Der Schlammpeitzger ist ein Fisch mit sonderbaren Eigenschaften. Eine davon erlaubt ihm, auch in sauerstoffarmem Wasser und sogar im Schlamm zu überleben. Er kann nämlich Luft verschlucken und den Sauerstoff über seinen Darm aufnehmen. Weil die verbrauchte Luft wieder raus muss, hat der Schlammpeitzger seinen Beinamen weg: Furzfisch. Aber was hat der Furzfisch mit dem Main zu tun?
In der neuesten Roten Liste der bedrohten Tierarten ist der europäische Schlammpeitzger als "vom Aussterben bedroht" gelistet, sagt der Fischereifachberater des Bezirks Unterfranken, Michael Kolahsa. In seinem Teichbetrieb in Maidbronn züchtet der Bezirk deshalb seit ein paar Jahren junge Schlammpeitzger nach, um sie im Main auszusetzen. 75 Jungfische hat Kolahsa jetzt gemeinsam mit dem Randersackerer Fischer Hubert Holl in einem Altwasser nördlich von Eibelstadt in die Freiheit entlassen – in der Hoffnung, dass sich aus ihnen in ein paar Jahren wieder ein stabiler Bestand entwickelt.
Im 19. Jahrhundert gab es Schlammpeitzger noch in großer Zahl
Dabei war der Schlammpeitzger Ende des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit. Eine Bestandsbeschreibung des Mains aus dem Jahr 1880 verweist auf große Vorkommen, vor allem in Auen und Entwässerungsgräben bei Gochsheim, sagt Kolahsa. "Weil er dort leben kann, wo andere Fische nicht mehr leben können, konnte er sich ausbreiten." So seien Berichte überliefert, dass der Fisch stellenweise so reichlich vorkam, dass ihn die Bauern mit Schaufeln aufluden und den Schweinen zum Fraß gaben. Der dramatische Rückgang der Bestände habe vor allem mit dem Verlust von Lebensraum zu tun, insbesondere den wechselfeuchten Flussauen.
Das Altwasser zwischen Eibelstadt und Randersacker - genau unter der Autobahnbrücke - scheint Kolahsa gut geeignet für das Aussetzen der Jungfische. Es war in den 1950er Jahren angelegt worden und ließ sich früher zum Main hin absperren. Auf diese Weise sollte in unmittelbarer Nähe zum Fluß Teichwirtschaft ermöglicht werden, erinnert sich Fischer Hubert Holl. Der Versuch scheiterte daran, dass zum Abfischen der Mainpegel über die Staustufen hätte abgesenkt werden müssen. Dadurch wäre die Schifffahrt zeitweise zum Erliegen gekommen. Übrig blieb ein Altwasser, das kaum verlandet und dank seines Schilfgürtels als ideale Kinderstube für Jungfische gilt.
Michael Kolahsa ist überzeugt, dass auch die jungen Schlammpeitzger dort einen guten Lebensraum und Schutz vor Fressfeinden finden. Die Jungfische, die Michael Kolahsa mitgebracht hat, sind im Alter von zwei Jahren etwa so lang wie ein Zeigefinger und stecken in einem Plastiksack, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Michael Kolahsa kippt Mainwasser in den Sack, um die Fische an die neue Wasserqualität zu gewöhnen. Auch auf einen Temperaturschock würden die Schlammpeitzger empfindlich reagieren.
Der Fisch ist leicht verdaulich, schmeckt aber modrig
Wenn sie zuvor keinem Raubfisch zum Opfer fallen, können die schlanken Schlammpeitzger mit ihrer markanten Streifenzeichnung bis zu 30 Zentimeter lang werden. In der Beschreibung von 1880 wird ihr Fleisch als leicht verdaulich beschrieben, so Kolahsa. Dass er es nicht auf den Speisezettel geschafft hat, liege wohl an dem modrigen Geschmack, den der Fisch seiner Vorliebe verdankt, sich im Schlamm einzugraben. Die Elterntiere, aus der die Brut herangezogen wurde, stammen aus Mittelfranken, wo sich kleine Bestände gehalten haben. Im Main habe man den Schlammpeitzger seit Jahrzehnten nicht mehr gesichert nachweisen können, so Kolahsa weiter.
Neben den Schlammpeitzgern entlässt der Fischereifachberater noch 300 junge Karauschen in den Main. Die kleinen Verwandten des Karpfens gelten ebenfalls als sehr widerstandsfähig. Trotzdem stehen auch sie auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.
Für die gezielte Nachzucht nennt Kolasha zwei Gründe: Zum einen sei es Aufgabe der Fischereifachberatung, die Artenvielfalt zu unterstützen und auch Fischarten zu schützen, die als Speisefische keine Bedeutung haben. Zum anderen könnte dem Schlammpeitzger und der Karausche angesichts der Klimaerwärmung wachsende Bedeutung zukommen. "Es sind ideale Fische, wenn es darum geht, mit dem Klimawandel zurecht zu kommen", sagt Kolahsa. Dafür spricht, dass sie lange Hitzeperioden, in denen das Wasser warm und der Sauerstoff knapp werden, gut überstehen können.
Wie Fischer Hubert Holl berichtet, wird dem Schlammpeitzger noch eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft zugeschrieben. Weil er kleinste Luftdruckschwankungen wahrnehmen kann, galt er früher als Wettermelder. Er wurde deshalb sogar in Aquarien gehalten und soll durch sein nervöses Verhalten angezeigt haben, wenn ein Gewitter bevorstand. Obwohl er schon über 60 Jahre als Fischer auf dem Main unterwegs ist, musste sich Hubert Holl dieses Wissen aus Büchern anlesen. "Im Main habe ich noch keinen Schlammpeitzger gesehen", sagt er.