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Würzburg
Ein Smartphone in Kinderhänden – eine gute Idee?
Die Apps heißen "TikTok" oder "Fortnite". Kinder lieben sie, Eltern, so sagt Autorin und Mutter Dorothea Fischer, eher nicht. Und was meint ein Medien-Coach dazu?
Dauerbrenner Smartphone: Ab wann sollten Kinder eines bekommen? Und welche Apps sind sinnvoll?
Foto: Nicolas Armer, dpa | Dauerbrenner Smartphone: Ab wann sollten Kinder eines bekommen? Und welche Apps sind sinnvoll?
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:59 Uhr

Unsere Tochter ist heute elf Jahre alt. Im ersten Jahr hatte sie ein Handy, mit dem sie nur telefonieren oder eine Nachricht über das Mobilfunknetz, also SMS, versenden konnte. Nach der ersten Freude, folgte schnell die Ernüchterung: kein WhatsApp, kein YouTube, keine Online-Spiele. Das Internet blieb tabu. Heute geht sie mit ihrem Smartphone online: allerdings nur zu Hause im Wlan und nur eine Stunde täglich. Glücklich ist sie darüber nicht. Die Zeit ist ihr zu kurz. Wir Eltern finden, das ist genug.

Ab welchem Alter ist ein Smartphone sinnvoll?

Die Diskussionen über die Nutzung des Smartphones ist ein leidiges Thema in vielen Familien. Nicht nur bei uns. Die aktuelle Bitkom-Studie "Kinder & Jugendliche in der digitalen Welt" aus dem Jahr 2017 zeigt, dass 73 Prozent der Zehn- bis Zwölfjährigen über ein eigenes Smartphone verfügen. Ab 13 Jahren gehört das Gerät bei fast allen zur Standardausstattung. Für uns Eltern ist es wichtiger denn je, Informationen von Experten einzuholen, Erfahrungen mit anderen Familien auszutauschen.

Experte auf diesem Gebiet ist in Unterfranken Medienfachberater Lambert Zumbrägel vom  Bezirksjugendring. "Ich werde oft gefragt, ab welchem Alter ein Smartphone für die Kinder sinnvoll ist. Ich antworte dann immer: Dann, wenn das Kind etwas Sinnvolles damit macht." Das könne zum Beispiel der Wechsel an eine weiterführende Schule sein, wenn das Kind sich einen neuen Freundeskreis erschließt und sich weiterentwickelt. Das Smartphone diene der Kommunikation, aber auch der Selbstdarstellung. Bei Kindern bis zehn Jahren rät der Mediencoach, ein Tablet anzuschaffen. Dieses werde selten mitgenommen, sei daher auch kein privates Gerät. "Es kann aber alles, was ein Smartphone auch kann. Am Tablet kann man viele Anwendungsfunktionen erlernen, und das noch unter Kontrolle und Begleitung."

Kinder erklären lassen     

Der Experte plädiert für einen gelassenen und vor allem auf Vertrauen basierenden Umgang mit dem Thema. Eltern, die Interesse für die digitale Welt ihrer Kinder zeigten, sich selbst dort ausprobieren würden, kämen in der Diskussion viel weiter als solche, die ohne Kenntnis der Materie grundsätzliche Verbote aussprechen würden. Eltern müssten ihre Sorgen dennoch klar und für Kinder verständlich formulieren. Und die Kinder müssten durch Taten diese Sorgen nehmen. "Das kann man teilweise durch Aufgaben für die Kinder lösen: Du willst WhatsApp? Dann beschäftige Dich mit den Privatsphäreeinstellungen der App und erkläre sie mir. Anhand der Erklärung bekommt man ein Gefühl, ob und wie das Kind sich damit auseinandersetzt", erklärt Zumbrägel.

Das leuchtet uns ein: Statt "Nein" zu sagen, lieber mal fragen: "Warum ist Dir das so wichtig? Zeig mal, wie funktioniert das eigentlich?" Sinnvoll seien auch Erklärungen über die Sicherheit im Netz und wie man sich schützen kann. Und: Gemeinsam Regeln zu besprechen und festzulegen, wie man die umsetzen kann. Da sind wir auf einem guten Weg. Mittels einer Kindersicherungs-App sind auf dem Handy unserer Tochter Zeitfenster für eine Nutzung nach der Schule und am frühen Abend programmiert. Vom Zubettgehen bis zum Mittag ist das Smartphone nicht in Gebrauch.

Wir Eltern tragen die Verantwortung

Die App legt außerdem fest, auf welche Dienste zugegriffen werden kann. Wir erhalten regelmäßig eine Übersicht darüber, wie lange das Gerät in Gebrauch war, was sie bei Google gesucht, welche Webseiten sie aufgerufen oder wie lange sie welche Spiele genutzt hat. Möchte unsere Tochter eine neue App installieren, bespricht sie das mit uns. Dabei sind wir nicht immer einer Meinung. Aber letztendlich entscheiden wir, denn wir tragen die Verantwortung für sie. Das ist aber auch alles, was wir kontrollieren. Chats oder gespeicherte Fotos sind ihre Privatsphäre und für uns tabu. Auch die Ortungsfunktion haben wir noch nie benutzt.

Lambert Zumbrägel, Medienfachberater des Bezirksjugendrings Unterfranken
Foto: Wibke Lewring | Lambert Zumbrägel, Medienfachberater des Bezirksjugendrings Unterfranken

Eltern, so Experte Zumbrägel, könnten im Internet auch unter www.mediennutzungsvertrag.de mit ihren Kinder einen Vertrag über die Handynutzung abschließen. Das ist etwas Greifbares, eine schriftliche Abmachung darüber etwa, wie lange am Tag gesurft werden darf. Und welche Konsequenzen eine Nichteinhaltung hat. Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wichtig sei aber auch: Zeit ist nicht der entscheidende Faktor. Viel wichtiger sei die Frage: Was nutzt mein Kind?

"Es ist ein Unterschied, ob ich eine Stunde programmiere oder kreativ bin, mit meinen Freunden kommuniziere, oder eine Stunde ein Rennspiel oder Shooter spiele", so Zumbrägel. Allgemeingültige Regeln zur Nutzung gebe es  nicht, das sei von Familie zu Familie unterschiedlich. Diese Erfahrung haben wir auch gemacht.

Die Kinder eines Bekannten haben überhaupt keine Mobilgeräte. "Unser Großer hat meine Nummer im Kopf. Was für ein Notfall könnte eintreten, der es erforderlich macht, dass er – und nur er – uns anruft?" Überall seien Erwachsene mit einem Telefon. Nicht jeder sei böse und nehme seinen Sohn gleich mit. "Vorsicht ja, aber keine Panik." Andere Eltern hörten wir sagen: "Ich finde ein Handy für mein Kind zwar noch nicht sinnvoll, aber es soll nicht das Einzige sein, das keines hat." Für uns ist dieses Argument allerdings nicht nachvollziehbar.

Wo lauern die Gefahren?

Uns ist es wichtig, unsere Tochter Schritt für Schritt an die Digitalisierung der Welt heranzuführen. Dazu gehört es für uns auch, mit ihr immer wieder darüber zu sprechen. Als unsere Tochter aus dem Schullandheim zu Beginn der 5. Klasse zurückkam, berichtete sie begeistert von einer Klassenkameradin, die eine tolle App auf dem Handy habe: Bei "muscal.ly" (heute "TikTok") stellt man Videos ins Netz, in denen man singend und tanzend zu sehen ist. Als ich davon hörte, stellten sich mir die Haare zu Berge. Je weniger Bekleidung und je aufreizender die Bewegungen, desto mehr Klicks. Die Videos können von Dritten verändert und im Netz weiter verbreitet werden.

Mein Mann und ich versuchten zu erklären, welche Gefahren hinter der Nutzung solcher Apps lauern können. Auch Lambert Zumbrägel kennt die App. "'TikTok' hat viele Facetten. Neben der Selbstdarstellung ist es auch eine kreative Video-Kunstform, die Lebenswelten von Jugendlichen vereint: Selbstdarstellung, Musik, Video, Spaß. Neben Urheberrechtsfragen stellen sich aber auch Datenschutzfragen. Können die Videos negative Konsequenzen haben?"

Ein Großteil der Kommunikation via Handy zwischen unserer Tochter und ihren Freunden, aber auch in der weitläufigen Familie findet über WhatsApp statt. Wer die Geschäftsbedingungen kennt, weiß, dass die Nutzung für unter 16-Jährige verboten ist, sofern die Eltern nicht zustimmen. Wir haben versucht, dass sie einen anderen Messanger-Dienst nutzt. Doch wie soll das gehen, wenn dort sonst keiner schreibt? Experte Zumbrägel erlärt dazu: "Soziale Medien und die Kommunikation mit ihnen ist eine hochabstrakte Tätigkeit. Dieses Abstraktionsvermögen entwickeln Kinder erst ab zwölf Jahren. Auf der anderen Seite ist WhatsApp ein 'Must-have' für die Kommunikation." Die Empfehlung eine andere, datenschutzfreundlichere App zu nehmen, mache "nur bedingt Sinn, da dort keine Gesprächspartner sind".

Ein Dilemma der digitalen Welt 

Das, so Zumbrägel, sei ein Dilemma, von denen es in der digitalen Welt viele gebe. "Hier gibt es nicht richtig oder falsch, sondern man muss eine Position dazu finden. Meine Meinung: WhatsApp erlauben mit einer intensiveren Begleitung zu Beginn und Aufklärung und Bildung über Hintergründe und Datenschutz."

Surfen im Internet kann für Kinder gefährlich werden. Eltern können mittels Kindersicherungs-App eingreifen. 
Foto: Tobias Hase, dpa | Surfen im Internet kann für Kinder gefährlich werden. Eltern können mittels Kindersicherungs-App eingreifen. 

"Bei unserem Sohn gab es schon in der Grundschule ein paar unschöne Vorfälle in der Klasse", erinnert sich eine Freundin im Gespräch. "Ein paar Mädchen haben in der WhatsApp-Gruppe der Klasse über andere hergezogen, während der Schulzeit Fotos von anderen gemacht, in die Gruppe gestellt und gelästert. Wie geht man damit um?", fragte sie mich. DerMedienratgeber "Schau hin!" erklärt: "Cybermobbing ist weder räumlich noch zeitlich begrenzt, Inhalte verbreiten sich extrem schnell und sind nicht kontrollierbar, weil sie von Nutzern gespeichert, verändert und an anderer Stelle erneut hochgeladen oder weiterversendet werden können." Eltern müssen an dieser Stelle besonders aufmerksam sein, erste Warnsignale, wie das plötzliche Abgrenzen von Freunden und Weigerung in die Schule zu gehen, sehr ernst nehmen und sich professionelle Hilfe auch über die Schule holen.

Überwiegend die Jungen in der Jahrgangsstufe meiner elfjährigen Tochter spielen "Fortnite: Battle Royale". Bei dem Online-Spiel geht es darum, zu kämpfen, um zu überleben. Der Spielratgeber NRW empfiehlt es für Jugendliche ab 14 Jahren. "Trotz der großen Distanz zur Realität handelt es sich um einen Survival-Shooter, welcher für jüngere Kinder ungeeignete Inhalte beinhaltet und für empfindsame Spieler zu nervenaufreibend sein kann. Ältere Jugendliche können das Geschehen als fiktionales Spiel einordnen", heißt es dort. Die Charaktere sind sehr comichaft gezeichnet. Es spritzt kein Blut. Besiegte Gegner verschwinden vom Bildschirm.

Darauf achten, was das Kind zockt

Medienexperte Zumbrägel kennt das Spiel, rät auch hier zum Selbstausprobieren, bevor man es bewertet. Der Medienfachberater erklärte bei dem von ihm organisierten ersten unterfränkischen Jugend-Medienfestival in Würzburg jüngst: "Ich zocke vieles an. Aktuell habe ich Fortnite, Counterstrike und League of Legends ausprobiert, musste allerdings feststellen, dass ich schlecht bin. Ich lasse mich da lieber von den Jugendlichen belehren, versuche zu verstehen, was sie fasziniert und mache Pädagogik draus."

Eltern sollten darauf achten, was ihr Kind spielt. "Reden sie mit dem Kind, lassen sie sich erklären, was an dem Spiel gut oder schlecht ist. Das Kind muss lernen selber zu reflektieren, aus welcher Motivation heraus es etwas tut."

Am 16. März, ist Fachberater Lambert Zumbrägel beim YouTube Workshop "Der eigene YouTube Kanal" des Bezirksjugendrings Unterfranken dabei. Von 9 Uhr bis 17 Uhr können sich Jugendliche im YouTube Studio im Kilianeum in der Ottostraße 1 in Würzburg ausprobieren. Anmeldeschluss ist am 14. März.

Von Snapchat bis TikTok
Snapchat: Der Instant-Messaging-Dienst ermöglicht es, Bilder zu bearbeiten und mit Freunden zu teilen. Sie sind zwar nur ein paar Sekunden sichtbar und verschwinden dann automatisch. Relativ einfach lassen sich die Dateien jedoch wiederherstellen.
WhatsApp: Der Instant-Messging-Dienst gehört zu Facebook. Benutzer können kostenlos Textnachrichten, Bilder, Videos und Tondateien zwischen zwei Personen oder innerhalb einer Gruppe austauschen und die App zum Telefonieren nutzen. Auch Standortinformationen, Kontaktdaten anderer oder Dokumente können versendet werden. Zum Umgang mit den Nutzerdaten gibt es immer wieder Kritik.
YouTube: Das Videoportal einer Tochtergesellschaft von Google ermöglicht es den Benutzern, kostenlos Videoclips anzusehen, zu bewerten, zu kommentieren und selbst hochzuladen. Finanziert wird dies durch Werbeeinblendungen. Auf YouTube gibt es verschiedenste Arten von Videos – nicht alles ist für junge Zuschauer geeignet. Besser ist es, altersgerechte Angebote zu nutzen oder den eingeschränkten Modus, bei dem anstößige Inhalte gesperrt werden.
Google: Durch die Nutzung bekannter Suchmaschinen wie Google kann der Kinder- und Jugendschutz, aber auch der Datenschutz mangelhaft sein. Grund sind die großen ungefilterten Mengen an Informationen. Für junge Nutzer sind spezielle pädagogisch geprüfte Alternativen wie "FragFinn", "Blinde Kuh" oder "Helles Köpfchen" geeignet.
Fortnite: Battle Royale: In dem kostenlosen Online-Spiel geht es darum, von 100 Mitspielern mit Hilfe von Waffen als letzter am Leben zu bleiben. Das Spiel fesselt deshalb so sehr, weil man gegen reale Mitspieler in Echtzeit kämpft und das Belohnungssystem effektiv ist. Vorsicht ist geboten bei sogenannten In-App-Käufen: Fortnite ist zwar kostenlos, es können aber Ausrüstungsgegenstände hinzugekauft werden. Diese bringen zwar keinen Spielvorteil, sind aber gerade bei jugendlichen Nutzern sehr beliebt.
Instagram: Die Plattform, auf der man Fotos und Videos mit anderen Nutzern und in anderen sozialen Netzwerken teilen kann, gehört zum Facebook-Konzern. Sie finanziert sich aus Werbung.
TikTok: Die Nutzer filmen sich mit der eigenen Handykamera während sie playback zu einem Lied singen und tanzen. Die entstandenen Videos werden mit anderen Nutzern oder sogar auf Plattformen andere sozialer Medien geteilt. Problematisch ist, dass die Nutzer keine Nutzungsrechte haben, um Original-Lieder in ihren Videos verwenden zu dürfen. Eine Veröffentlichung verstößt gegen das Urheberrecht.
Hier surfen Kinder sicher – eine Auswahl spezieller, kindgerechter Seiten:
 
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