
Rund 100 Menschen, die Haschisch konsumieren, wandten sich im vergangenen Jahr an die Würzburger Drogenberatungsstelle. Einige wurden vom Gericht geschickt. Bei anderen machten die Eltern oder Lehrer Druck. „Freiwillig kommt fast kein Konsument zu uns“, sagt Holger Faust, Leiter der städtischen Einrichtung. Dennoch hätten einige Kiffer durch den erzwungenen Kontakt zur Drogenberatungsstelle den Impuls bekommen, ihren Cannabiskonsum zu reduzieren. Oder gar ganz aufzuhören.
Dazu gehört Paul (Namen aller Klienten geändert). Der heute 21-Jährige rauchte seinen ersten Joint mit 13 Jahren. Anfangs nur gelegentlich. Doch seit Paul 15 ist, raucht er täglich. Doch inzwischen merkt Paul, dass er auf der Stelle tritt. Sein Studium hat er längst geschmissen, denn er konnte sich nicht aufs Lernen konzentrieren. Mit einem Nebenjob hält er sich gerade so über Wasser.
Konkrete Ziele vereinbaren
Holger Faust bot ihm nach dem ersten Kontakt im November an, ins Beratungsprogramm „Realize it!“ für Cannabiskonsumenten einzusteigen. Seitdem traf er sich schon dreimal mit dem Drogenberater.
Dabei wurden konkrete Ziele vereinbart. „Ich möchte mehr Sport machen“, gilt zum Beispiel nicht. Der Klient muss sich konkret festlegen, wann, wie und mit wem er welchen Sport ausüben will. „Ich möchte immer am Mittwochabend 60 Minuten lang am Main joggen“, wäre ein Beispiel.
Paul wollte lieber an seinem Konsum arbeiten. So nahm er sich vor, im ersten Schritt auf dem Weg zur Abstinenz unter der Woche auf Joints zu verzichten.
Angesichts seines jahrelangen, täglichen Konsums ein ehrgeiziger Plan. An dem Paul zunächst auch scheiterte. Drei Tage hielt er nach dem ersten „Realize it!“-Termin durch. Das waren keine schönen Tage gewesen. Innere Unruhe plagte Paul, er fühlte sich gereizt. Am Abend dauerte es ewig, bis er einschlafen konnte. Doch Paul wollte sich durchbeißen. Im Moment gelingt es ihm tatsächlich, nur noch am Wochenende zu konsumieren. Allmählich kann er auch wieder besser schlafen.
Der Vater will kein Kiffer mehr sein
Chris schafft den Ausstieg nicht so leicht. Der 35-Jährige war vor vier Jahren das erste Mal bei Holger Faust in der Beratung. Jetzt kam er wieder. „Ich bin Vater geworden“, erzählte er. Ein Kind zu haben und zu kiffen, verträgt sich in seinen Augen nicht. Er möchte Verantwortung für seinen Sohn übernehmen, meinte Chris zu seinem Drogenberater. Zum Beispiel möchte er jederzeit sein Kind zum Arzt zu fahren können, wenn es diesem schlecht geht. Momentan wäre Chris dazu nicht in der Lage. Denn abends ist er immer bekifft.
Dieser Klient, so Faust, konsumiert schon seit fast 20 Jahren Cannabis. Er braucht die Droge weil er zu depressiven Verstimmungen neigt und keine Psychopharmaka nehmen will. Weil es dem jungen Vater kaum möglich erscheint, aus eigener Kraft vom Kiffen loszukommen, denkt darüber nach, in eine stationäre Therapieeinrichtung zu gehen.
Nicht alle Klienten wollen abstinent sein
Nicht alle Klienten der Drogenberatungsstelle haben das Ziel, abstinent zu werden. „Das muss man auch nicht, wenn man an ,Realize it!' teilnimmt“, sagt Holger Faust. Das Programm dient dazu, den eigenen Umgang mit Cannabis zu überdenken. Warum kiffe ich? Wann und mit wem kiffe ich? Tue ich es alleine? Welche Funktion hat die Droge? Mit diesen Fragen setzen sich die aktuell elf Teilnehmer an dem Programm in Einzelgesprächen mit den Drogenberatern und teilweise auch in der Gruppe auseinander. Sie sollen erkennen, ob ihr THC-Gebrauch problematisch ist.
Neben „Realize it!“ möchte Holger Faust in diesem Jahr das Präventionsprogramm „Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten“ (FreD) anbieten. Es richtet sich an Jugendliche, die von der Polizei oder in der Schule mit Cannabis erwischt wurden. Sie sollen sich vier Mal für jeweils zwei Stunden in einer Gruppe treffen, um ebenfalls darüber nachzudenken, wann und mit wem sie konsumieren und welchen Stellenwert der Cannabiskonsum hat. Hier geht es vor allem darum, zu verhindern, dass junge Menschen so viel konsumieren, dass sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden.
Ob FreD tatsächlich kommt, hängt von der Finanzierung ab. „Wir sind gerade dabei, Anträge zu schreiben“, sagt Faust.