Die Kulturscheune Höchberg ist ein Veranstaltungsort, der seit September 2021 das Kulturgeschehen der Marktgemeinde bereichert. Dass die Kulturscheune aber auch als Besuchermagnet für Poesie dienen kann, konnte man nicht unbedingt erwarten. Doch genau das passierte bei der "Dichterlesung in Wort, Bild und Klang". Der schmucke Veranstaltungssaal war nahezu bis auf den letzten Platz besetzt bei einem multimedialen Abend mit und zu Ehren von Wolf Wiechert.
Der Pianist, Komponist und Moderator Alexander Wolf gab nach der Begrüßung das Motto des Abends mit einem Klaviersolo vor: "Poeta Laureatur" – ein Dichter sollte gefeiert werden, nicht nur mit einem musikalischen Lorbeerkranz, sondern vor allem mit seinen neuesten Gedichten aus dem im letzten Jahr erschienenen Band "Restsüße".
Der in Wertheim lebende Wolf Wiechert versammelt darin rund fünf Dutzend Gedichte, die einer ganz eigenen, einer etwas aus der Zeit gefallenen Poetologie folgen: "Denn Gedichte, jedenfalls diese, haben ein bildeigenes, abgedrehtes Format, legen Untiefen frei, Schönes, Häßliches, Schreckliches, Bizarres, Rätselhaftes, was Sprache in ihrer üblichen Funktion nicht mehr benennen kann."
Der Poesie eine weitere Dimension hinzugefügt
Knapp 20, ein Drittel also, trägt der Autor vor, versehen mit erläuternden Erklärungen zur Entstehung, den verwendeten Motiven oder den biografischen Hintergründen. Die sind mal tragisch wie in "die brille", mal literarisch wie in "du weißdorn" von Proust, mal künstlerisch "les nymphéas" von Monet inspiriert.
Gleichberechtigter Teil des Abends sind die musikalischen Elemente, die dem Unsagbaren der Poesie eine weitere Dimension hinzufügen. Begleitet von Alexander Wolf trug die Würzburger Sopranistin Maria Bernius (Kunst-)Lieder von Robert Schumann und Franz Schubert vor, aber eben auch von Alexander Wolf vertonte Gedichte Wiecherts: "nach der sonnenfinsternis", "akelei" und als Uraufführung "salome".
Mit diesen Liedern, enthalten auf der 2019 erschienen CD "Besser Du redest nicht weiter darüber", wurden dem Komponisten und dem Dichter von einem Rundfunk-Musikredakteur "die Fit-Machung des Kunstliedes für das 21. Jahrhundert" bescheinigt. Und in der Tat brauchen sich die modernen Werke hinter denen der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts nicht zu verstecken, zumal in der stimmlich luiziden und im Zusammenspiel mit dem Pianisten Alexander Wolf harmonisch perfekten Interpretation von Maria Bernius.
Um neue Interpretationsräume erweitert
Für die im Würzburger Verlag Königshausen und Neumann erschienene Buchausgabe der Gedichte hat kein Geringerer als der inzwischen ebenfalls in Wertheim ansässige Konzeptkünstler Ottmar Hörl die Illustrationen geschaffen. In einem launigen Stegreif-Exkurs erläuterte der ehemalige Präsident der Nürnberger Kunstakademie sein Rotationen-Konzept, das die Lyrik um neue Interpretationsräume erweitert.
Alle drei künstlerischen Aspekte fügten sich zu einem gelungenem Abend, der dem gefeierten Jubilar sichtlich wohlgetan hat.