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WÜRZBURG
Ein Kaugummi als Diagnosemittel
Einfach kauen und so bakterielle Entzündungen im Mund erkennen? Würzburger Forscher haben dafür nun einen speziellen Kaugummi entwickelt. Allerdings gibt es Kritik.
Kaugummi       -  Kauend Entzündungen entdecken: Mit einem Spezialkaugummi soll das künftig möglich sein.
Foto: Uni Würzburg/dpa | Kauend Entzündungen entdecken: Mit einem Spezialkaugummi soll das künftig möglich sein.
dpa
 |  aktualisiert: 19.08.2017 03:10 Uhr

Ein neuer Kaugummi-Schnelltest soll künftig frühzeitig bakterielle Entzündungen im Mund erkennen helfen. Die Idee ist so einfach wie hilfreich: Durch Kauen erkennt der Patient selbst, ob es ein Problem gibt. Im Falle einer Entzündung schmeckt der Kaugummi nach wenigen Minuten bitter. Diese neue Möglichkeit der Schnelldiagnose mithilfe der eigenen Zunge könnte vor allem für Träger von Zahnimplantaten sinnvoll sein.

Bitterstoff als Warnsignal

„Das Hauptproblem mit Implantaten ist, dass sich nach fünf oder zehn Jahren Bakterien dort entwickeln können. Und der Patient merkt die Entzündungen im Mundraum nicht, weil durch die Implantate die Nerven komplett zerstört sind“, erklärt Lorenz Meinel vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Universität Würzburg. Das betreffe ein bis fünf Prozent aller Implantate. Eine Entzündung könne dann im schlimmsten Fall schon viel Gewebe und Knochen zerstört haben, bevor sie entdeckt werde.

Menschen ohne Implantate erkennen bakterielle Entzündungen meist sofort anhand von Schwellungen und Schmerzen. Meinel und sein Team haben das neue Diagnosemittel mit Forschern der Universität Düsseldorf sowie von Forschungseinrichtungen aus Berlin und Jena entwickelt. Über das Verfahren berichten sie im Fachjournal „Nature Communications“.

Für erste Tests hatte das Pharmazie-Team der Uni Würzburg den Speichel von gesunden und erkrankten Patienten der Zahnklinik in Rimini genutzt. „Der Kaugummi erkennt jede Form von bakterieller Belastung im Mundraum“, sagt Meinel. Dabei reagiere er besser als die bislang genutzten Farbstreifen und schneller als Tests mit Stäbchen, die erst im Labor analysiert werden müssten. Bei leichten Zahnfleischentzündungen schlage der Kaugummi jedoch nicht an.

In den Kaugummi haben die Forscher einen speziellen Inhaltsstoff eingebaut, der auf bestimmte proteinabbauende Enzyme reagiert, die bei Entzündungen im Mund entstehen. Diese zerschneiden den Stoff, wodurch ein vorher nicht zu schmeckender Bitterstoff frei wird. Der Patient könnte dann zu seinem Zahnarzt gehen, der die Diagnose bestätigt und die Entzündung behandelt.

Frank Schwarz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie, bezeichnet den Kaugummi als „innovatives Verfahren“, das aber noch weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit benötige. Seiner Meinung nach hat das Team um Meinel noch nicht den idealen Marker für eine beginnende Entzündung als Grundlage für die Wirkung des Kaugummis genommen, weil der gewählte auch bei Heilung freigesetzt werde.

Kaugummi noch nicht marktreif

Nach solchen Markern suche die Zahnmedizin seit Jahren intensiv. „Wenn es gelänge, spezifische Marker von Entzündungsprozessen frühzeitig beim Kauen eines Kaugummis nachzuweisen, wäre dies sicherlich ein Vorteil für Patienten und Zahnärzte“, so Schwarz weiter, der Professor für orale Medizin und periimplantäre Infektionen ist.

Der Kaugummi ist noch nicht marktreif. „Es gibt ihn, aber er wurde noch nie am Menschen getestet“, so Meinel. Das sei nun der nächste Schritt. Dann aber könnte der Kaugummi schon in den nächsten zwei bis drei Jahren von Patienten und Zahnärzten genutzt werden, hofft er.

 
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