Brücken. Dr. Anil Anwikar hat überall Bilder von ihnen: im Treppenaufgang zu seinem Büro, im Büro selbst, auf seinem Kalender, seiner Homepage. Die schön geschwungene Maqta-Brücke in Abu Dhabi ist Teil seines Firmenlogos geworden. Denn: Mit Brücken und Stahlwasserbau verdient der Würzburger Stahlbauingenieur seine Brötchen. Wer sich mit ihm unterhält, gewinnt einen ganz neuen Blick auf Brücken. Anwikar kann unendlich viele Geschichten über sie erzählen. Und die sind auch noch spannend.
69 Jahre alt ist der selbstständige Ingenieur, und offensichtlich macht ihm seine Arbeit auch nach all den Jahren noch Spaß. Bei ihm kann es vorkommen, dass er sich vor einer alten Brücke auf einen Stein setzt und das Bauwerk erst einmal eine Weile bewundert. Wie eine umgedrehte Halskette spanne sie sich über den Fluss, schwärmt er. Wenn er fertig ist mit Gucken, dann wird gearbeitet.
Anil Anwikar stammt aus Indien und kam 1973 nach Deutschland, um für die Würzburger Stahlbaufirma Noell zu arbeiten. Schon damals waren die Aufträge international. Als der Ingenieur sich 1992 selbstständig machte, blieb er seinem Aufgabengebiet treu. Brücken, Fähranleger, Schleusentore, Kräne, Wehre und Staudammausrüstungen plant und berechnet sein Büro Anwikar Consultants GmbH überall auf der Welt.
Büro mit 13 Mitarbeitern
Die Aufträge reichen von der Tragwerksplanung für Mainschleusen – wie gerade im Ochsenfurter Stadtteil Gossmannsdorf – bis hin zum mehrspurigen Fähranleger für Eisenbahnwaggons in China. In einem zartgelb gestrichenen Haus in der Dürrbachau befindet sich das Büro, in dem außer dem Chef 13 Mitarbeiter tätig sind. Einer von ihnen, André Zühlke, wird das Büro in einigen Jahren übernehmen. Bis dahin will sein Chef noch weitermachen und Firmen und Ämter wie bisher durch seine Arbeit überzeugen. Auslandsreisen gehören in Anwikars Metier dazu. In Nepal hat er den 1000 Meter über dem Meeresspiegel errichteten Staudamm Kali Gandaki bei einer Trekkingreise besucht, im neuen Hafen von Los Angeles die riesigen Kräne fotografiert, für die sein Büro die Tragwerksplanung gemacht hat.
Bei diesen Kränen ist die Statik besonders kompliziert. 100 Meter hoch, mit einem Ausleger von 60 Metern und einer Tragkraft von 72 Tonnen, können sie die größten Schiffe der Welt be- und entladen. Noch komplizierter wird es, wenn solche großen Kräne per Schiff transportiert werden sollen. Dann werden sie mit ihrem Transportmittel verschweißt. Die Berechnungen dazu müssen Seegang und Sturm berücksichtigen. Und der Anblick der fertigen Bauwerke gibt Anil Anwikar Ansporn.
Außerdem kommt er durch sie immer wieder zu neuen Aufträgen. Litauische Interessenten etwa fanden Gefallen an einem Fähranleger in Kiel und wollten wissen, wer ihn berechnet hatte. „So einen wollen wir auch“, beschlossen die Litauer und beauftragten das Würzburger Büro mit der Statik. „Auf diese Weise spricht sich das rum“, sagt Anwikar.
Ideen für Mumbai
Gerne hätte er auch ein Projekt in Mumbai verwirklicht, wo eine 16 Kilometer lange Brückenautobahn über dem Meer um die Stadt herum gebaut werden soll. Anwikar entwarf zwei Brücken, die indische Symbole widerspiegeln: Lotusblüte und Flamme. Die Eisenbahnverwaltung in Delhi fand die Gestaltung so gelungen, dass sie den Ingenieur aus Deutschland einlud, seine Ideen vorzustellen. Die Verwirklichung scheiterte nur am indischen Beamtensystem, das die zuständigen Mitarbeiter alle drei Jahre austauscht.
Aber Anwikar hat noch nicht aufgegeben. Nur ein kleines Stück der Brückenautobahn ist bereits verwirklicht. Vielleicht wird seine Idee anderswo noch Verwendung finden. Über einen Mangel an interessanten Projekten kann er sich nicht beklagen: Da wäre die Bogibilbrücke in Indien, die den gewaltigen Brahmaputra überspannt, einen der größten Flüsse in Südasien. Und auch die Hamburger Baakenhafenbrücke mit ihrer eigenwillig geschwungenen Form fasziniert den Ingenieur. Dann sind da ja auch noch die Schleusentore von Gossmannsdorf – wieder mal ein Projekt in der Heimat ausführen zu dürfen, dass freut den Würzburger.
Interessant fände Anil Anwikar Wasserbauprojekte in Chile. Die besondere Herausforderung liegt in der Gefahr von Erdbeben. Da muss man rechnen, was das Zeug hält.