Die Leute wollen in diesen Zeiten klare Botschaften. Im Theater können sie die mit Stücken von Dario Fo und Franca Rame immer bekommen. Das Autorenpaar, von dem nur die männliche Hälfte den Literaturnobelpreis erhielt, schuf prägnante Typen, die wie Kasperlfiguren auftreten können. Am Würzburger Theater Ensemble inszenierte Andreas Büettner die Komödie "Offene Zweierbeziehung" aber psychologisch so differenziert, dass Antonia und ihr namenloser (!) Mann als Menschen aus Fleisch und Blut ihr Ehegefängnis bevölkern – und überstürzt draus fliehen.
Sehr deutlich dabei: Frauen sind schlauer, Männer haben mehr Macht und es gibt viele Techniken, durch eigene Hand (hier: Triggerwarnung!) aus dem Leben zu scheiden, irgendwann wird es schon funktionieren. Dabei ging es doch nur darum, dass die Streitenden "wie vernünftige Menschen die Sache lösen", wie Antonia vorschlug.
Liebschaften sind erlaubt
Das Stück setzt mit einem Suizidversuch ein, mit ihrem soundsovielten. Das und mehr erfährt man in Rückblenden, die Jutta Summer und Michael Gumpert äußerst vital nachspielen. Nun kann ein solches gemeinsames Erinnern therapeutisch wohltun. Es kann aber auch das Gegenteil eintreten. Gewohnheit und patriarchale Konventionen haben diese Ehe zerrüttet – um die endgültige Trennung zu vermeiden, gehen die Partner den modernen Schritt in die Offene Zweierbeziehung. Liebschaften außerhalb ihrer Ehe sind erlaubt, um zu retten, was zu retten ist. Zumindest bilden Antonia und der Mann sich ein, es sei etwas zu retten. Tatsächlich kann nur eine dieser beiden Figuren gewinnen, erst recht, wenn zum Finale noch eine dritte (gespielt von Malo Plisson) auftaucht…
Das Ganze wird mit viel Drive, hochkomödiantischem Timing und wirksamen kleinen Textaktualisierungen gespielt. Dem sehr körperlichen Spiel setzt Jutta Summer mit einer Tanzeinlage ein richtiges Glanzlicht auf. Das sind so Gegenwartsformen der Commedia dell’Arte, in der auch Fo und Rame wurzeln. Der ganze Spaß dauert inklusive Pause eineinviertel Stunden.
Ruhigere Erinnerung?
Die zweite Hälfte beginnt etwas weniger turbulent als die erste, steigert sich dafür aber auf eine Weise, dass man gar nicht auf die Frage kommt, in welcher Zeit dieser Akt eigentlich spielt. Der erste rekapitulierte ja in Rückblenden die unglückliche Vorgeschichte des soundsovielten Suizidversuchs. Und jetzt? Haben wir’s Monate später? Oder fing nach der Pause eine ruhigere Erinnerung der beiden an? Hier funktioniert "Offene Zweierbeziehung" wie der Film "Pulp Fiction": Das sollte man sich nach dem zweiten Angucken überlegen. Einmal jedenfalls sollte man diese Produktion erlebt haben.
Das Stück ist bis 3. Februar donnerstags bis samstags um 20 Uhr. Reservierungen www.theater-ensemble.net und Tel.: (0931) 44545.