manchmal auch so!", sagt Ehefrau Eva-Maria Lessig und ballt erklärend die Hand. Es seien natürlich auch immer die eigenen Erfahrungen, die in das Werk eines Künstlers mit einfließen.