Der Blick auf Röttingens historisches Zentrum zeigt nicht nur in alten Ansichten, sondern bis heute einen beeindruckenden Mauerring. Was waren die Ursachen für diese enorme Befestigung, die in der Bauzeit und auch danach einen hohen finanziellen Aufwand erforderte?
Ausbau der Mauern und Türme
Eine mittelalterliche Urkunde von 1275 berichtet bereits von einer ersten Ummauerung, doch dürfte der größte Teil der Stadtbefestigung erst nach 1284 bzw. nach 1336 entstanden sein. Im späten Mittelalter, ab 1438, wurde der Mauerring nach Westen erweitert, die Burg Brattenstein – im Merianstich links außen – in die Stadtbefestigung integriert und mit dem Hundheimer- oder Neutor ein gesicherter Ausgang nach Südwesten gebaut. Vom Taubertor bis zum Hundheimer Tor war die Stadt zusätzlich durch die Tauber bzw. einen umlaufenden Ringgraben geschützt. Weitere Zugänge waren nur durch das Tauber-Tor und das Rippacher-Tor möglich. Vor 1600 wurde die Befestigungsanlagen ausgebaut und die Tauberbrücke durch einen eigenen Turm verstärkt.
Recht der Ummauerung
Röttingen war ursprünglich Reichsgut, 1229 erhielten die Hohenlohe einen Teil der Vogtei, der Gerichtshoheit, 1345 wurden Burg und Stadt an das Hochstift Würzburg verkauft, dann mehrfach verpfändet. Die Wehrhoheit lag beim Würzburger Bischof. Mit dem Stadtrecht von 1284 bekam die "civitas", d.h. nunmehr die Stadt Röttingen, endgültig das Recht der Ummauerung – letztendlich mit 14 Türmen –, das Marktrecht mit später zwei Jahrmärkten und das Recht begrenzter Selbstverwaltung mittels der Ratsverfassung.
Zu Verwaltungszwecken, Einzug der Steuern und Ausheben des Militärs wurde die Stadt in vier Viertel, das obere, das untere, das Blasius- und das Marktviertel sowie neun Gassen aufgeteilt. Gelenkt wurde sie von zwei Bürgermeistern, zehn Räten, einem Stadtschreiber und acht Viertelmeistern. Als landesherrlicher Beamter nahm der Schultheiß an den Ratssitzungen teil. In Friedenszeiten standen u.a. drei Torwächter und ein Türmer im Dienst, bei Kriegsgefahr mussten alle Bürger bewaffnet bei Mauerwache und Verteidigung mitwirken.
Fehden gegen Rothenburg
Da der Ort letzter, befestigter Grenzposten gegen die mächtige Reichsstadt Rothenburg war, hatte der Bischof als Landesherr zum Schutz seines Territoriums großes Interesse an der Sicherheit seiner Grenzstadt. Bei den zahlreichen Fehden und Kriegszügen vor und nach 1400 insbesondere gegen Rothenburg war Röttingen regelmäßig Sammelplatz für Truppen und Kriegsmaterial.
Eine Belagerung mit Beschuss der Stadt oder ihre Eroberung ist quellenmäßig nicht belegt, offensichtlich schreckte die Ummauerung ab. Beim Ausbruch des Bauernkriegs im Frühjahr 1525 entschied sich indes der Stadtrat für die Aufständischen, sodass sich die von Rothenburg anrückende "Schwarze Schaar" der Rebellen hier organisieren, ausrüsten und verpflegen konnte.
Im 30-jährigen Krieg kam es mehrfach zu Einquartierungen von kaiserlichen und schwedischen Truppen mit Plünderungen, Schatzungen und Ausbruch von Pest sowie anderen Seuchen. Offensichtlich bot Röttingen größere Sicherheit als benachbarte Orte, denn es suchten hier viele Geistliche Schutz. Im 19. Jahrhundert wurden Teile der Mauern und einige Türme niedergelegt, das Rippacher-Tor wurde 1846 abgerissen, nach 1858 standen noch sieben Türme.
Text: Ulrich Wagner
Der Autor Ulrich Wagner war langjähriger Leiter des Stadtarchivs Würzburg.