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WÜRZBURG
Echte Gefühle für künstliche Wesen?
Roboter halten Einzug in unseren Alltag – und wir reagieren auf sie, können sogar Mitleid mit ihnen empfinden. Das birgt nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren.
Echte Gefühle für künstliche Wesen?       -  Isabelle Menne vom Institut Mensch-Computer-Medien im Labor am Hubland – mit Nao, dem Roboter.
Foto: Daniel Peter | Isabelle Menne vom Institut Mensch-Computer-Medien im Labor am Hubland – mit Nao, dem Roboter.
Svenja Kloos
Svenja Kloos
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:35 Uhr

Als Isabelle Menne auf den Knopf drückt, erwacht der kleine Roboter auf ihrem Arm zum Leben. Aus großen, blauen Kulleraugen schaut er sie an, streckt ihr sein Köpfchen entgegen. Er hat die Gestalt eines Dinosauriers. Und während sie ihn streichelt, brummt er zufrieden. Dann stupst er ihre Hand mit der Nase an, schließt langsam die Augen – und gibt ein leises Schnarchen von sich. „Ich weiß, dass es nur eine Maschine ist und trotzdem kommen da immer wieder Mama-Gefühle hoch“, sagt die 29-Jährige lachend.

Genau das ist der Punkt, an dem Isabelle Mennes Forschung ansetzt. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienpsychologie der Uni Würzburg schreibt gerade ihre Doktorarbeit und untersucht, wie Menschen emotional auf Roboter reagieren. Denn die sind inzwischen im alltäglichen Leben angekommen – zum Beispiel als Staubsauger oder als Rasenmäher.

Aber nicht nur zur Unterstützung, auch zur Unterhaltung gibt es Roboter wie Pleo, den kleinen Dino, der mit seinem Besitzer interagiert. Eine Entwicklung, auf die sich der Mensch einstellen muss. Kann eine Art Beziehung entstehen? Oder merkt unser Gehirn, dass wir es mit einer Maschine zu tun haben, die nicht wirklich etwas empfinden kann?

Um das herauszufinden, hat Isabelle Menne Testpersonen zwei verschiedene Videos von Pleo gezeigt. Er wurde absichtlich als Dinosaurier entworfen, damit bei den Beobachtern keine Assoziationen zu Haustieren geweckt werden – das würde die Forschungsergebnisse beeinflussen, sagt Menne.

In einem Film wird der Dino gestreichelt und liebevoll behandelt. Im anderen wird er am Schwanz gepackt, hochgehalten und geschüttelt, bis er anfängt zu schreien. Während sich die Probanten die Videos anschauten, beobachtete die Wissenschaftlerin ihre Mimik – denn im Gesicht reagieren die Menschen schnell, meistens unbewusst und unverstellt.

Und tatsächlich: Als Pleo gequält wird, gehen die Mundwinkel nach unten, die Augenbrauen heben sich, Mitleid ist in den Gesichtern zu lesen. „Einige haben sogar 'O Gott‘ gerufen, obwohl sie ja alleine im Raum waren“, erzählt Menne. Ebenso andersherum: Der positive Umgang mit Pleo ruft ein Lächeln hervor, ein besseres Gefühl. Dass er „nur“ eine Maschine ist, scheint vergessen. Wir reagieren auf ihn, empfinden etwas für den elektrischen Dino. Das ist die Basis dafür, dass wir im nächsten Schritt tatsächlich Vertrauen zu ihm aufbauen können.

Dieses Vertrauen kann jedoch gefährlich werden, wenn die Unterhaltungsroboter eines Tages wie selbstverständlich Einzug daheim halten und uns als „Freunde“ begleiten. „Wir akzeptieren Roboter dann als Teil unseres Lebens. Sie stellen keine Bedrohung für uns dar“, sagt Menne. „So geben wir ihnen vielleicht Daten preis, die eigentlich privat sind. Weil wir uns eben keine Gedanken mehr machen.“

Sogar Befehle von Robotern führten Probanden aus. Das hat die Wissenschaftlerin ebenfalls getestet – mit Nao, einem Roboter, der fast menschlich wirkt und so groß ist wie ein Kleinkind. Er kann nicht nur Geräusche von sich geben, sondern auch sprechen. Nao gehört eigentlich der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Dank einer Kooperation kann sich der Lehrstuhl Medienpsychologie den Roboter für Experimente ausleihen.

In Mennes Versuch gab Nao den Teilnehmern Anweisungen, die ihm vorher einprogrammiert wurden – angefangen bei einfachen Sachen wie ein Glas Wasser trinken bis hin zu Szenarien, in denen sich die Teilnehmer zum Affen machen mussten. „Einige haben dann angefangen, aus Scham mit Nao zu diskutieren, weil sie das nicht machen wollten.“ In einem anderen Fall sollte der Roboter beleidigt werden. „Die Frau hat ihm dann gesagt, das könne sie nicht, er sei doch so süß.“ Eine Reaktion, als stünde dem Probanden ein Mensch gegenüber. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Erhielten die Versuchsteilnehmer dieselben Befehle von einem Menschen, setzten sie sie deutlich schneller um als bei Nao.

Insgesamt stehe die Forschung im Bereich „Roboter und Emotionen“ noch ganz am Anfang, sagt Menne. Sie kann fast ausschließlich auf Studien aus den USA und Japan zurückgreifen. Vorstellbar sei, dass die beobachteten Gefühle der Menschen zukünftig nicht nur Risiken, sondern auch Chancen mit sich bringen. Etwa wenn es darum geht, Roboter eines Tages in Pflegeheimen einzusetzen.

Entwickeln die Bewohner Gefühle für sie und schenken ihnen Vertrauen, akzeptieren sie, dass die menschlichen Maschinen in der Einrichtung mitarbeiten. Das wiederum ist die Voraussetzung dafür, dass sie Befehle von ihnen entgegennehmen: mehr trinken, Tabletten nehmen, zum Essen gehen. So könnte das Pflegepersonal entlastet werden. Bei einem traurigen Gesichtsausdruck des Roboters wissen die Bewohner, dass sie sich ihm zuwenden müssen. „Das bewirkt viel mehr, als wenn einfach eine rote Lampe blinkt“, so Menne.

Sicher gebe es heute schon Menschen, die eine Beziehung zu Gegenständen wie Autos entwickeln können. Zu Robotern, die sich bewegen, die reagieren und Töne von sich geben, kann diese Bindung jedoch intensiver werden. Wie weit sie geht, ist von der Art des Roboters und von der Person selbst abhängig.

Vom reinen emotionalen Aufbau des Menschen her ist es sogar möglich, sich in einen Roboter zu verlieben. „Natürlich sind seine Gefühle und seine Intentionen nur simuliert“, sagt Menne. „Aber das reicht für den Menschen. Er denkt dann, da ist jemand, der ihn versteht und baut die Beziehung auf.“

Zukünftige Forschungen sollen beschreiben, wie Roboter beschaffen sein müssen, damit Personen bedingungslos auf sie hören, ihre Daten aber gleichzeitig geschützt werden. Oder wie die Maschinen sozial interagieren und auf die Gefühle der Menschen angemessen reagieren können – sowohl in ihrem Verhalten, als auch in ihren Aussagen.

Für den kleinen Dino Pleo ist das alles noch zu kompliziert. Er ist inzwischen wieder wach und schlägt seine blauen Augen auf. Jetzt hat er Hunger. Genüsslich schmatzt er, als Isabelle Menne ihm ein Plastikblatt hinhält. Doch Schlucken funktioniert nicht – eben doch nur eine Maschine.

Echte Gefühle für künstliche Wesen?       -  Pleo guckt lieb, ist aber ein Roboter: Isabelle Menne erforscht Wirkungen der Maschinenwesen auf Menschen.
Foto: Daniel Peter | Pleo guckt lieb, ist aber ein Roboter: Isabelle Menne erforscht Wirkungen der Maschinenwesen auf Menschen.
Echte Gefühle für künstliche Wesen?       -  Psychologin Isabelle Menne auf der Couch mit Nao und Pleo: Am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg erforscht sie, wie Menschen auf menschliche und tierische Roboter reagieren.
Foto: Daniel Peter– | Psychologin Isabelle Menne auf der Couch mit Nao und Pleo: Am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg erforscht sie, wie Menschen auf menschliche und tierische Roboter reagieren.
 
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