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Aub
Ein Koffer aus Muschelkalk als Gedenkort am Auber Schloss
Katharina Menth und Helena Adam (von links) verlesen Augenzeugenberichte zur Reichspogromnacht
Foto: Alfred Gehring | Katharina Menth und Helena Adam (von links) verlesen Augenzeugenberichte zur Reichspogromnacht
Alfred Gehring
 |  aktualisiert: 30.10.2021 02:53 Uhr

Ein Koffer aus Stein steht am Auber Schloss. Wie vergessen steht der Koffer da, doch genau das soll er verhindern: das Vergessenwerden. Der Koffer erinnert an die lange jüdische Geschichte in Aub: Die Zeit, als jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wie selbstverständlich zum Leben im Städtchen gehören, vor allem aber an das Ende der jüdischen Gemeinde in Aub.

"Verdrängen hält die Erlösung auf, sich erinnern bringt sie näher." Mit dieser Inschrift am Eingang von Yad Vashem, der internationalen Holocaust Gedenkstätte in Jerusalem, erläuterte der Auber Bürgermeister Roman Menth den Sinn des Gedenkortes in Aub, als er am Sonntag die Einrichtung vorstellte. Umrahmt wurde die Feierstunde von Cornelius Wünsch auf dem Saxophon.

19 Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens aus Aub seien es gewesen, die mit den Deportationszügen in die Vernichtungslager gebracht wurden. 17 von ihnen haben die Deportationen nicht überlebt. Am Standort des steinernen Koffers, dem ehemaligen Sitz des Amtsgerichtes, wurden  nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zusammengetrieben. Hier wurden sie stundenlang festgehalten, voller Unsicherheit, was mit ihnen geschehen würde. Von hier wurden die Männer nach Ochsenfurt ins Gefängnis gebracht, wo sie misshandelt wurden, nur, weil sie jüdischen Glaubens waren.

Der richtige Standort ist innerhalb der Stadtmauer

Bei der Diskussion um einen passenden Standort für das Denkmal gingen die Überlegungen zum Judenfriedhof oder dem Gedenkstein an der Stadtmauer, ehe Städtebauplaner Franz Ulrich die Ansicht äußerte, der richtige Standort sei innerhalb der Stadtmauer, denn die deportierten Menschen haben auch innerhalb der Stadtmauer gelebt. So wurde schließlich der Platz am Schloss als Standort festgelegt.

Helena Adam und Katharina Menth lasen Augenzeugenberichte von der damals 15-jährigen Inge Oppenheimer vor, die die Pogromnacht miterlebt hatte und ihre Erinnerungen aufgeschrieben hat. Sie verlasen die Namen aller Männer, Frauen und Kinder aus Aub, die die Deportation und die Vernichtung nicht überlebt haben.

Steht da, wie vergessen: Ein Koffer aus Stein
Foto: Alfred Gehring | Steht da, wie vergessen: Ein Koffer aus Stein

Robert Melber, Auber Altbürgermeister und im Hauptberuf Steinmetz, hat die beiden Koffer aus Muschelkalk selbst gefertigt. Er erläuterte die Gedanken beim Ausarbeiten der Kunstwerke. Den heimischen Muschelkalk habe er verwendet, weil er wie die Deportierten aus der Region ist und zudem Beständigkeit ausstrahle. Denn, so Melber: "Wir Nachgeborenen tragen keine Schuld an den Ereignissen von damals, aber die Verpflichtung, auch diesen Teil unserer Geschichte nicht zu vergessen und dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert."

Nur ein Koffer mit persönlichem Besitz

Betina Stolz, Vorsitzende des Würzburger Vereins "DenkOrt Deportationen", erläuterte den mehr als fünfzig Anwesenden den Hintergrund des Denkortes in Würzburg. Sechs große Transporte seien in den Jahren 1941 bis 1944 von Würzburg aus aufgebrochen in die großen Vernichtungslager im Osten. Menschen aus 47 Gemeinden in Unterfranken, in denen es jüdische Gemeinden gab, wurden deportiert.

Die Gedenkstätte sei noch im Wachsen. Bisher haben 32 dieser Gemeinden sich mit eigenen Beiträgen beteiligt. Auch die Gemeinden, die selbst keine jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger hatten, wurden aufgefordert, sich zumindest finanziell zu beteiligen. So müsse sich jeder Gemeinderat mit dem Thema befassen, das sei so gewollt.

Die Menschen, die deportiert wurden, durften jeweils nur einen Koffer mit persönlichen Habseligkeiten mitnehmen. Alles andere mussten sie zurücklassen. Ihr Hausstand, die Möbel, ihr Besitz wurde ihnen geraubt oder zerstört und auch das Wenige, das sie in ihren Koffer packen konnten, wurde ihnen noch genommen. Selbst die Kosten für ihre Deportation mussten sie noch selbst bezahlen. Ihre Würde wurde ihnen genommen, ihre Religion, die Zivilisation.

Altbürgermeister und Steinmetz Robert Melber erläutert sein Werk.
Foto: Alfred Gehring | Altbürgermeister und Steinmetz Robert Melber erläutert sein Werk.
 
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