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WÜRZBURG/DALLAS
Ein Mainschiff als Kennedy-Denkmal
Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 16.12.2015 11:02 Uhr

Würzburg und Dallas im US-Bundesstaat Texas – das gehört seit Dirk Nowitzkis Triumphzug bei den Dallas Mavericks irgendwie zusammen. Würzburg und Dallas haben aber auch noch eine andere Verbindung, die allerdings weit weniger plakativ und nahezu unbekannt ist. Sie befindet sich im „Sixth Floor Museum“, das an den am 22. November 1963 in Dallas ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy erinnert. Das Museum am Rande von Downtown Dallas befindet sich im sechsten Stock („sixth floor“) des Gebäudes, von dem aus der Präsident vor genau 50 Jahren erschossen wurde.

Das Sixth Floor Museum wurde 1989 eröffnet und zieht seither jedes Jahr über 300 000 Besucher an. Sie können sich dort anhand von Filmen, Fotografien, Texttafeln und zahlreichen Ausstellungsstücken, wie beispielsweise den Original-Film- und Fotokameras, mit denen die Bilder von Kennedys Ermordung aufgenommen wurden, ein Bild vom Leben von JFK und den tragischen Ereignissen des 22. November 1963 machen.

Dramatischer Höhepunkt ist dabei jene heute aus Schutzgründen verglaste Ecke am südwestlichen Fenster, von dem aus Lee Harvey Oswald die drei verhängnisvollen Schüsse auf Kennedys Fahrzeug-Eskorte abgegeben haben soll. Auch die Kartons sind hier wieder genauso aufgeschichtet wie sie sie es damals waren. Denn zum Zeitpunkt der Ermordung Kennedys befand sich hier ein Schulbuch-Lager, zwischen dessen Karton-Stapeln sich der Präsidentenmörder verstecken konnte.

Geschichtsträchtiger Ort

Neben diesem geschichtsträchtigen Ort, an dem kein Besucher vorbeiläuft, ohne stehen zu bleiben, bietet das Museum auch Unscheinbares: so eine Wand mit Fotos, die mit „Nation and World Response“ betitelt ist. Dort zeigen Fotografien, wie Menschen und Institutionen in aller Welt nach Kennedys Tod an den Präsidenten erinnert haben. Das ist nicht sehr spektakulär, und liefe man an dieser Wand vorbei, man hätte wohl nicht viel versäumt.

Es sei denn man schaut als Besucher aus Würzburg genauer hin. Auf einer der Abbildungen ist nämlich unverkennbar die Festung zu erkennen. Im Vordergrund ist eines der weißen Mainschiffe zu sehen, die seit Jahrzehnten Touristen auf dem Fluss transportieren. Doch auf diesem Bild sind US-Soldaten zu sehen, die damals noch in großer Zahl in Würzburg stationiert waren. Einige enthüllen gerade auf dem Schiff den Schriftzug „John F. Kennedy Würzburg“. In der Ausstellung im Museum gibt es zu dem Bild keine Informationen, aber das Bild erweckt sehr stark den Eindruck eines Pressefotos.

Eine Anfrage im Main-Post-Archiv brachte schnell Klarheit. Das Bild stammt nämlich vom damaligen Main-Post-Fotografen Walter Röder und es wurde am 28. Juli 1965 in der Zeitung zusammen mit einem ausführlichen Bericht („Beifall am Mainufer und an Bord“) über die Schiffstaufe veröffentlicht.

Einige Hundert Besucher hatten sich am Alten Kranen eingefunden, um die Namensgebung für das kurz zuvor von der „Würzburger Personenschifffahrt“ in Dienst genommene Schiff zu verfolgen. Die Taufe nahm Mrs. Betty Connor vor, die Gattin des damals Kommandierenden Generals der 3. US-Infanteriedivision, Generalmajor Albert O. Connor. Außerdem nahmen an der feierlichen Zeremonie mehrere hochrangige US-Offiziere teil. Mit dabei waren von deutscher Seite mehrere Behördenvertreter sowie der Würzburger Verkehrsdirektor Hans Schneider.

Kapitän Paul Schiebe erklärte in einer Ansprache, es erfülle ihn mit Stolz und besonderer Freude, dass das vierte Schiff seines Unternehmens den Namen „des unvergessenen und in Deutschland hochverehrten ehemaligen Präsidenten der USA tragen“ werde. Man habe den Namen auch deshalb gewählt, weil Kennedy einst als Marineoffizier mit der Schifffahrt und den „Bootsleuten“ eng verbunden gewesen sei.

Bundesflagge am Heck

Generalmajor Connor überreichte Kapitän Schiebe ein Bild des eineinhalb Jahre zuvor ermordeten Präsidenten, das einen Ehrenplatz im Fahrgastraum des Schiffes bekam. „Mit aufrichtiger Freude“ stellte er fest, dass Würzburg mit diesem Schiff sein erstes „Kennedy-Denkmal“ bekomme. Beifall, so berichtet die Main-Post, gab es für die Gattin des Generalmajors, als sie zur Taufe am Bug des Schiffes die obligatorische Sektflasche zerschellen ließ. Danach legte das Schiff, das mit der Bundesflagge am Heck fuhr, zu einer Ehrenrunde nach Zell und zurück ab.

Bleibt noch die Frage, wie das Foto eigentlich ins Museum nach Dallas gelangt ist. Leider blieb eine diesbezügliche Anfrage ans Sixth Floor Museum unbeantwortet. So muss auch die Frage ungeklärt bleiben, weshalb Würzburg als einziges deutsches Beispiel für die Kennedy-Erinnerung ausgewählt wurde.

Tatort in Dallas: Im ehemaligen Buchlager (links), aus dem auf Präsident Kennedy geschossen wurde, ist heute das Sixth Floor Museum.
Foto: AFP | Tatort in Dallas: Im ehemaligen Buchlager (links), aus dem auf Präsident Kennedy geschossen wurde, ist heute das Sixth Floor Museum.
Schiffstaufe im Juli 1965:  Das Foto von Würzburgs erstem Kennedy-Denkmal ist im Museum in Dallas, das an den ermordeten Präsidenten erinnert, ausgestellt.
Foto: Walter Röder | Schiffstaufe im Juli 1965: Das Foto von Würzburgs erstem Kennedy-Denkmal ist im Museum in Dallas, das an den ermordeten Präsidenten erinnert, ausgestellt.
 
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