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OCHSENFURT
Ein Rentner schämt sich für die AfD-Wähler in seiner Stadt
Mit seinem Pappschild steht Jürgen Schuhmann jeden Montag vor dem Ochsenfurter Rathaus. Er will mahnen, denn in der AfD sieht er eine ernsthafte Gefahr.
Ein Rentner schämt sich für die AfD-Wähler in seiner Stadt       -  Seit dem Montag nach der Bundestagswahl 2017 kommt Jürgen Schuhmann (Mitte) jeden Montag um 17 Uhr zum Rathausplatz und protestiert mit einem Schild gegen die AfD-Wähler aus Ochsenfurt. Links Unterstützer Leander Sukov mit Hund Fiete, rechts Peter Honecker.
Foto: Claudia Schuhmann | Seit dem Montag nach der Bundestagswahl 2017 kommt Jürgen Schuhmann (Mitte) jeden Montag um 17 Uhr zum Rathausplatz und protestiert mit einem Schild gegen die AfD-Wähler aus Ochsenfurt.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:40 Uhr

Am Montagnachmittag um 17 Uhr herrscht nicht viel Betrieb vor dem Ochsenfurter Rathaus. Da nähert sich strammen Schrittes ein älterer Herr mit einem großen Pappdeckel. Auf den Stufen vor dem Rathaus befestigt er den Karton an einem Stecken, und jetzt ist auch zu lesen, was dort geschrieben steht: „Wehret den Anfängen! Ich stehe hier und schäme mich für 694 AfD-Wähler in Ochsenfurt.“

Der Mann mit dem Schild heißt Jürgen Schuhmann, ist 71 Jahre alt und will bis Weihnachten jeden Montag zur selben Zeit eine Stunde lang vor dem Rathaus ausharren. Warum? „Weil ich mich sehr intensiv mit den Ursachen des Dritten Reichs befasst habe, und damals hat es genauso angefangen“, sagt Schuhmann. Am Wahlsonntag hatte der Ochsenfurter festgestellt, dass 694 Mitbürger der AfD ihre Stimme gegeben hatten.

Die AfD-Wähler kommen nicht aus der Deckung

„Diese Zahl sprang mich an“, erklärt er. Schuhmann kann nicht verstehen, dass so viele Ochsenfurter diese Wahlentscheidung getroffen haben. Klar – das seien nicht alles Nazis, sagt er. Vermutlich aber Leute, denen nicht bewusst sei, was für einer Partei sie da ihre Stimme gegeben hätten und welche Verantwortung sie damit trügen. Wer die AfD-Wähler sind, weiß Schuhmann nicht. „Sie kommen nicht aus der Deckung.“ Dabei hätte er gerne mit ihnen diskutiert – auch deshalb steht er vor dem Rathaus.

Aber die, die bisher zu ihm kamen, bekundeten ihre Sympathie für seine spontan entstandene Aktion. Daher kennt Jürgen Schuhmann nur allgemeine Aussagen von AfD-Wählern. Und die leuchten ihm nicht ein. „Das sind Wähler, die mit Gott und der Welt unzufrieden sind“, meint er. „Sie sind überfordert mit einer immer schnelllebigeren Zeit und wollen zurück in die Vergangenheit.“ Geschrei und Gepöbel und eine blubbernde Unzufriedenheit seien alles, was er an Begründungen bisher gehört habe.

Statt Lösungen werden Schuldige präsentiert

Unzufriedenheit mit was eigentlich? Das weiß Jürgen Schuhmann nicht. „Wir sind doch die Gewinner“, sagt er. „Und jetzt wundern wir uns, dass die Verlierer vor unserer Tür stehen.“ Den Wohlstand allein für das eigene Volk zu beanspruchen, werde auf Dauer unmöglich sein, findet Schuhmann. Dennoch sei es wohl die Furcht, von diesem Wohlstand etwas abgeben zu müssen, die die AfD-Wähler umtreibe.

„Dabei bietet diese Partei doch gar keine Lösungen an“, empört sich Schuhmann. Sie spiele geschickt mit Ängsten und Sorgen der Menschen und präsentiere außenstehende Schuldige als Urheber diffuser Gefahren. Ein Vorgehen, das Schuhmann aus der Zeit des Nazi-Regimes unangenehm bekannt vorkommt. „Damals waren es die Juden, jetzt sind es Flüchtlinge und Migranten.“ Jürgen Schuhmann sagt, er habe auch schon schwere Zeiten erlebt. Aber den Reflex, dafür stets einen Schuldigen zu suchen, kann er nicht nachvollziehen: „Ich kann es nicht mehr hören.“

Katharsis in Auschwitz

Schuhmann ist gebürtiger Ochsenfurter, hatte lange Zeit einen Betrieb für Heizungs- und Installationstechnik und später ein Ingenieurbüro. Schwerpunktmäßig befasste er sich mit regenerativen Energien. Seit er im Ruhestand ist, widmet er viel Zeit der Kunst und dem Radfahren. Manchmal verbindet er auch beides. So schrieb er ein Gedicht über seine Fahrradtour nach Auschwitz, zu der ihn einer der in Würzburg verlegten Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des Nazi-Regimes angeregt hatte.

Diese Reise empfand Jürgen Schuhmann als Katharsis. Der Besuch dieses Mahnmals des Grauens hat in ihm den festen Entschluss verankert, sich mit aller Kraft gegen eine mögliche Wiederholung solcher Verbrechen zu stemmen. Und eine Wiederholung hält er angesichts von aus seiner Sicht rassistischen Standpunkten in der AfD für nicht ausgeschlossen.

An diesem Montag hat Schuhmann Gesellschaft bekommen: Mit ihm demonstrieren der Schriftsteller Leander Sukov und der Ochsenfurter AWO-Vorsitzende Peter Honecker, der selbstbewusst sagt: „Ich stehe hier, weil ich zeigen will: Wir sind das Volk!“ Er meint die mehr als 85 Prozent, die nicht die AfD gewählt haben.

 
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Kommentare
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  • Helmut_Faul_HF2017
    Von Politik versteht er nicht so viel, der gute Mann. Dafür von Marketing umso mehr.

    Erst macht er sich mit seiner Anti-AFD-Aktion wichtig und jetzt stellt er "zufällig" sein neues Buch vor.

    Fast so wie bei Wahrheitsminister Maas, da gingen sein Zensurgesetz und seine Buchvorstellung auch fast im Gleichschritt.
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  • mausschanze
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  • daylight0815
    Ist in China wieder eine Vase umgefallen......liebe Mainpost, ich schäme mich über manche Berichterstattung, bekomme ich jetzt auch meinen eigenen Artikel geschrieben?
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  • Erding
    Vielleicht? Wenn Sie auch Schuhmann heißen?
    Der gemeinsame Familienname von Reporterin und Pappdeckelträger ist das reiner Zufall? Das ist eigentlich nur eine rhetorische Frage, die sich aus diesem "Kommentar" heraus stellt.
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  • wwl43
    Herr Schumann hat vermutlich nicht verstanden: man kann aus strategischen Gründen AfD wählen, ohne sich mit deren Inhalten zu identifizieren!
    Selbst Politiker „instrumentalisieren“ gern die AfD: mit deren Einzug in den Bundestag hat Rot-Rot-Grün keine Mehrheit; Jamaika ist vorprogrammiert! Cui bono?
    Wer Opposition stärken will, muss sich auf der Meta-Ebene gegen die medial verbreitete „Gesinnungs-Ethik“ informieren.
    Prof. Rolf Peter Sieferle – Historiker in Heidelberg - hat 1994(!) mit dem Buch „Epochenwechsel. Die Deutschen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“ eine Zukunftsprognose der Situation abgegeben, die wir heute erleben.
    Das Buch gibt es leider nicht mehr.
    Aber in einem Abschiedsbrief vor seinem Freitod hat er die aktuelle Situation noch einmal analysiert; man google unter „Sieferle“ und „Abschiedsbrief“ und findet bei Michael Klonovsky in diesem Brief eine Perspektive, die weit über die mediale Berichterstattung hinaus reicht.
    Ich denke, Herr Schumann ändert das Schild!
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  • Peter61
    Ich glaube jeder hat sich bei der Wahl seine Gedanken gemacht. Auch die AFD Wähler. Wenn die aktuelle Vertretungd er Bevölkerung nicht für seine Bürger da ist, sieht man was dabei raus kommt. Ich denke dass bei den Nochwählern der alten und noch neuen Regierung sicher ein hoher Anteil an Migrationshintergrund dabei ist.
    Was mich bei dem älteren Hern auf dem Bild stört ist, auf dem Foto mit Hand in der Hosentasche. Hier fehlt Anstand. So etwas geht nicht, aber über AFD Wähler in einer "freien" Demokratie her ziehen.
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  • Lebenhan1965
    @ Peter61

    Lieber die Hand in der Hosentasche als zum "Deutschen Gruß" erhoben , wie auf manchen AfD - Veranstaltungen zu sehen.
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  • flyarcus@gmx.de
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • hanft1@web.de
    Die AfD ist eine Schande. Punktum!!!
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  • droeb
    3 selbsternannte Anständige mit postnazistischer Mitläufermentalität disqualifizieren die Meinung Andersdenkender. Die größten Toleranzprediger waren schon immer die intolerantesten Menschen. Was für ein lächerlicher Auftritt.
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  • Franken48
    Ich schäme mich für alle Ochsenfurter Wähler, die nicht die A f D gewählt haben.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Sie hätten wohl lieber. dass die gleich NPD wählen ...
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Man kann Ihren Kommentar aber auch ganz anders betrachten:

    Zum einen zeigt er nämlich, wessen Geistes Kind Sie wirklich sind und zum anderen zeigt er, dass Sie sich Ihre arisch-bürgerliche Maske selbst herunter gezogen haben und eher einen autoritären bzw. ditatorischen Staat vorziehen.

    Wenn sie schreiben, dass Sie sich für die schämen, die nicht die "Arischen Fanatiker Deutschlands" gewählt haben, schreiben sie auch, wenn indirekt, dass sie es am liebsten hätten, dass alle diese "erdfarbene Organisation" wählen sollten, was nichts anderes heißt, als dass Sie einen 1-Parteien Staat vorziehen würden.

    Und mit einer Organisation wie der AfD wären wir ganz schnell dort, wo wir vor 84 Jahren schon einmal waren ...
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  • adon52
    Da sind Sie wirklich gut beschäftigt.
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  • Franken48
    Oh Herr verzeih ihm, denn er weiß nicht was er tut.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Ob der Herr ihm verzeiht oder auch nicht, darüber kann man spekulieren.

    Genauso kann man nämlich auch spekulieren, ob der Herr ein Deutscher ist oder auch nicht ...

    Ist der Herr allerdings in der Tat kein Deutscher, ist es allerdings sehr fraglich, ob er Ihnen verzeiht, denn Toleranz (gegenüber Extremisten) hat auch seine Grenzen ...
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  • jebusara@web.de
    Genau @Catweazle, Toleranz hat Grenzen. Und die sind lange überschritten!
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Wenn ich Ihre Kommentare lese, muss ich Ihnen sogar Recht geben.

    Da ist wirklich eine Toleranzgrenze überschritten worden ...
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  • schlassenracht
    Das Posting verstößt gegen unsere AGB und wurde daher gesperrt.
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  • Lebenhan1965
    @ Franken48

    Dieses Zitat ausgerechnet von Ihnen, dem Unterstützer einer Partei mit unchristlichen Weltbild?
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