
War sie wirklich so überstürzt entschieden worden, die „Ehe für alle“? War es richtig, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Abstimmung im Deutschen Bundestag zu einer „Gewissensentscheidung“ gemacht hatte? Paul Lehrieder, CSU-Bundestagsabgeordneter und seit einigen Jahren Vorsitzender des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat so seine Zweifel. Und die trug er bei einem Vortrag im katholischen Pfarrheim St. Mauritius auf Einladung des Pfarrgemeinderates, der KAB und des Frauenbundes, vor 30 Zuhörern auch vehement vor. Vielleicht, so seine Ansicht, war es doch eher eine „Sturzgeburt“. Dass sämtliche unterfränkische Abgeordnete seiner Partei wie er gegen die „Ehe für alle“ mitsamt dazugehörigem Adoptionsrecht gestimmt hatten, stimme ihn nur ein bisschen fröhlich.
Fehlende Diskussion nachholen
Man wolle die „im Sommer fehlende öffentliche Diskussion nachholen“, hatte zuvor der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats Peter Pospiech zum Thema hingeführt. Ob tatsächlich 80 Prozent der Bevölkerung hinter dieser Entscheidung stünden, das bezweifelte Pospiech. Zumindest in Estenfeld und Umgebung spüre er keine so große Zustimmung. Gleichzeitig sprach er davon, niemanden diskriminieren zu wollen. Er stellte auch die gesellschaftliche Akzeptanz zu unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und die eingetragenen Lebensgemeinschaften nicht zur Debatte. Es sei die „Ehe für alle“ und die Frage, ob sich Kinder dort tatsächlich richtig entwickeln könnten.
Angesichts der Thematik, die gut und gerne ein Wochenendseminar mit Stoff füllen könnte, blieb Lehrieder in seinem Vortrag mit anschließender Diskussion nichts anderes übrig, als die komplexe Materie „nur“ zu streifen und Stichpunkte zu überfliegen.
Wie sieht es in anderen Ländern aus, in anderen Kulturkreisen? Welche Bereiche der Psychologie, der Pädagogik, der Juristerei, des Alltagslebens, sind zu beleuchten? Bei wem verarbeitet eine pubertierende Tochter den Liebeskummer, wenn sie zwei Väter hat? Bei wem stößt sich ein rebellischer Junge mit zwei Müttern die Hörner ab? Wie ist, wie eine junge Zuhörerin kritisch anmerkte, die künstliche Befruchtung zu werten? Und ist, wie ein junger Mann fragte, die Ehe tatsächlich einem kulturellen Wandel unterworfen?
Ist die „Ehe für alle“ mit dem Grundgesetz vereinbar?
Rein grundsätzlich sieht Lehrieder die Ehe als Zusammenschluss von Mann und Frau auf Lebenszeit, „und nur daraus kann neues Leben entstehen“. Natürlich könne auch eine gleichgeschlechtliche Ehe gut funktionieren, „da steht der eine für den anderen ein, sorgt sich, kümmert sich“. Aber dass es auch gleich ein Adoptionsrecht geben müsse, das fand nicht wirklich Lehrieders Beifall. Sicherlich hätten sich die Gründerväter des Grundgesetzes die Ehe mit Mann und Frau vorgestellt, als sie am Artikel sechs des Grundgesetzes feilten. Er wies auch auf Absatz vier des Artikels hin: „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
“ Ob die „Ehe für alle“ tatsächlich mit dem Grundgesetz vereinbar sei, könne nur eine Verfassungsklage klären, so Lehrieder.
Die Diskussion ging nach dem offiziellen Teil noch lebhaft weiter, und die Zuhörer debattierten auch mit Lehrieder den 1994 abgeschafften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches (Strafe für sexuelle Handlungen unter Männern) oder den mittlerweile angepassten Paragrafen 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen). „Die gesamte Diskussion sollten wir nicht den Parteien überlassen, sondern weiter diskutieren“, schloss Pospiech einen interessanten Abend.
Herr Lehrieder tut sich eben mit Mehrheitsentscheidungen schwer.
Warum reicht eine eingetragene Partnerschaft nicht?