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WÜRZBURG
Ein fast handzahmes Ungetüm
Ganz schön groß: Wer am Freitag davor stand, vor dem mächtigen Portalstapler auf dem Werksgelände der Firma Terex in Würzburg, dem wurde schnell klar: Wer in 15 Metern in der Fahrerkabine sitzt und das Ungetüm steuert, der sollte unbedingt schwindelfrei sein.
| Ganz schön groß: Wer am Freitag davor stand, vor dem mächtigen Portalstapler auf dem Werksgelände der Firma Terex in Würzburg, dem wurde schnell klar: Wer in 15 Metern in der Fahrerkabine sitzt und das Ungetüm ...
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 11.07.2014 19:06 Uhr

Ein echter „Tatort“-Fan kennt ihn. Immer dann, wenn einer der deutschen Häfen als schaurig-trostlose Kulisse auftaucht, bewegen auch sie sich durchs Bild: die Riesenstapler der Würzburger Firma Noell. Meist ist dann ein mörderisches Verbrechen geschehen.

Warum Gruselfilm-Regisseure die Ungetüme so sehr schätzen, ist auch bei der feierlichen Übergabe des 1000sten auf dem Werksgelände der heutigen Firma Terex an der Veitshöchheimer Straße gefertigten diesel-elektrischen Portalstaplers zu spüren. Während ein Vertreter des Kunden, dem Bremerhavener Nordseehafen, und Oberbürgermeister Christian Schuchardt das im Rücken der Gastredner aufgestellte Fahrzeug als Beispiel „deutscher Wertarbeit“ preisen, verdeckt ein weißes Tuch den 15 Meter hohen und 65 Tonnen schweren Stapler. Immer wenn eine Prise Wind kommt, scheinen die deutlich als Schatten zu erkennenden Konturen des Vierbeiners an Leben zu gewinnen.

„Nein, nein, er ist nicht zum Fürchten“, lacht Mario Barth und der 37-jährige Arnsteiner erklärt, dass sich ein Portalstapler beinahe handzahm steuern lässt, ähnlich wie ein Auto: Es gibt ein Lenkrad, alternativ einen joystickartigen Steuerknüppel, Gas und Bremse. Optional erhält der Kunde eine Laserunterstützung. Sein Job: Inbetriebnehmer. Sein Tatort: die Fahrerkabine in luftiger Höhe bis zu 15 Metern.

„Wir haben Noell zu einem Exzellenzzentrum innerhalb des Unternehmens weiterentwickelt.“
Lutz Wächter Geschäftsführer Terex Würzburg

Mario Barths Aufgabe ist es, vor der Auslieferung die Fahreigenschaften zu testen, indem er auf dem großen Platz vor den Werkshallen in Alfred-Nobel-Straße ein paar Runden dreht und die Funktionen testet. Bei der Anfahrt des Vierbeiners auf einen der in einer Größe standardisierten Container geht es um Zentimeterarbeit, die der Fahrer leistet. Der Stapler schafft es, insgesamt vier übereinander zu schichten und hängebauchartig zu transportieren. Er schafft dabei ein Gewicht, das beinahe seinem eigenen entspricht.

Dennoch kommt es besonders auf Genauigkeit an. Gilt doch im Hafen – Häfen in aller Welt sind die hauptsächlichen Kunden –, die einfache Regel: „Platz ist Geld“. Damit dies gelingt, befindet sich unter dem Sitz des Fahrers eine Glasscheibe, die ihm eine möglichst gute Sicht bietet. Sie braucht er, um das fünf Meter breite, zehn Meter lange Schwergewicht zielgenau zu manövrieren. Dass das hoch aufgeschossene Arbeitsgerät dabei schwankt und bei Schlaglöchern oder einem plötzlichen Stopp die Erschütterung an die in luftiger Höhe angebrachte Fahrerkabine weitergibt, versteht sich. Wirken doch die vier Beine des Gefährts physikalisch wie lang gezogene Hebelarme. Immerhin gibt es Stoßdämpfer, die dem bis zu 30 Kilometer schnellen Fahrzeug die nötige Stabilität verleihen.

Auch Rudolf Riedel, Leiter der Qualitätskontrolle, ist schon mal mitgefahren. „Erstmal wird man schon ein bisschen seekrank“, sagt er. „Man gewöhnt sich aber daran.“

Der „Tatort“-Fan hat es da einfacher. Schaut er bei alten Hafen-Folgen genau hin, ist nicht selten die Aufschrift „Noell“ zu lesen, seit 2009 steht dort jedoch „terex“, es ist das Jahr, in dem die gleichnamige amerikanische Firma das insolvente, 1824 als Schmiede gegründete Würzburger Traditionsunternehmen aufgekauft hat. Vor zwei Jahren kam mit Gottwald Port Technology aus Düsseldorf ein weiteres Traditionsunternehmen hinzu. Der Würzburger Nischenanbieter hat sich in wenigen Jahren zu einem wichtigen Teil eines „Global Players“ gewandelt. Die Firmenname lebt in der Typenbezeichnung fort, auch in der des an Bremerhaven übergebenen Riesenstaplers „NSC 644 E“. Das „N“ steht für Noell, „SC“ für „Straddle Carrier“, auf Deutsch: Portaltransporter.

Bei der Entwicklung des Staplers, dessen Hybridantrieb beim Bremsen und Absenken der Last die erzeugte Energie speichert und bei Spitzenlasten wieder abgibt, hat auch das Know-How des Würzburger Traditionsunternehmens eine Rolle gespielt: So hat die Firma Noell seit 1968 Portalstapler gebaut und unter dem Markennamen Peiner in den Markt eingeführt.

Bis heute sind es insgesamt etwa 2600 Stapler, die in Würzburg hergestellt wurden. Der Standort ist damit Weltmarktführer, einer der für Franken so typischen „hidden champions“. „Wir haben Noell zu einem Exzellenzzentrum innerhalb des Unternehmens weiterentwickelt“, sagt Lutz Wächter Geschäftsführer des Standorts. Heute arbeiten hier wieder 400 Menschen, überwiegend Facharbeiter. Das Werk ist wieder einer der größten industriellen Arbeitgeber der Region.

Übergabe: Oberbürgermeister Christian Schuchardt (von links) sowie die Geschäftsführer Klaus-Peter Hoffmann (Firma Terex) und (rechts) Lutz Wächter (Terex-Würzburg) übergaben am Freitag auf dem Werksgelände in Würzburg den 1000. Portalstapler an Jan Gelderland von der Firma NBT aus Bremerhaven.
Foto: Daniel Peter | Übergabe: Oberbürgermeister Christian Schuchardt (von links) sowie die Geschäftsführer Klaus-Peter Hoffmann (Firma Terex) und (rechts) Lutz Wächter (Terex-Würzburg) übergaben am Freitag auf dem Werksgelände in ...
 
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