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REGION WÜRZBURG
Ein Planet trägt den Namen Maidbronn
Drei Franken im Weltall: Physiker beobachten den Sternen-Himmel. Im Jahr 2009 entdeckte Kleinplaneten tragen die Namen Maidbronn, Birnfeld und Hassberge
Ein Stern, der deinen Namen trägt: Sie feierten die nunmehr fränkischen Kleinplaneten „Maidbronn“, „Birnfeld“ und „Hassberge“, (von links) Rimpars Bürgermeister Burkard Losert, Asteroidenentdecker Bernhard Häusler, Friedel Heckenlauer, Bürgermeister der Marktgemeinde Stadtlauringen, die Astronomen Dr. Thomas Müller (Garching) und Felix Hormuth (Heidelberg).
Foto: Uwe Eichler, dpa | Ein Stern, der deinen Namen trägt: Sie feierten die nunmehr fränkischen Kleinplaneten „Maidbronn“, „Birnfeld“ und „Hassberge“, (von links) Rimpars Bürgermeister Burkard Losert, ...
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 12.05.2015 11:27 Uhr

Der Ort passt, für einen Vortragsabend über Himmelskörper: Auf dem Rasen des HSV Birnfeld werden regelmäßig Flugbahnen beobachtet. Manche Physiker behaupten sogar, das Universum, das da in sternklarer Nacht herableuchtet, habe selbst die Form eines Fußballs. Im Sportheim stiegen Dr. Thomas Müller, vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik Garching, Asteroidenjäger Felix Hormuth vom Max Planck-Institut für Astronomie Heidelberg sowie Hobby-Astronom Bernhard Häusler aus Maidbronn (Gemeinde Rimpar) ein paar Nummern kleiner ein. Ihre Vorträge drehen sich um drei Franken im Weltall. „Maidbronn“, „Birnfeld“ und „Hassberge“ (Internationale Schreibweise) heißen die drei Sternli, pardon, Kleinplaneten, die 2009 erspäht und vor einigen Monaten durch die Benennungskommission der „Internationalen Astronomischen Union“ (IAU) getauft wurden.

Die Halle ist voll, beim HSV, es weht fast ein Hauch von Raumfahrtzentrum: Schautafeln erläutern die kosmische Materie, aus den Boxen klingt überirdische Musik, Fachzeitschriften liegen aus, Mini-Meteore laden zum Anfassen ein, Eisenkeile ebenso wie schnöde Stein- oder Kohleklumpen. Im Nebenzimmer sind Teleskope aufgestellt, Cartoons an der Wand demonstrieren die Selbstironie der Sternenkundler, auf einem Projektorbild wurde gar ein Himmelsgeschoss im fränkischen Rot-Weiß angemalt. Auch Astrophysiker Thomas Müller ist bodenständig geblieben, selbst wenn er beruflich in anderen Sphären weilt. Was Wunder, stammt der 48-Jährige doch aus dem 400 Seelen-Ort Birnfeld. Die stolze Familie ist ebenfalls unter den Ehrengästen anwesend.

Mit dem Sputnik fing es an

Am sensationellsten war, vor fünf Jahren, sicher die Entdeckung von 410928 Maidbronn, vom Balkon des IT-Spezialisten Häusler aus, mit einem scheinwerfergroßen Amateur-Teleskop: „Der fünfte Kleinplanet, der von Bayern aus entdeckt wurde“, sagt der Sterngucker stolz: „Und der erste, der in Franken entdeckt wurde.“ Der Endfünfziger hat als Kind, 1961, einen russischen Sputnik am Himmel über Gemünden leuchten sehen. Seitdem hat ihn die Magie der Sterne nicht mehr losgelassen. Sein Hobby: „Eine Reise durch Raum und Zeit“. Das Licht der Kometenschweife und Asteroiden ist schon ein paar Minuten alt, wenn es aus Millionen Kilometer Entfernung zur Erde dringt. Am 28. September 2009 hat er dann per Spezialkamera ein markantes Pünktchen erwischt: „Blinken“ nennt sich das Verfahren – wenn auf dem Zeitraffer-Film etwas Winziges ruckelt, könnte es ein Asteroid sein. Wie Maidbronn, vermutlich ein zwei bis drei Kilometer durchmessender Kohleklumpen im All, zwischen Mars und Jupiter, der nach Häuslers Heimatort benannt wurde: „Ein Name für die Ewigkeit, der uns weit überdauert“.

365130 Birnfeld und 365131 Hassberge wurden bereits am 23. Februar 2009 eingefangen, im Kontrollraum von Felix Hormuth. Der technische Astronom („eine Art Lokomotivführer für Großteleskope“) nutzte einen Aufenthalt in der Sternwarte auf dem Calar Alto, Südspanien, für Testsuchläufe. In über 2000 Meter Höhe wurden dabei auch die beiden Nachtschwärmer entdeckt, auf ihrer mehr als 150 Millionen Kilometer entfernten Umlaufbahn: „Thomas war es, der mich zur Astronomie gebracht hat“, sagt der gelernte Computerfachmann, daher die Widmung. Diese Franken-Asteroiden bestehen womöglich aus Silikaten oder Metallen und haben einen Durchmesser von etwa einem bis zwei Kilometer (oder etwas mehr). Im Inneren Asteroidengürtel brauchen sie etwa 3,7 Jahre für eine Sonnenumkreisung (bei Maidbronn weiter draußen dauert eine Runde fünf Jahre).

Asteroiden, sie sind eine Art Bauschutt aus der Entstehungszeit des Sonnensystems, 4,5 Milliarden Jahre alt, die „Hauptdeponie“ aus den Resten einer Gas- und Staubwolke liegt zwischen Mars und Jupiter. Wie ein Donut umlagern ihre Schwärme die Sonne. Mehr als 680 000 Objekte sind bekannt, der größte der Kleinen ist der 1000 Kilometer durchmessende Ceres. Über 19 000 haben seit 1801 einen Namen erhalten, davon immerhin 50 mit Bezug zu Franken (wie „Bamberga“ oder „Riemenschneider“).

Die Erforschung der kleinen Außenwelten boomt: Raumsonde Rosetta ist auf Komet Tschuri gelandet, Weltraumteleskope spähen weit hinaus ins All. Asteroiden lassen sich per Radarecho und Infrarot genauer unter die Lupe nehmen, oder, durch den Schattenwurf, beim Vorüberziehen vor Sternen. Manche sehen aus wie eine Kartoffel („Eros“), andere wie ein riesiger Hundeknochen („Kleopatra“). Es gibt lose aneinanderhängende Körper, oder eine fliegende Geröllhalde namens „Itokawa“, mit der Dichte von Sand. Viele haben große Krater oder ganze Kraterketten, bei manchen sind durch Einschläge Wellenmuster entstanden. Manche weisen sogar ein Ringsystem auf, a la Saturn, oder haben Mini-Möndchen, wie „Ida“ ihren „Dactyl“. Sämtliches Wasser der Ozeane (im Vergleich zur Erdkugel nur ein großer Tropfen) kam ursprünglich wohl aus dem Weltall, berichtet Spezialist Müller: Asteroiden gelten heute als „die“ kosmischen Wasserbomben - und als wertvolle Rohstofflieferanten der Zukunft.

Gefahr aus dem Weltall?

Die spannendste Frage, die sich der gebürtige Birnfelder stellt: „Sind Kleinplaneten eine Gefahr aus dem All?“ Immerhin soll ein Mega-Einschlag mal die Dinosaurier ausradiert haben, vor 65 Millionen Jahren. Erst 2013 hat der Blitzstrahl von Tscheljabinsk gezeigt, wie schnell es auch über Großstädten rumsen kann. Ein 1,2 Kilometer durchmessender Krater in der Wüste von Arizona ist gerade mal 50 000 Jahre alt: Der 50 Meter-Meteor dürfte einige Riesenfaultiere und Mammuts verdampft haben. Das US-Militär, das den Erschütterungen durch Atombombentests nachspürt, verzeichnet weltweite Treffer von Brocken, die der Reibungshitze der Atmosphäre widerstehen. 1500 potenziell Verdächtige tummeln sich in Erdnähe. Das brisanteste Trumm, „Apophis“, wird am Freitag, 13. April 2029, in gerade mal 30 000 Kilometer Entfernung, mit Ferngläsern sichtbar, über die Erde hinwegziehen. „Ich kann ihnen versichern, bis 2060 wird er nicht einschlagen“, beschwichtigt Müller.

„Danach? Wissen wir nicht.“ Die Forscher wollen keine „Kometenangst“ schüren, wie im Mittelalter. Sondern das Gespür dafür wecken, dass unsere zerbrechliche Erde nicht losgelöst ist von vielen größeren und kleineren Nachbarn da draußen.

Bürgermeister im himmlischen Birnfeld

Vom fernen 365130 Birnfeld ist kein Weltuntergang zu erwarten, mag auch die winzige Jarkowski-Kraft, in Form von Temperaturschwankungen, an seinem Bahnverlauf zerren. Stattdessen greift jetzt Stadtlauringen nach den Sternen: „Mit dem Kleinplaneten Birnfeld erweitert sich das Gebiet der Marktgemeinde beträchtlich, bis hinaus ins Universum“, stellt ein gut gelaunter Bürgermeister Friedel Heckenlauer fest - und ernennt per Urkunde Thomas Müller zum Ersten Bürgermeister des himmlischen Birnfeld.

Der Geehrte nimmt es gelassen, Einkünfte hätte er von seinem Außenposten im All nicht zu erwarten: „Das Bürgermeistergehalt richtet sich nach der Einwohnerzahl“, stellt Müller fest. Und bis zum Bergbau auf Birnfeld II dürfte es noch sehr lange dauern, nach irdischen Maßstäben.

 
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