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Würzburg
Ein rücksichtsloses Genie wird wiederentdeckt
Olga Moisenienko steht im Stück 'Schwarzer Mann' auf der Bühne.
Foto: Andreas Büttner | Olga Moisenienko steht im Stück "Schwarzer Mann" auf der Bühne.
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 01.02.2024 02:51 Uhr

Der russische Autor Sergej Jessenin (1895-1925) zählt zu den besten und zugleich volkstümlichsten Lyrikern seines Landes. Seine Lesungen und Auftritte im Moskau der frühen 1920er Jahre waren gefeierte Ereignisse, insbesondere die Frauen umschwämten ihn. Zahlreiche Liebschaften und vier (gescheiterte) Ehen sind belegt; am bekanntesten wurde die Ehe mit der amerikanischen Tänzerin Isadora Duncan, die von Mai 1922 bis August 1923 dauerte.

Diese exzentrische Beziehung ist der Einstieg in das Bühnenprogramm "Schwarzer Mann", mit dem das Würzburger Theater Ensemble an den vergessenen Dichter, Dandy und Trinker erinnert. Nach einer Idee von Olga Moiseienko hat Yuliana Anichnikova den Abend, der mehr szenische Installation denn Theater ist, behutsam und würdevoll inszeniert. Gemeinsam mit dem Gitarristen und Sänger Alexander Krieger stehen die beiden aus der Ukraine stammenden Frauen auch auf der Bühne, im steten Wechsel von Solo, Duo und Trio. Im Mittelpunkt stehen die Gedichte Jessenins, das titelgebende "Schwarzer Mann" ebenso wie das legendäre letzte, mit dem eigenen Blut geschriebene "Nun leb wohl, mein Freund, auf Wiedersehen", sowie etliche weitere. Sie offenbaren seine poetische Kraft, die volksnahe Zugänglichkeit mit starker, emotional aufgeladener Bildhaftigkeit verbindet.

Bis heute andauernde Zuneigung

Erweitert werden die poetischen Passagen um zentrale biographische Momente aus Jessenins kurzem Leben. Den breitesten Raum nimmt natürlich die legendäre, von den Medien der damaligen Zeit breit ausgeschlachtete Ehe mit der 18 Jahre älteren Star-Tänzerin Isadora Duncan ein, die den Dichter im Oktober 1921 am Rande eines Gastspiels in Moskau kennenlernt und der sofort "Teil ihrer Seele" wird. Szenisch erzählt wird auch von den beiden Ehefrauen Zinaida Reich (Ehe von 1917-1921) und der Tolstoi-Enkelin Sofia (Ehe ab Oktober 1925), aber in Gestalt von Olga, einer fiktiven Studentin der Theaterwissenschaft auch von seinen außerehelichen Affären.

Drei Mal, im Alter von 17, 20 und 22 Jahren, schwärmt eine "Olga" von diesem Dichter, verfällt ihm mit Haut und Haaren und wird verlassen, und verliebt sich erneut. Ein starkes Symbol für die erotische Ausstrahlung des jungen Mannes mit den großen blauen Augen und dem auffallend schönen blonden Haar, aber zugleich Ausdruck für die bis heute andauernde Zuneigung, die dem Dichter auch fast 100 Jahre nach seinem Tod immer noch entgegengebracht wird. Ein besonderer Bühnenabend, den man keinesfalls versäumen sollte.

Die nächsten Vorstellungen sind am 10. und 17. März. Karten-Tel.: (0931) 44545.

 
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