Im Frühjahr 1655 besuchte der ehemalige Würzburger Student Kaspar Schott (1608–1666) nach fast 25 Jahren auf einer Rundreise wieder seine alte Universität. Inzwischen hatte sich dort viel verändert: Der Dreißigjährige Krieg hatte seine Spuren hinterlassen. Aus der Bibliothek waren viele wertvolle Bücher verschwunden.
Im Mathematischen Kabinett der Philosophischen Fakultät fand er zwar noch das Kästchen mit Rechenstäben und die von seinem Lehrer Athanasius Kircher konstruierte Komponiermaschine. Aber das alles wirkte doch recht kümmerlich im Vergleich zu dem reichhaltigen Museum Kircherianum in Rom, von dem er gerade nach Deutschland zurückgekehrt war, und auch der reich ausgestatteten Universität Mainz, an der er gern eine Professur hätte.
Doch die Gesellschaft Jesu und der Kurfürst Johann Philipp von Schönborn hatten entschieden, dass er Professor in Würzburg werden sollte. Sein Orden und auch der Kurfürst setzten große Hoffnungen auf ihn. Immerhin machte ihm der Kurfürst Appetit auf Würzburg, indem er ihm von Otto Guerickes Vakuum-Instrumenten berichtete, die er auf dem Reichstag zu Regensburg erworben hatte und die auf der Festung Marienberg für Versuche bereitstünden.
Professor in Würzburg
Kaspar Schott wurde also Professor für Mathematische Wissenschaften in Würzburg und blieb dort bis an sein Lebensende. Es wurde eine wissenschaftlich sehr erfolgreiche Zeit. In nur elf Jahren erschienen hier von ihm zwölf Werke über Mathematik und ihre Anwendungen in einem Umfang von etwa 10 000 Seiten. Aus heutiger Sicht war das eine unglaubliche Leistung.
Die Mathematischen Wissenschaften umfassten neben der theoretischen und der praktischen Mathematik auch die Naturwissenschaften und viele Wissensgebiete, in denen die Mathematik angewandt wurde. An Stoff war also kein Mangel. Schott war sehr belesen und verfügte auch über praktische Erfahrungen im Umgang mit mathematischen Instrumenten. Aber das Schreiben mit Tinte und Federkiel war mühsam in den dunklen Räumen und der spärlichen Beleuchtung bei Dunkelheit. Für den Druck mussten Verhandlungen mit Verlegern geführt werden, waren Spender für die erforderlichen Mittel zum Druck zu gewinnen, und schließlich galt es auch, Käufer zu finden. Dabei hatte er schließlich als Professor zu lehren und zu prüfen. Zwar hatte er als Jesuit keine familiären Verpflichtungen, doch als Pater zahlreiche religiöse Aufgaben.
Wurzeln in Bad Königshofen
Kaspar Schott wurde am 5. Februar 1608 im heutigen Bad Königshofen geboren, schloss sich 1627 in Trier der Gesellschaft Jesu an und begann 1629 das Studium der Philosophie in Würzburg bei Athanasius Kircher. Als 1631 die schwedischen Truppen auf Würzburg vorstießen, mussten die Jesuiten fliehen. Während Kircher schließlich eine Professur in Rom erhielt, konnte Schott das Philosophie-Studium in Belgien und anschließend sein Theologie-Studium in Sizilien abschließen, wo er schließlich 1649 Professor der Mathematischen Wissenschaften in Palermo wurde. Eine wissenschaftlich fruchtbare Zeit begann für Schott 1652 als Gefährte von Athanasius Kircher an dessen berühmtem Museum in Rom. Hier verfasste er auch erste Manuskripte und beschaffte finanzielle Mittel zum Druck, die er nach Deutschland mitbrachte.
Von Mainz aus hatte er Verbindungen zu seinen späteren Verlegern Schönwetter in Frankfurt und Endter in Nürnberg aufgenommen. Bei Schönwetter erschien dann auch 1657 als erstes Buch seine „Mechanica hydraulico-pneumatica“, die er bereits in Rom verfasst hatte und in der er Theorie und Praxis der interessanten hydraulischen und pneumatischen Maschinen aus Kirchers Museum entwickelte. Nach seinen Erfahrungen mit den Vakuum-Experimenten auf der Festung und seinem Briefwechsel mit Otto Guericke und Kircher konnte er im Anhang als erster über die Vakuum-Versuche berichten. Das Buch machte Guerickes Versuche und Kaspar Schott als Wissenschaftler weltweit bekannt.
Es folgten die vier Bände seiner „Magia universalis naturae et artis“. In ihnen behandelte Schott Optik, Akustik, Mechanik, Mathematik, Kryptographie, Magnetismus und allerlei Merkwürdiges wie die Deutung der Gesichtszüge und der Handlinien. Er war sich zwar bewusst, dass der Begriff der „Magie“ problematisch war, doch er wollte damit ausdrücken, dass es ihm um die Wunder der Natur ging.
Die Naturwissenschaften stellte er aus Kirchers Sicht dar, um dessen Ideen den Menschen interessant und verständlich zu vermitteln. Aus Würzburg berichtete er etwa über die Wasserversorgung der Festung Marienberg durch das neue Pumpwerk am Main. Praktische Mathematik behandelte er in seinem „Pantometrum Kircherianum“ (1660). Dabei handelt es sich um das Handbuch zu einem Messtisch, mit dem Kircher Vermessungen – zum Beispiel am Vesuv – vorgenommen hatte und den Schott in Rom weiterentwickelte.
Die Krönung dieser Arbeiten bildete 1661 Schotts „Cursus mathematicus“, der mit seinen 28 Themenbereichen eine bedeutende Enzyklopädie der Mathematischen Wissenschaften darstellte. Als 1658 der in Frankfurt frisch gekrönte Kaiser Leopold I. auf der Rückreise nach Wien die Stadt Würzburg besuchte, fragte er nach Pater Schott. Alle wunderten sich. Doch Schott hatte dem erst 18-jährigen Kaiser durch einen Ordensbruder sein erstes Buch in Frankfurt überreichen lassen. Der Kaiser war so beeindruckt davon, dass er den Verfasser kennenlernen wollte. Schott wurde huldvoll empfangen, durfte ihm seine neuesten Bücher überreichen, berichtete von dem geplanten „Cursus“ und erhielt die Erlaubnis, das Werk dem Kaiser zu widmen.
Vakuum-Versuche auf der Festung
Dass auch der Mensch Wunder hervorbringen kann, zeigte sich für Schott an den Wunderwerken der Technik. In seiner reich bebilderten „Technica curiosa“, die 1664 von Endter herausgegeben wurde, bot er ein breites Spektrum an technischen Errungenschaften dar. Das Werk beginnt mit einem ausführlichen Bericht über die Entwicklung der Vakuum-Versuche in Magdeburg, Würzburg, England und Italien. Dort findet sich dann auch die berühmte Abbildung des Versuchs mit den Magdeburger Halbkugeln. Die erforderlichen Informationen lieferte ihm sein internationales Netzwerk.
Historisch interessant sind die abgedruckten Briefe von Guericke, mit denen sich Schott überzeugen lässt, dass sich die verblüffenden Erscheinungen mit dem Gewicht der Luft erklären lassen. In dem Buch folgt dann eine Sammlung technischer Neuigkeiten, Erfindungen und Versuche. Es finden sich darunter Interessantes und Merkwürdiges – wie die Suche nach einem Perpetuum mobile, ein angebliches Unterseeboot und eine Taucherglocke. Umberto Eco, der mit der Figur des Pater Caspar Wanderdrossel Schott in seinem Roman „Die Insel des vorigen Tages“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat, lässt seinen Helden in einer Taucherglocke untergehen.
Wunderwerke der Technik
Besonders interessiert war Schott an Maschinen als Wunderwerken der Technik. Er selbst hatte mit der Cistula ein Rechenkästchen entwickelt, ausführlich berichtete er über Kirchers Verschlüsselungsmaschinen in seiner „Schola steganographica“ (1665), und zu Kirchers Organum mathematicum, einer Lehrmaschine, verfasste er ein Handbuch, das postum erschien.
Die größten Rätsel gibt uns Schott heute mit seinem Buch „Physica curiosa“ (1662) auf, denn es hat mit dem heutigen Verständnis von Physik nichts zu tun. Zwar betrachtete Schott dieses Werk als Fortsetzung seiner „Magia universalis“, doch dominieren hier das Geheimnisvolle, das Außergewöhnliche und das Monströse. Nach dem Verständnis des Barock konnte freilich gerade das Außergewöhnliche neue Erkenntnis über die Natur vermitteln. Das Werk handelt von Engeln, Dämonen, Visionen, Fabelwesen und Missgeburten sowie unbekannten Tieren. Das waren zweifellos Themen, die die Menschen damals bewegten. Und Schott bemühte sich immerhin, aufklärend zu wirken.
Als Schott Ende 1665 von der Erscheinung eines Kometen erfährt, sammelt er Berichte und kann den Kometen im neuen Jahr selbst von der Festung aus beobachten. Seine Berichte stellt er großzügig Stanislaw Lubieniecki in Hamburg auf dessen Bitte hin für ein Buch über Kometen zur Verfügung. Er selbst arbeitete an dem „Organum mathematicum“ und konnte das Manuskript auch fertigstellen, obwohl er bereits seit einiger Zeit mit gesundheitlichen Problemen zu tun hatte. Am 22. Mai 1666 starb er in Würzburg.
Kaspar Schott lebte und wirkte in Spannungsfeldern zwischen Glaube und Wissenschaft, Dienst und Macht, Kirche und Staat und auch ganz banal wissenschaftlichem und kommerziellem Erfolg. Wie er diese Einflüsse erlebte, zeigen seine Briefe, und wie er damit umging, erkennt man aus seinen Werken. Sein Werdegang vermittelt einen lebendigen Eindruck von einem bedeutenden Gelehrten, der über konfessionelle Grenzen hinweg Gebildete, Fürsten, ja selbst den Kaiser für die Mathematischen Wissenschaften gewann.
Professor Hans-Joachim Vollrath war von 1972 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2000 Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Mathematik an der Universität Würzburg. Der 83-jährige Mathematiker hat zusammen mit Dr. Thomas E. Conlon aus Reading in den vergangenen Jahren die erhaltenen Briefe von Kaspar Schott erschlossen. Entstanden ist die erste ausführliche Biografie, die einen Einblick in das Leben und Wirken des jesuitischen Gelehrten gibt. Buchtipp: Hans-Joachim Vollrath: „Kaspar Schott 1608–1666. Leben und Werk des Würzburger Mathematikers“, Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2017, 178 Seiten, 28 Euro.