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WÜRZBURG
Ein Würzburger und ein Ochsenfurter bei Bohlen
Christian und Freddy: Die Sänger der Inklusionsband Mosaik sind geistig und körperlich behindert. Na und. Am Samstag performen die beiden beim „Supertalent“. Es verspricht ein spektakulärer Fernsehauftritt zu werden.
Das Supertalent       -  Auf der TV-Bühne: Christian Schmitt und Freddy Calloway vor der „Supertalent“-Jury in Essen.
Foto: Frank Hempel, RTL | Auf der TV-Bühne: Christian Schmitt und Freddy Calloway vor der „Supertalent“-Jury in Essen.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:45 Uhr

Noch hat den Auftritt kaum jemand gesehen, aber nach allem, was man so hört und was die Werbetrailer beim Fernsehsender RTL versprechen, werden Christian Schmitt (Ochsenfurt) und Frederick „Freddy“ Calloway (Würzburg), Sänger der mainfränkischen Inklusionsband Mosaik, am Samstag für mächtig Gesprächsstoff sorgen. Dann stehen die beiden in der Show „Das Supertalent“ auf der Bühne.

RTL hat die Vorstellung von Christian und Freddy bereits im August in Essen aufgezeichnet. Anschließend wurden die beiden und ihre Begleiter verdonnert, im Vorfeld der Ausstrahlung bloß nicht zu viel über den Auftritt und die Reaktionen zu verraten. „Leichter gesagt als getan“, gesteht Peter Estenfelder. Der Werkstattleiter bei der Mainfränkische Werkstätten GmbH und die Sängerin Steffi List (Geldersheim) haben das Duo vor und während der Dreharbeiten betreut. Beide sind vollends begeistert. „Dieser Auftritt war der Hammer“, sagt Steffi List. Peter Estenfelder ist ganz gerührt: „Ich bin so stolz auf die Jungs.“

Und was sagen Christian und Freddy selbst? „Die Leute waren alle cool, die Stimmung super. Wahnsinn.“ Der Höhepunkt jedenfalls, seit sie zusammen Musik machen. Die beiden präsentieren vor der Jury mit Poptitan Dieter Bohlen, Inka Bause und Bruce Darnell den Peter-Maffay-Hit „Ich wollte nie erwachsen sein“ aus dem „Tabaluga“-Musical. Der Song ist ein Highlight bei vielen Konzerten mit Mosaik. Während Christian (29) die Zuhörer allein mit seiner Stimme von den Sitzen reißt, begeistert Freddy (28) zusätzlich mit seinen Talenten beim Rappen und beim Beatboxen. Da sorgt er mit Mund, Nase und dem Rachen für Beats und Percussion-Rhythmen.

Ihre musikalischen Fähigkeiten bringen die beiden Werkstatt-Mitarbeiter seit vier Jahren bei Mosaik ein. Startschuss für die Inklusionsband war der Wettbewerb „Mainfränkische Werkstätten suchen den Superstar“ (MFWSDS). Christian Schmitt hieß der Sieger, aber alle Beteiligten waren sich hinterher einig, künftig gemeinsam Musik zu machen. Ein Glücksfall war, dass mit Steffi List ein Profi in der MFWSDS-Jury saß und sich von der Begeisterung anstecken ließ, mit der die jungen Frauen und Männer mit Behinderung sangen und spielten.

Seitdem ist die Sängerin mit Leib und Seele dabei. Alle 14 Tage probt die Band, List hat mehrere Songs für sie geschrieben. Jetzt gibt es auch eine erste CD. Der Titel ist Programm: „Anders genial“.

Höhepunkte im Jahresverlauf sind die bis zu 30 Live-Auftritte, allen voran bei der „Nacht der Toleranz“, dem „Wohnzimmer der Band“ (Estenfelder) mit bis zu 600 Zuhörern an mehreren Orten der Region. Unvergessen auch die Konzerte bei der Verleihung des Bürgerkulturpreises im Bayerischen Landtag in München und bei den Special Olympics, dem Sportfest der Menschen mit geistiger Behinderung, in Düsseldorf. „Ich liebe die Musik“, sagt Christian. Fragt man ihn nach seinen Favoriten, nennt er neben Maffay und Pur auch Mozart und Beethoven. „Ich höre fast alles.“ Und er ist ehrgeizig. So versuchte er im vergangenen Jahr, eine Wildcard für den ESC-Vorentscheid zu ergattern. Gereicht hat es am Ende nicht. Freddy dagegen mimt eher den Coolen. Er steht vor allem auf Soul, Rap und Hip-Hop. Sammy Deluxe hat es ihm besonders angetan.

Auf die „Supertalent“-Show sind die beiden durch ein Vor-Casting im Frühjahr in Würzburg aufmerksam geworden. Alle Mosaik-Mitglieder wurden gefragt, ob sie sich vor der RTL-Kamera mal versuchen wollten. Freddy und Christian hatten den Mut. Das RTL-Team war angetan. „Mensch, ihr seid gut“, habe es geheißen. Wenig später kam schließlich die Einladung zur Aufzeichnung im Colosseum Theater in Essen.

Starker Auftritt: Christian Schmitt (links) und Frederick „Freddy“ Calloway beim Konzert der Band Mosaik Mitte September in Ochsenfurt. Am Samstag sind die beiden bei „Das Supertalent“ im Fernsehen zu sehen. Links hinten im Bild Sängerin Steffi List, die Mosaik seit der Gründung begleitet.
Foto: Patty Varasano | Starker Auftritt: Christian Schmitt (links) und Frederick „Freddy“ Calloway beim Konzert der Band Mosaik Mitte September in Ochsenfurt.

Wenn man mit Christian und Freddy plaudert, ist ihre Behinderung kein Thema. Wozu auch. Es geht um die Leidenschaft zur Musik. Geistige und körperliche Handicaps spielen da keine Rolle. Christian sitzt im Rollstuhl, auch Freddy leidet an einer Spastik in den Beinen. Beide sind selbstbewusste junge Männer. „Mitleid brauchen wir nicht“, sagen sie übereinstimmend. Bei der Aufzeichnung zur Show haben sie sich neben den anderen „Supertalenten“ voll akzeptiert gefühlt. „Die waren alle supernett“, erinnert sich Christian.

Und wie war Dieter Bohlen? Der Casting-Guru ist bei den Jury-Urteilen in der Regel nicht zimperlich und haut seine „Supertalente“ gern auch mal in die Pfanne. Peter Estenfelder will nicht zu viel verraten, stellt aber klar: „Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, die Jungs werden in der Sendung als Lachnummer vorgeführt, hätte ich der Teilnahme nicht zugestimmt.“ Steffi List ergänzt: „Der Umgang war sehr sensibel, die beiden wurden künstlerisch ernst genommen.“

Unabhängig vom Ausgang der Sendung: Angst, dass Christian und Freddy nach dem Auftritt vor dem Millionenpublikum abheben, brauchen ihre Mitstreiter von Mosaik nicht zu haben. „Die Band geht vor“, stellen beide klar. Von Starallüren also keine Spur. Derweil freuen sie sich schon aufs nächste Highlight nach dem „Supertalent“: Ende November übergeben die Mainfränkischen Werkstätten in Berlin den von den hiesigen Mitarbeitern gefertigten Schmuck für den Weihnachtsbaum des Bundestags. Zur Feier des Tages spielt Mosaik. Gut möglich, dass dann sogar Angela Merkel zuhört.

Live sind Freddy und Christian an diesem Freitag beim Mosaik-Konzert in der Höllberghalle in Kürnach (Lkr. Würzburg) zu hören. Sie spielen ab 19 Uhr im Vorprogramm von „Feedback“.

Ein Public Viewing zur Show „Das Supertalent“ gibt's am Samstag ab 20 Uhr beim Sommerfest der Mainfränkischen Werkstätten in Kitzingen (Floßhafenstraße 3).

Das Supertalent

Premiere im deutschen Fernsehen feierte die Talentshow 2007. Egal ob Tänzer, Akrobaten, Sänger oder Dompteure: Hier treten Menschen (und Tiere) auf, die glauben, über ungewöhnliche Fähigkeiten zu verfügen. Einige tun es tatsächlich. Heuer sendet RTL die Show zum neunten Mal. In Spitzenzeiten (2010) sahen im Schnitt 7,92 Millionen Zuschauer zu. Mit 4,47 Millionen Zuschauern lag das Interesse der ersten Folge der neuen Staffel im Bereich der beiden Vorjahre. An diesem Samstag (20.15 Uhr) läuft die zweite Folge. Moderator ist Daniel Hartwich.

In der Jury sitzen Sänger und Produzent Dieter Bohlen, Model-Trainer Bruce Darnell und Moderatorin Inka Bause. In 13 Folgen treten weit über 100 Hobbykünstler auf. Ausgewählt von der Jury, dürfen sich die Besten schließlich im Dezember beim Live-Finale in Köln noch einmal vorstellen. Dann entscheiden die TV-Zuschauer über das „Supertalent 2015“. Dem Gewinner winken 100 000 Euro Siegprämie und ein Auftritt in Las Vegas.

 
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  • H. S.
    Peter-Maffay-Hit „Ich wollte nie erwachsen werden“ aus dem „Tabaluga“-Musical
    eigentlich heisst der ja," Ich wollte nie erwachsen sein"
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  • M. C.
    Sorry. Ist geändert.
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