Bertrand Piccard ist in der Geschichte der Luftfahrt ein berühmter Mann. 1999 schaffte der Schweizer Flugpionier zusammen mit seinem britischen Copiloten Brian Jones die erste Weltumrundung mit einem Ballon ohne Zwischenlandung. Gestartet in der Schweiz, landete Piccard nach knapp 20 Tagen in der ägyptischen Wüste. Ähnlich spektakulär ist das Projekt, das er derzeit durchführt: die Weltumrundung im Flugzeug ausschließlich mit Solarenergie.
Vier Tage Flug über den Atlantik
Seit März 2015 geht es in Etappen um die Welt, und an diesem Montag ist Piccard mit dem Sonnensegler vom JFK-Airport in New York zu einer der härtesten Abschnitte aufgebrochen: der Überquerung des Atlantiks. Vier Tage sind dafür angesetzt. Wenn alles gut geht, wird der Schweizer am Donnerstag im spanischen Sevilla landen.
Die gesamte Aktion wird vom Kontrollzentrum in Monaco aus überwacht – und von dem jungen Unterfranken Julian Krönert. Er gehört zum Team der „Mission Control“ und ist stolz, Teil eines historischen Projektes zu sein. „Das ist ein einzigartiges Gefühl“, berichtet der 27-jährige Ingenieur aus Duttenbrunn im Landkreis Main-Spessart via E-Mail aus Monaco.
Fürst Albert ist Schirmherr des Projekts „Solar impulse“ und hat in Monaco die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt.
Missionsingenieur gesucht
Julian Krönert hatte im Winter 2015 während seines Masterstudiums die Stellenausschreibung für einen „Missionsingenieur im Kontrollzentrum von Solar impulse“ entdeckt. „Ich hatte nicht gedacht, dass ich eine Chance habe“, erinnert er sich. Um so schöner war es, dass ihm nach einem Vorstellungsgespräch die Stelle angeboten wurde. Seit Mitte Februar ist er nun als Missionsingenieur dabei.
„Eine formale Ausbildung dazu gibt es nicht“, sagt Krönert. Doch sein Werdegang hat wohl die Projektleiter von „Solar impulse“ beeindruckt. Nach dem Abitur am Johann Schöner Gymnasium in Karlstadt studierte Krönert Luftfahrttechnik mit einer Verkehrspilotenausbildung an der Hochschule Bremen und in Valparaiso in Chile. Dann war er als Ingenieur bei der Lufthansa Technik angestellt und setzte sein Masterstudium im Bereich „Zukunftsfähige Energiesystem“ an der Hochschule Bremen fort.
Mit dem Piloten im ständigen Funkkontakt
Im Kontrollzentrum sind rund 20 Ingenieure angestellt – darunter Meteorologen und Flugsicherungsexperten. Weitere 40 Kollegen betreuen den Flieger vor Ort, und wiederum weitere 40 sind für das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Krönerts Aufgabe ist es, die Flüge zu koordinieren: „Während des Fluges stehen wir im permanenten Funkkontakt mit dem Piloten und überwachen die technischen Systeme.“
Genug Arbeit gibt es für Krönert auch, wenn das Flugzeug am Boden ist. Dann wird die nächste Flugphase in enger Abstimmung mit Meteorologen, Flugsicherungs- und Simulationsexperten geplant. „Wir brauchen für einen Flug wenig Wolken, wenig Turbulenzen und wenig Niederschlag“, sagt Krönert. Das Solarflugzeug ist deutlich langsamer als andere Flugzeuge, aber geflogen wird aus technischen Gründen auch auf Flughöhen von Verkehrsflugzeugen. Dies erfordert eine intensive Koordination mit den Flugsicherungsbehörden.
Gestartet ist das Solarflugzeug bereits im März 2015 in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo die Weltumrundung auch enden soll. „Wir hoffen, dass wir gegen Ende des Sommers dort sein werden“, sagt Alexandra Gindroz, die Sprecherin von „Solar impulse“. Sie betont, die Weltumrundung sei kein Wettlauf gegen die Zeit. „Wir wollen demonstrieren, was mit sauberen Technologien möglich ist.“
Rückschlag: Batterien erhitzt
Im Cockpit wechselt sich der 58-jährige Bertrand Piccard bei den einzelnen Etappen mit André Borschberg ab. Der Schweizer Maschineningenieur und Geschäftsmann war bei der Entwicklung des Sonnenfliegers maßgeblich beteiligt. Nach dem Start in Abu Dhabi war zunächst alles reibungslos gelaufen. In mehreren Etappen ging es über Indien, den Himalaya und China nach Japan. Dann kam der Rückschlag: Borschberg hatte im Juni die wohl schwierigste Etappe von Japan nach Hawaii gemeistert, doch der Weiterflug nach Phoenix in den USA war nicht mehr möglich. Die Batterien, die dafür sorgen, dass die Maschine auch nachts fliegen kann, hatten sich erhitzt. Sie konnten während des Flugs nicht mehr abkühlen. Die Techniker mussten erst neue Systeme testen, die die Erhitzung verhindern. Die Fortsetzung der Weltumrundung wurde auf April 2016 verschoben.
Denn die Sicherheit der Piloten stehe an erster Stelle, sagt Projekt-Sprecherin Alexandra Gindroz. Ein gewisses Risiko bleibe, würde die Piloten aber nicht von ihrem abenteuerlichen Unterfangen abhalten. Das Team von „Solar impulse“ will zeigen, dass die Idee des „unendlichen Flugs“ möglich ist, also Tag und Nacht ohne einen Tropfen Benzin in der Luft zu sein. „Der Flug von Japan nach Hawaii hat fünf Tage und Nächte gedauert, er hat dies bewiesen“, so die Sprecherin.
17.000 Solarzellen auf den riesigen Flügeln
Um das schaffen, ist das Solarflugzeug mit über 17 000 Solarzellen auf der Oberseite ausgestattet. Die Zellen sitzen auf den Flügeln mit einer Spannweite von 72 Metern – das ist mehr als bei einem Jumbojet. Die Solarenergie treibt den Motor an und lädt gleichzeitig die im Flugzeug installierten Lithium-Batterien auf. Für die Flüge braucht es daher gutes Wetter. In China musste Pilot Borschberg fast sechs Wochen darauf warten. Das Flugzeug ist extrem leicht, und im Cockpit ist daher nur Platz für eine Person. Zum Schlafen sind nur kurze Phasen von 20 Minuten eingeplant, sagt Gindroz. Aber beide Piloten hätten besondere Techniken zum Entspannen von Körper und Geist entwickelt.
Piccard nutze seine Fähigkeiten als ausgebildeter Psychiater zur Selbsthypnose, Boschberg kenne Yoga-Techniken, um sich während langer Flüge zu entspannen. Das Cockpit habe einen Mehrzwecksitz, der gleichzeitig als Toilette und Liegefläche genutzt werden kann.
Kein Druckausgleich, keine Heizung
Von der derzeit laufenden Atlantiküberquerung gibt es einen Live-Ticker, den „Solar impulse“ bedient. Bertrand Piccard klingt etwas müde, heißt es da am Dienstag. Kein Wunder: Der 58-jährige Abenteurer und Wissenschaftler hat schon 24 Stunden – davon mehrere in Dunkelheit – auf seinem Pilotensitz verbracht. Im Cockpit gibt es keine Möglichkeit aufzustehen, die Kabine kennt weder Druckausgleich noch Heizung. Für ihn war ein „Point of no return“ berechnet worden. Dies ist der Punkt, bis zu dem er wieder nach New York umkehren könnte. Doch diesen Punkt hat er schon überschritten. Jetzt gibt es nur den Weg nach vorne und den Versuch, die 6000 Kilometer bis nach Sevilla in Spanien zu gelangen – mit einer Geschwindigkeit von circa 70 Stundenkilometern.
Für den Notfall nur Fallschirm und Rettungsboot
Der Live-Ticker berichtet aber auch von entspannten Ereignissen. Er habe springende Wale beobachtet, meldet Piccard und belegt dies mit einem Foto. Den ganzen Montag war der Sonnensegler auf einer Flughöhe mit 900 und 1000 Metern unterwegs, in der Nacht stieg der Flieger auf über 6000 Meter auf, was den Einsatz von Sauerstoffmasken nötig macht. Piccard trägt eine Daunenkleidung, die ihn vor Kälte schützt. Sollte etwas schief gehen, kann Piccard mit einem Fallschirm und einem Rettungsboot abspringen. Das wurde sogar trainiert – in der Hoffnung, dass es nie nötig sein wird. Die Sonne geht wieder auf, heißt es im Ticker. Und die Batterien fangen wieder an zu laden. Bisher läuft alles nach Plan.
Noch mehrere Etappen bis zum Ziel
Von Sevilla soll es über mehrere Etappen weiter nach Abu Dhabi gehen. Es ist auch die Aufgabe von Julian Krönert, die Route zu berechnen. Das Ziel des Projekts ist, die Menschen für die Notwendigkeit des Energiesparens und der Nutzung und Förderung von erneuerbaren Energien zu sensibilisieren – ein Ziel, mit dem sich Krönert voll identifizieren kann. Nach Ende des Projekts will er sein Studium beenden. Es fehlt noch die Masterarbeit. Sein Thema hat er schon: Erneuerbaren Energien.