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WÜRZBURG
Ein Abschied als Neuanfang
Garifuna Collective aus Belize: In dem zentralamerikanischen Kleinstaat wird eine musikalische Tradition bewahrt, die auf ein gesunkenes Sklavenschiff zurückgeht. Beim Africa Festival kann man sie live erleben.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 26.05.2014 09:30 Uhr

Als der Sänger und Gitarrist Andy Palacio aus Belize 2007 mit seinem Album „Watina” für eine weltmusikalische Überraschung sorgte, konnten nur ein paar wenige Insider etwas mit dem Begriff Garifuna-Musik anfangen. Auch zu Palacios Heimatland fiel nur Spezialisten etwas ein. Palacio brachte den zentralamerikanischen Staat am Atlantik, der im Norden an Mexiko und im Westen an Guatemala grenzt, auf die weltmusikalische Landkarte. Und er brachte die Musik des in Belize lebenden Garifuna-Volkes ins Bewusstsein.

Belize kannte man früher als die britische Kronkolonie Britisch-Honduras. Das Land hat nach aktuellen Schätzungen etwa 330 000 Einwohner. Etwa ein Drittel der Bevölkerung hat afrikanische Vorfahren. So auch das Volk der Garifuna, die heute sieben Prozent der Bevölkerung ausmachen. Deren Geschichte geht zurück bis ins Jahr 1635.

Damals sollten zwei große Sklavenschiffe menschlichen Nachschub auf die Zucker- und Baumwollplantagen der Karibikinsel St. Vincent transportieren. Doch die beiden Schiffe sanken vor der Küste der Insel. Die überlebenden Westafrikaner wurden von den dortigen Ureinwohnern, den sogenannten Kariben, aufgenommen und vermischten sich mit ihnen – so will es zumindest die Theorie vom Ursprung der Garifuna, was übrigens so viel bedeutet wie „Menschen, die Yucca essen”. Die Koexistenz der französischen Kolonisatoren und der freien Schwarzen verlief weitestgehend friedlich, bis Ende des 18. Jahrhunderts die Briten die Herrschaft übernahmen. Sowohl die Franzosen als auch die Garifuna wurden im sogenannten Karibenkrieg geschlagen und die Garifuna von den neuen Machthabern St. Vincents auf Inseln in der Bucht von Honduras umgesiedelt. Von dort aus kamen sie aufs nahe Festland, später auch nach Guatemala und Nicaragua, und eben auch an die Mangroven-Küste Belizes.

Sie trotzten der Kolonialherrschaft und es gelang ihnen, eine eigenständige Kultur zu bewahren. Ihre Sprache ist das Igneri, das sich aus Yoruba-Elementen sowie französischen, englischen und spanischen Bestandteilen zusammensetzt. Nicht weniger vielschichtig sind ihre musikalischen Traditionen. Sie gehen einerseits auf die Überlieferung westafrikanischer Kulte zurück, aber auch indianische Einflüsse sind erkennbar. Neben den Trommeln und Perkussionsinstrumenten spielt in den Garifuna-Songs auch die von den Spaniern adaptierte Gitarre eine Rolle. Dass ihre fast vom Aussterben bedrohte Musik und Kultur heute aktueller ist denn je, ist Andy Palacio und seinem Produzenten Ivan Duran zu verdanken.

Und gerade als dank „Watina” die Musik Palacios und seiner Band Garifuna Collective die Menschen in aller Welt (auch die des Africa Festivals, wo die Gruppe 2007 frenetisch gefeiert wurde) erreichte, kam der lähmende Schock. Im Januar 2008 erlag Palacio völlig überraschend einem Herzinfarkt. Die Wunde die dieser frühe Tod (Palacio wurde nur 47 Jahre alt) in die gerade wieder erstarkende Kultur der afro-karibischen Minderheit riss, war riesengroß. Wie groß sein Ansehen war, zeigt, dass er in Belize mit einem Staatsbegräbnis beigesetzt wurde.

Nach seinem Tod erschien 2008 noch eine weitere Garifuna-CD: „Umalali – The Garifuna Women’s Project”. Darauf singen und spielen 13 Frauen des Garifuna-Volkes. Denn es sind vor allem die Frauen, die den Schatz der mündlichen Überlieferung hüten und pflegen. Sie tragen die meisten Traditionen weiter und lehren die Kinder die Garifuna-Sprache, während die Männer beim Fischen oder im Ausland Geld verdienen, um die Familie versorgen zu können. Danach wurde es relativ ruhig um die Garifuna-Musik.

Es dauerte, bis der große Schock, den Palacios Tod ausgelöst hatte, überwunden war. Musiker, die schon mit Palacio zusammen spielten, fanden wieder zusammen und fügten neue Kräfte hinzu. 2013 wurde die CD „Ayo” veröffentlicht, die einerseits ein Abschied vom verstorbenen Idol (Ayo bedeutet Lebewohl), aber auch ein musikalischer Neuanfang ist. Denn jetzt muss die Gruppe ohne einen Leader auskommen, und die Bezeichnung Collective ist nicht mehr nur ein Name, sondern auch Programm. Deshalb gibt es nun einen festen Stamm, der durch wechselnde Musiker und Sänger ergänzt wird. Mit „Ayo” zeigt das Collective, dass die Garifuna-Musik weiterhin lebendig und die Angst vor ihrem Untergang unbegründet ist.

Beim diesjährigen Africa Festival kann man sich am Freitag, 30. Mai, davon beim Konzert des Garifuna Collective überzeugen. Einige Restkarten sind am Donnerstag, 29. Mai, ab zehn Uhr an der Tageskasse am Festivaleingang noch erhältlich.

 
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