Die Malerin Renate Jung hat in Höchberg einige Kunstwerke gestaltet. Erst im vergangenen Jahr hat sie ihr altes Fassadengemälde an der Ernst-Keil-Schule wieder aufgefrischt, auf dem unter einer Sonnenuhr mehrere Kinder fröhlich eine Weltkugel umtanzen. Doch als sie erfährt, dass der Gemeinderat darüber diskutiert, ob ihr Wandgemälde im Höchberger Ratskeller bleiben kann, oder der Sanierung zum Opfer fällt, ist sie sauer. „Es wäre eine Kulturlosigkeit ersten Ranges, so etwas Originelles zu entfernen“, sagt sie entrüstet. „Damit würde man den Charme des Ratskellers zerstören.“
Die gebürtige Baden-Württembergerin aus Sinsheim studierte in den 70ern Malerei, Grafik und plastisches Gestalten an der Werkkunstschule in Würzburg, bevor sie schließlich beim bekannten DDR-Maler Werner Tübke in Leipzig in die Lehre ging. Laut Jung war Tübke zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Talenten für sein Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen. „Ich war seine Meisterschülerin“, erklärt sie stolz.
Nach ihrem Abschluss orientierte sie sich anfangs noch am Kunststil der Leipziger Schule, dem sogenannten magischen Realismus, doch bald schon suchte und fand sie ihren eigenen Weg. „Ich wollte ehrliche Kunst machen und nicht die alten Meister kopieren. Deshalb erfinde ich mich ständig neu, probiere neue Techniken aus – und bleibe mir doch stets treu dabei“, fasst Jung ihre künstlerischen Werdegang zusammen.
Auf diese Weise entstanden zahlreiche Aquarelle, Ölgemälde, Wandmalereien, Fassadenbilder, Zeichnungen, Grafiken, Plastiken und insbesondere Porträts. Wie zum Beweis zieht die Künstlerin einen Ordner mit Fotografien ihrer Porträts aus dem Regal. „Adelige, Politiker, Pianisten, Musiker, Sänger und andere berühmte Persönlichkeiten – ich habe sie alle porträtiert“, erinnert sie sich. Unter anderem malte sie den FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher, die ehemalige Mitherausgeberin der Zeitung Die Zeit, Marion Gräfin Dönhoff, und die Philosophin Hannah Arendt. Eines ihrer jüngsten Porträts zeigt Wolfgang Wagner, den Enkel von Richard Wagner.
Das Wandgemälde im Gewölbekeller des Hotels „Lamm“ gehört zu den frühen Werken von Renate Jung. Es entstand im Jahr 1987, etwa zur gleichen Zeit wie das Fassadenbild an der Ernst-Keil-Schule. Sie erhielt damals den Auftrag, drei Höchberger Bürgermeister aus unterschiedlichen Jahrhunderten an die Wand des Ratskellers zu malen, womit ein historischer Bezug zur Gemeinde hergestellt werden sollte. Sie entschied sich dafür, einen Bürgermeister aus der Biedermeierzeit, einen aus dem 19. Jahrhundert und den Amtsvorgänger des jetzigen Ortsoberhaupts, Werner Hillecke, zu porträtieren.
Obwohl in ihrer künstlerischen Anfangszeit entstanden, ist die Malerin auch heute noch stolz auf ihr Werk. „Natürlich sollte der Keller modernisiert werden. Aber dazu muss das Kunstwerk ja nicht entfernt werden“, meint sie.
Stattdessen schlägt Jung einen Kompromiss vor: „Ich würde mein Wandgemälde leicht auffrischen und gegebenenfalls den jetzigen Bürgermeister Peter Stichler zwischen seine historischen Kollegen setzen.“ Mit diesem Vorschlag hat sie sich bereits an das Rathaus gewandt. Eine Antwort steht allerdings noch aus.
Der Kunsthistoriker Josef Kern schätzt die Erfolgschancen der Künstlerin eher pessimistisch ein. „Wenn für ein Kunstwerk keine Nachfrage mehr besteht, ist es absolut üblich, dass es entfernt wird“, meint der Würzburger Universitätsprofessor. Vergleichbare Wandgemälde wie das im Höchberger Ratskeller fänden sich außerdem in vielen Weinstuben der Region. „Das Gemälde ist eher Dekoration als hohe Kunst“, urteilt Kern. „Es ist jedenfalls nicht vergleichbar mit einem Raphael oder einem Delacroix.“
Eine ähnliche Meinung vertritt auch Bürgermeister Stichler, der sich allerdings diplomatischer äußert: „Frau Jung hat viele schöne Bilder für Höchberg gemalt, aber bei diesem speziellen Gemälde scheiden sich die Geister.“ Er wolle jedoch zeitnah ein Gespräch mit der Künstlerin führen, um möglichst eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Ich schätze die Malerei von Frau Jung sehr, auch z.B. die Fischerfasade in der Dreikronenstraße in Würzburg. Aber geht der Schuss nicht nach hinten los, in dem so mancher Hausbesitzer / Bauherr / Gastwirt zukünftig sich wegen dieses geforderten Bestandsschutzes Gednaken machen wird, solche Aufträge überhaupt noch zu vergeben. Sollte dies bei neuen Aufträgen der Fall sein, ginge dem Stadtbild einiges zukünftig verloren.
Außerdem müsste der Bürgermeister dies auch seinen Bürgern gegenüber verantworten können, falls das Gemälde aus Steuermitteln finanziert worden war. Es wäre aber schon mehr als nur peinlich, wenn die Entfernung nur deswegen angeordnet würde, weil eine andere Person als der aktuelle Bürgermeister dargestellt wird.