Die Haare fallen aus und die Haut bekommt Flecken: Auch die äußerlichen Folgen der Chemotherapie sind für Krebspatientinnen schwer zu ertragen. Ein Seminar zeigt, wie sie mit einfachen Mitteln neuen Mut in Gesicht und Seele zaubern können.
Acht Frauen haben sich in einem Dachgeschoss-Raum der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg zusammengefunden. Ein paar sind mit bunten Kopftüchern gekommen. Wer mit Perücke erschienen ist und wer eigenes Haar hat, das lässt sich kaum unterscheiden. Junge Mütter begrüßen ältere Damen, ein paar reden aufgeregt durcheinander, die anderen warten ruhig und gespannt.
Auch bei der Chemotherapie mit ihren sichtbaren Folgen sind sie in verschiedenen Stadien. Eines eint sie alle: die Diagnose Brustkrebs. So wie die Würzburger Patientinnen erkranken 220 000 deutsche Frauen jedes Jahr an Krebs. Es folgt ein Kampf gegen die Krankheit. Auch wenn der eigentlich im Inneren der Patientinnen abläuft – körperlich und seelisch leiden viele unter den äußerlichen Veränderungen.
Und so kam in Deutschland Mitte der 1990er Jahre eine amerikanische Idee auf: Kosmetikseminare für Krebspatientinnen. Über 100 000 Frauen haben seither an dem Programm teilgenommen, das heute „look good feel better“ heißt und zur DKMS-Familie gehört, die auch die bekannte Deutsche Knochenmarkspenderdatei aufbaut.
In Würzburg bittet Kosmetikexpertin Olga Ivanov – sie leitet seit 2009 regelmäßig und ehrenamtlich solche Seminare – ihre Teilnehmerinnen, eine große, gelbe Tasche zu öffnen. Die 38-jährige Bettina Knobloch und ihre Sitznachbarin breiten den Inhalt vor sich auf dem Tisch aus. Puder, Lidschatten, Augenbrauenstifte und Reinigungscremes, alles hochwertige Markenprodukte, kommen zum Vorschein. „Das ist ja wie Weihnachten und Ostern zusammen“, freut sich Bettina Knobloch.
Für die Patientinnen sind die Kurse komplett kostenfrei. Das liegt am Einsatz der ehrenamtlichen Leiterinnen, an finanziellen Zuwendungen und den Sachspenden von Kosmetikfirmen. Zwischen 150 und 250 Euro wert sind die Produkte in den Taschen der Teilnehmerinnen. Seminarleiterin Ivanov gibt erste Tipps und die Stimmung wird immer gelöster. Die Frauen lachen, reden munter, helfen sich gegenseitig beim Ausprobieren der Produkte, tauschen Lidschatten und Lippenstift, wenn die Farben nicht passen.
Die Perückenträgerinnen haben ihr künstliches Haar längst abgenommen. „Das ist ein Zeichen dafür, dass sie sich hier wohl fühlen, Vertrauen gefasst haben“, freut sich Schwester Gabriele Hautsch. Sie organisiert die Seminare an der Würzburger Klinik. „Die Frauen sind hier losgelöst vom Alltag – und fühlen sich einfach schön. Und das gilt nicht nur fürs Gesicht, sondern wirkt sich auch auf die Seele aus.“
Freude und Selbstwertgefühl zurückbringen – das ist auch Olga Ivanovs Ziel in jedem Seminar. „Meine Überzeugung ist, dass ich das Lebensbejahende in den Frauen wecken kann, wenn sie ihre Schönheit wieder entdecken“, erklärt sie ihre Motivation.
Unter anderem hat sie einen Trick im Gepäck, der für viele der Frauen besonders wertvoll ist: eine Alternative für fehlende Augenbrauen. Ivanov bittet eine Seminarteilnehmerin nach vorn, die sich gerade mitten in der Strahlenbehandlung befindet. Der zierlichen Frau fehlen Haare und Wimpern fast vollständig. Mit dunklem Kajal rahmt Ivanov ihre Augen an den oberen Lidern von innen und außen ein – dort, wo normalerweise die Wimpern beginnen. Prüfend blickt die Krebspatientin in die Runde. Die anderen Frauen staunen: „Das ist ja klasse, toll!“ Und auch sie selbst freut sich: „Man fühlt sich nicht mehr so nackig, sondern wieder richtig angezogen. Geschützter irgendwie.“
Neben Schönheitstipps, die vor allem auf die offensichtlichen Folgen der Krebstherapie zielen – ob die Abdeckung von Flecken, das Vortäuschen von Wimpern oder eine modische Kopfschmuckberatung – bietet das Seminar aber auch ganz alltägliche Kosmetikempfehlungen zu Abdeckstift, Wimperntusche und zu Rouge.
Denn es geht nicht nur darum, sichtbare Zeichen der Krankheit zu kaschieren, sondern auch das Wohlbefinden allgemein zu steigern. „Jede Frau hat es einfach gern, hübscher auszusehen“, sagt Seminarleiterin Ivanov.
Termine
Die nächsten Seminare sind (jeweils donnerstags) am 15. Mai, 24. Juli und am 6. November;
Uhrzeit: 14 bis 16 Uhr
Ort: Comprehensive Cancer Center (CCC) Mainfranken, Josef-Schneider-Str. 6, Haus C16, Seminarraum EG
Die Teilnahme ist kostenlos. Es stehen je zehn Plätze zur Verfügung.
Anmeldung: Nadine Schönig, Mail: schoenig_n@ukw.de, Tel. (0931) 20 13 53 50.
Neben den Terminen an der Uniklinik gibt es in Würzburg auch an der Missionsärztlichen Klinik noch Termine für 2014: 9. Juli und 15. Oktober.
Anmeldung bei Frau Gabriele Hautsch, Tel. (0931) 791 2219.