„Kuddel“ nimmt entspannt Stufe für Stufe auf dem Weg ins Tonstudio. Unter diesem Spitznamen kennen viele in Würzburg Michael Betz. Hier ein kleines Pläuschchen mit dem Kollegen, da ein flotter Witz mit dem Praktikanten. Nach 30 Jahren in der Branche ist man ein alter Hase im Geschäft. Und seine Stimme ist sowieso fast jedem bekannt. Sie begleitet Radiohörer während Autofahrten bei „Antenne Bayern“, der wissbegierige Fernsehzuschauer hört sie bei der ProSieben-Sendung „Galileo“.
Auf die Frage, wie seine Berufsbezeichnung denn eigentlich genau lautet, antwortet Betz scherzend: „Ich bin Kraftfahrer mit Sprechpausen.“ Er ist viel unterwegs, pendelt an einem Tag nicht selten zwischen drei Städten hin und her – da sind 17- bis 20-Stunden Schichten keine Seltenheit. „Ja, es ist anstrengend, man selbst und sein Umfeld müssen es mögen, aber das ist der Fall“, sagt er. Wenn Betz über sich und seine Arbeit erzählt, vergeht keine Minute ohne Witze und Scherze. Schon in der Schule war er der Klassenkasper, also das, was laut Betz heute Entertainer genannt wird. „Mit Dialekten habe ich dann meine Schulkollegen und Freunde bespaßt“, erzählt er.
Er beherrscht laut eigener Aussage alle, ganz sicher aber 15 Stück. So ist auch sein Spitzname entstanden, denn Norddeutsch konnte er als ersten Dialekt flüssig sprechen – schon als Kind. „Und was der Seppl eben für die Bayern ist, ist Kuddel für die Hamburger“, erklärt er.
Gute Stimmen haben viele
Seine Stimme ist faszinierend. Tief, markant, rauchig und voller Bass. Für eine Süßigkeiten-Werbung vielleicht nicht bestens geeignet, aber das würde auch nicht zu Betz passen. „Die Stimme eignet sich zum Beispiel perfekt für Zuhälter oder dicke Farbige“, scherzt er. Eine schöne Stimmfarbe sei dabei nur ein Aspekt, es gehe beim Sprechen um viel mehr. „Man braucht ein Grundtalent für so etwas, denn gute Stimmen haben viele“, sagt er. Erfahrung sei in der Branche extrem wichtig. Denn wie so oft: Zeit ist Geld. Ein guter Sprecher, der schnell arbeitet, werde eben eher gebucht als ein guter Sprecher, der länger braucht, um einen Text fehlerfrei zu sprechen.
Michael Betz hat diese Erfahrung jedenfalls. Schließlich arbeitet er schon seit den späten Achtzigern mit seiner Stimme. Studiert hat der gebürtige Augsburger Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Medien in Würzburg. Zu dieser Zeit fingen auch Radiostationen an, ihren Betrieb in Würzburg zu starten. Freunde haben Betz dann dazu gebracht, es im Radio zu versuchen. „Dann ging alles relativ schnell“, erinnert er sich. Programmchef bei „charivari“, dann klopfte der Bayerische Rundfunk (BR) an, später wurde auch das Fernsehen in München auf ihn aufmerksam. „Dadurch, dass damals so viele Neue Medien entstanden sind, gab es einfach Bedarf an Personal“, erklärt Betz. Trotzdem sieht er es auch als Glücksfall an, er sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.
In ganz seltenen Fällen arbeitet er auch als Synchronsprecher für Filme. „Doch das ist echt eine Kunst und brutal schwer, weitaus schwieriger als für Werbung und Rundfunk zu sprechen“, findet er. Die meisten Synchronsprecher kämen deswegen aus dem Schauspiel, zudem sei es auch schlechter bezahlt, sofern man nicht gerade die Stimme von Bruce Willis sei. Deswegen besinnt sich der 56-Jährige auf das, was er eben am besten kann. Und ist damit zu einem VIP in der Branche geworden.
Digitalisierung: Fluch und Segen
Doch der Job habe sich über die Jahre stark verändert – als schnelllebig und unpersönlicher beschreibt Betz die Entwicklungen. „Heute muss ich mindestens 20-mal meine Mails überprüfen, kaum einer ruft noch an“, sagt er. Hinzu komme, dass Auftraggeber alles am besten gestern schon hätten erledigt haben wollen. „Kannst du hier, kannst du da, am besten heute noch. Das ist nicht jedermanns Sache“, beschreibt der 56-Jährige in einem hastigen Ton.
Doch die Digitalisierung habe nicht nur Nachteile gebracht. Heute muss Betz nicht mehr unbedingt im Studio des Auftraggebers stehen um aufzunehmen. Er erinnert sich beispielsweise, dass er mit Freunden und einem VW-Bus auf dem Weg zum Relegationsspiel der Würzburger Kickers nach Saarbrücken war, als ein Auftraggeber anrief und schnell eine Aufnahme von ihm brauchte. Ein Kumpel zückte sein Smartphone, „Kuddel“ sprach den Text ein und die Aufnahme wurde übers Internet abgesendet. „Früher war so etwas ja absolut undenkbar“, sagt der Sprecher.
Trotz der Bekanntheit genießt Betz es im privaten Leben, dass ihn kaum einer wiedererkennt. Zwischen normalem und werblichem Sprechen kann er problemlos umschalten. Seine Stimme müssten die Arbeitgeber erkennen, nicht die anderen auf der Straße. „Ich gehe ja auch nicht in eine Bar und bestelle ein Bier in der ProSieben-Sprechlage“, witzelt er. Die Stimme ist sein Kapital, sein Markenzeichen – schon seit 1987. Und nach 30 Jahren ist er keineswegs heiser, vom Job gelangweilt oder Ähnliches. Das Mikrofon wird ihn auch mit 56 Jahren noch lange begleiten. „Solange man mich hört, gibt es mich noch“, sagt Betz lachend und verschwindet in die Sprecherkabine.