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HÖCHBERG
Ein Werk soll weichen
Kunst oder Dekoration? Eigentlich hat die Würzburger Malerin Renate Jung eine besondere Beziehung zu Höchberg. Doch jetzt diskutiert man dort darüber, ein Wandgemälde von ihr aus dem Ratskeller zu entfernen. Sie ist empört.
Vom Biedermeier bis heute: Die Wandmalerei zeigt drei Bürgermeister aus verschiedenen Jahrhunderten. Der ehemalige Bürgermeister Werner Hillecke (rechts) prostet seinen Kollegen, dem der Bürgermeister aus dem 19. Jahrhundert (4. von rechts) und dem Ortsoberhaupt aus der Biedermeierzeit (5. von rechts), zu.
Foto: Axel herber | Vom Biedermeier bis heute: Die Wandmalerei zeigt drei Bürgermeister aus verschiedenen Jahrhunderten. Der ehemalige Bürgermeister Werner Hillecke (rechts) prostet seinen Kollegen, dem der Bürgermeister aus dem 19.
Von unserem Mitarbeiter Axel Herber
 |  aktualisiert: 20.05.2012 09:22 Uhr

Die Malerin Renate Jung hat in Höchberg einige Kunstwerke gestaltet. Erst im vergangenen Jahr hat sie ihr altes Fassadengemälde an der Ernst-Keil-Schule wieder aufgefrischt, auf dem unter einer Sonnenuhr mehrere Kinder fröhlich eine Weltkugel umtanzen. Doch als sie erfährt, dass der Gemeinderat darüber diskutiert, ob ihr Wandgemälde im Höchberger Ratskeller bleiben kann, oder der Sanierung zum Opfer fällt, ist sie sauer. „Es wäre eine Kulturlosigkeit ersten Ranges, so etwas Originelles zu entfernen“, sagt sie entrüstet. „Damit würde man den Charme des Ratskellers zerstören.“

Die gebürtige Baden-Württembergerin aus Sinsheim studierte in den 70ern Malerei, Grafik und plastisches Gestalten an der Werkkunstschule in Würzburg, bevor sie schließlich beim bekannten DDR-Maler Werner Tübke in Leipzig in die Lehre ging. Laut Jung war Tübke zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach Talenten für sein Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen. „Ich war seine Meisterschülerin“, erklärt sie stolz.

Nach ihrem Abschluss orientierte sie sich anfangs noch am Kunststil der Leipziger Schule, dem sogenannten magischen Realismus, doch bald schon suchte und fand sie ihren eigenen Weg. „Ich wollte ehrliche Kunst machen und nicht die alten Meister kopieren. Deshalb erfinde ich mich ständig neu, probiere neue Techniken aus – und bleibe mir doch stets treu dabei“, fasst Jung ihre künstlerischen Werdegang zusammen.

Auf diese Weise entstanden zahlreiche Aquarelle, Ölgemälde, Wandmalereien, Fassadenbilder, Zeichnungen, Grafiken, Plastiken und insbesondere Porträts. Wie zum Beweis zieht die Künstlerin einen Ordner mit Fotografien ihrer Porträts aus dem Regal. „Adelige, Politiker, Pianisten, Musiker, Sänger und andere berühmte Persönlichkeiten – ich habe sie alle porträtiert“, erinnert sie sich. Unter anderem malte sie den FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher, die ehemalige Mitherausgeberin der Zeitung Die Zeit, Marion Gräfin Dönhoff, und die Philosophin Hannah Arendt. Eines ihrer jüngsten Porträts zeigt Wolfgang Wagner, den Enkel von Richard Wagner.

Das Wandgemälde im Gewölbekeller des Hotels „Lamm“ gehört zu den frühen Werken von Renate Jung. Es entstand im Jahr 1987, etwa zur gleichen Zeit wie das Fassadenbild an der Ernst-Keil-Schule. Sie erhielt damals den Auftrag, drei Höchberger Bürgermeister aus unterschiedlichen Jahrhunderten an die Wand des Ratskellers zu malen, womit ein historischer Bezug zur Gemeinde hergestellt werden sollte. Sie entschied sich dafür, einen Bürgermeister aus der Biedermeierzeit, einen aus dem 19. Jahrhundert und den Amtsvorgänger des jetzigen Ortsoberhaupts, Werner Hillecke, zu porträtieren.

Obwohl in ihrer künstlerischen Anfangszeit entstanden, ist die Malerin auch heute noch stolz auf ihr Werk. „Natürlich sollte der Keller modernisiert werden. Aber dazu muss das Kunstwerk ja nicht entfernt werden“, meint sie.

Stattdessen schlägt Jung einen Kompromiss vor: „Ich würde mein Wandgemälde leicht auffrischen und gegebenenfalls den jetzigen Bürgermeister Peter Stichler zwischen seine historischen Kollegen setzen.“ Mit diesem Vorschlag hat sie sich bereits an das Rathaus gewandt. Eine Antwort steht allerdings noch aus.

Der Kunsthistoriker Josef Kern schätzt die Erfolgschancen der Künstlerin eher pessimistisch ein. „Wenn für ein Kunstwerk keine Nachfrage mehr besteht, ist es absolut üblich, dass es entfernt wird“, meint der Würzburger Universitätsprofessor. Vergleichbare Wandgemälde wie das im Höchberger Ratskeller fänden sich außerdem in vielen Weinstuben der Region. „Das Gemälde ist eher Dekoration als hohe Kunst“, urteilt Kern. „Es ist jedenfalls nicht vergleichbar mit einem Raphael oder einem Delacroix.“

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Bürgermeister Stichler, der sich allerdings diplomatischer äußert: „Frau Jung hat viele schöne Bilder für Höchberg gemalt, aber bei diesem speziellen Gemälde scheiden sich die Geister.“ Er wolle jedoch zeitnah ein Gespräch mit der Künstlerin führen, um möglichst eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Die Künstlerin: Malerin Renate Jung vor dem Porträt einer unbekannten Frau, an dem sie gerade arbeitet.
Foto: Axel herber | Die Künstlerin: Malerin Renate Jung vor dem Porträt einer unbekannten Frau, an dem sie gerade arbeitet.
Kahle Wände: So sah der Höchberger Ratskeller aus, bevor Renate Jung ihr Wandgemälde anbrachte.
Foto: Renate Jung | Kahle Wände: So sah der Höchberger Ratskeller aus, bevor Renate Jung ihr Wandgemälde anbrachte.
 
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  • peterlesbub
    wenn z.B. ein Kunstschlosser einen wertvollen Ausleger anfertigt oder ein Kunstschreiner eine wertvolle Vertäfelung mit Intarsien fertigt. Sollen diese dann aucfh mit Hinweis auf das Urheberrecht auf alle Zeiten Bestandsschutz haben, auch wenn die Räume ganz anders genutzt werden sollen ?
    Ich schätze die Malerei von Frau Jung sehr, auch z.B. die Fischerfasade in der Dreikronenstraße in Würzburg. Aber geht der Schuss nicht nach hinten los, in dem so mancher Hausbesitzer / Bauherr / Gastwirt zukünftig sich wegen dieses geforderten Bestandsschutzes Gednaken machen wird, solche Aufträge überhaupt noch zu vergeben. Sollte dies bei neuen Aufträgen der Fall sein, ginge dem Stadtbild einiges zukünftig verloren.
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  • Reformatorische Theologen haben bereits im 16.Jahrhundert Gemälde, Skulpturen, Kirchenfenster und Bilder aus den Kirchen entfernen lassen. Heute fragt man sich, was diese Bilderstürmer geritten hat, so viel Kultur vernichtet zu haben. Schon damals wurden auf lokaler Ebene so politische Konflikte zwischen Volk und Eliten ausgetragen und „kunstlose“ Bildwerke übertüncht. Heute fragt man sich, wie dies geschehen konnte. Kunst diente schon immer auch als Medium sozialer Konflikte. Doch die Schweinfurter Stadtoberen sollten schlauer sein und bei diesem Bilderkampf nichts tun, was eine Generation später bitter bereut werden wird. Der Kunstbegriff ist per Grundgesetz offen und frei - und kann deshalb endlos in Frage gestellt werden. Aber der Raum wirkt MIT dem Wandgemälde viel stimmungsvoller und ein schön gestaltetes Umfeld erfüllt die Sehnsucht nach einem harmonischen Umfeld,- auch in einem Restaurant. Eine Auffrischung des dekorativen Gemäldes und die Ergänzung des jetzigen Bürgermeister Peter Stichler zwischen seinen historischen Kollegen ist doch sehr zu begrüßen! Dieses Alleinstellungsmerkmal im Ratskeller sollte bleiben, zumal die Künstlerin Renate Jung spätestens nach ihrem - hoffentlich noch weit entfernten - Tod eine große Anerkennung bekommen wird.
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  • hansi07
    bin ich der Meinung, dass der Auftraggeber, der damals dafür bezahlt hat, auch darüber verfügen kann, wenn es wieder entfernt wird. Natürlich kann ich das Bedauern der Künstlerin verstehen.

    Außerdem müsste der Bürgermeister dies auch seinen Bürgern gegenüber verantworten können, falls das Gemälde aus Steuermitteln finanziert worden war. Es wäre aber schon mehr als nur peinlich, wenn die Entfernung nur deswegen angeordnet würde, weil eine andere Person als der aktuelle Bürgermeister dargestellt wird.
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