Bing. Eine neue Benachrichtigung. Michael Zehner holt sein Handy aus der Hosentasche, blickt hastig über den kleinen Bildschirm. Petra W. möchte der Gruppe Fair-Teiler Aschaffenburg beitreten, Andreas L. der Gruppe Fair-Teiler Schweinfurt. Bing. Wieder neue Anfragen.
„Das geht rund um die Uhr so“, sagt der 42-jährige Würzburger und grinst. Jede neue Anfrage, jedes neue „Bing“ seines Handys, ist für den selbstständigen Möbelhändler ein Schritt in die richtige Richtung. Denn seit er im September die Trägergesellschaft gekauft hat, ist Zehner der Herr über 60 Online-Flohmärkte – der Markeninhaber von „Fair-Teiler“.
Suche Schuhe, biete Jacke – mit einfachen Anfragen wie dieser begann vor rund zwei Jahren die Erfolgsgeschichte von „Fair-Teiler“. Die Vision des damals 30-jährigen Fabian Löffler war es, das soziale Netzwerk Facebook für nachhaltige Zwecke zu nutzen. Eine Online-Tausch-Gemeinschaft mit einem fairen Grundverständnis erschaffen, das wollte der Stuttgarter erreichen.
Nach und nach rief Löffler verschiedene Gruppen ins Leben, die er alle nach der neuen Marke „Fair-Teiler“ und der jeweiligen Stadt benannte. Wer etwas brauchte, verschenken oder tauschen wollte, sollte hier schnell und unbürokratisch über seine Facebookanmeldung mit Gleichgesinnten aus seiner Region in Kontakt kommen können. Die Idee ging auf: Rund 170 000 Menschen sind heute Mitglied einer „Fair-Teiler“-Gruppe. Von Anfang an am beliebtesten: Die Würzburger Ausgabe.
„Momentan zählen wir hier knapp 44 000 Teilnehmer.“ Michael Zehners Augen strahlen. Der 42-Jährige sitzt in einem Würzburger Café, auf dem Tisch hat er seinen Laptop aufgebaut, ein „Fair-Teiler“-Büro gibt es (noch) nicht. Neben ihm blickt seine 16-jährige Tochter Milena Langer in ihr Handy, scrollt durch die neusten Beiträge in der Gruppe. Sie war es, die ihren Vater auf den Online-Handel aufmerksam gemacht, ihm das Prinzip erklärt hat.
„Mich hat die Dynamik von Anfang an begeistert“, sagt Zehner. Als der Inhaber seine Trägergesellschaft aus zeitlichen Gründen im September zum Verkauf anbot, schlug Zehner zu – und setzte sich gegen zahlreiche Mitbewerber durch. „Meine Vision hat meinen Vorgänger überzeugt“, erklärt er.
Das Ziel des Würzburgers ist es, das soziale Potenzial der Marke weiter zu stärken und die Gruppen so lebendig wie möglich zu halten. Denn der „Fair-Teiler“ ist längst mehr als ein virtueller Flohmarkt.
Alisa ist auf der Suche nach glutenfreier Pizza in der Innenstadt, Thomas verkauft alte Computerspiele und Jessica braucht einen Maler fürs Kinderzimmer – fast minütlich erscheinen neue Beiträge wie diese in der Würzburger Gruppe. Einkaufshilfen, Babysitter, Handwerker, eine Hochzeitslocation oder gar den Partner fürs Leben – die Mitglieder suchen und finden hier, was das Herz begehrt. Bezahlt wird mit Geld, Schokolade, einem Kasten Bier oder einem einfachen Dankeschön.
„Der Grundgedanke von 'Fair-Teiler' ist auf keinen Fall ein kommerzieller“, erklärt Michael Zehner. Das wolle er auch in Zukunft so beibehalten, auch wenn er die „nicht zu hohen“ Kosten der Marke natürlich gerne wieder reinholen würde. In der Planung seien derzeit eine App für Handys, eine neue Internetseite, bessere Suchfunktionen, klarere Strukturen – und die ein oder andere Werbung. Die Idee sei es, gezielte Werbebanner zuzulassen, die dem Nutzer bei seiner Suchanfrage helfen. „Es ist nur das ok, was einen Mehrwert für die Mitglieder bietet“, erklärt Zehner. Der Großteil der Werbeeinnahmen soll dann für soziale Projekte gespendet werden, ganz im Sinne der Ursprungsidee.
„Die soziale Kraft der Gruppen ist faszinierend“, schwärmt der neue Chef. Egal, ob eine alleinerziehende Mutter Hilfe bei der Wohnungssuche benötigt oder ein älterer Herr seine Lampen nicht repariert bekommt, irgendeinen gebe es in der Online-Gemeinschaft immer, der spontan seine Unterstützung anbiete. Das Traumbild einer funktionierenden Gemeinschaft. Doch im Internet ist wie im realen Leben nicht alles immer Friede, Freude, Eierkuchen.
„Wir mussten schon knapp 3000 Leute aus den Gruppen rausschmeißen“, informiert Zehner. Damit der „Fair-Teiler“ seiner ursprünglichen Funktion gerecht werden könne, müssten die Nutzer Regeln einhalten. Externe Links dürfen ebenso wenig gepostet werden wie Tierangebote. „Wir schauen, dass es nicht kommerzialisiert wird und politisch neutral ist“, nennt der Markeninhaber zwei weitere Kriterien.
„Wir“, das sind in diesem Fall die ehreamtlichen Mitarbeiter, die als Administratoren der Gruppen das Geschehen überwachen und wenn nötig einschreiten. Ein Fakt, der nicht allen gefällt. „Sie werden von manchen Nutzern persönlich angefeindet“, erzählt Zehner. Dabei könne man deren Verdienst nicht hoch genug schätzen: Jeder Beitrag werde gegengelesen, jeder Kommentar angeschaut – bei hunderten Nachrichten alleine in der Würzburger Gruppe eine Mammutaufgabe.
„Wenn wir es schaffen, in der Zukunft ein wenig Geld einzunehmen, will ich als Erstes den Helfern eine Aufwandsentschädigung zahlen“, sagt Zehner. Bislang motivierten diese sich rein durch die vielen Dankesnachrichten und die, bis auf einige wenige Ausnahmen, durchweg positive Stimmung in den Gruppen. Der Traum des Möbelhändlers ist es nun, in jeder mittelgroßen Stadt eine solche Gemeinschaft aufzubauen wie in seiner Heimatstadt. Oder, wie er es formuliert: „Würzburg soll überall hingetragen werden!“
Auf Facebook gibt es für Unterfranken Fair-Teiler-Gruppen in Würzburg und Schweinfurt. Ideen für die Umgestaltung und Weiterentwicklung der Marke nimmt Michael Zehner gerne per Mail an: kontakt@fair-teiler.com.