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WÜRZBURG
Drei Steine in der Hauswand
Päuschen auf den geheimnisvollen Steinen: Dirk Eujen und Wolfgang Hergenröther.BAST
Foto: Foto: | Päuschen auf den geheimnisvollen Steinen: Dirk Eujen und Wolfgang Hergenröther.BAST
Robert Menschick
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:46 Uhr

Wer sie entdeckt, stutzt. Doch dass man sie entdeckt, ist eher unwahrscheinlich. Wem würde schon auffallen, dass drei Steine am Sockel eines Gebäudes ein wenig weiter vorragen als andere?

Dirk Eujen und Wolfgang Hergenröther fallen diese Steine nicht nur auf, sie wissen auch, dass sich an ihnen ein wichtiges Kapitel der Stadtgeschichte erzählen lässt: Die Steine sind Reste eines ehemaligen Brückengeländers. Damit sie nicht in den Gehweg der Burkarder Straße ragen, aber trotzdem als Erinnerung bleiben, wurden sie in den Sockel des heutigen Bayerischen Verwaltungsgerichts eingemauert.

Was aber hatte eine Brücke an einer Stelle zu suchen, an der es kein Wasser gibt? Und auch keine tieferliegende Straße, über die diese Brücke hätte hinwegführen können? „Früher“, sagt Dirk Eujen, Pensionär der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd, „gab es hier durchaus Wasser. Denn bis in die 1950er-Jahre lief hier der so genannte Umlaufkanal.“ Auch der Teich beim historischen Burkarder Tor ist Teil dieses einstigen Umlaufkanals. Dieser 1675 bis 1680 angelegte Wasserweg lief in einem Tunnel durch den barocken Festungsgürtel.

„Der Kanal ermöglichte es den Mainschiffen, das zum Zwecke eines Mühlenstaus errichtete Streichwehr im Main zu umfahren“, erklärt Eujen. Der Umlaufkanal unterquerte auf seinem Weg zurück zum Main an der Stelle, an der heute die Steine zu sehen sind, die Burkarder Straße. Damit die Schelche mit ihren hohen Masten die Brücke passieren konnten, wurde die Straße höher gelegt.

Seit 1644 staut das lange, schräg durch den Fluss verlaufende Würzburger Streichwehr den Main. „Durch das Anstauen des Wassers entstand eine Höhendifferenz von 1,20 Meter. Die war Voraussetzung für den Antrieb der Mainmühle an der Alten Mainbrücke“, erklärt Eujen den Sinn der Maßnahme. „Der Umlaufkanal hatte im Lauf der Zeit vielfältige Funktionen.“ Zeitweise sei er der Schiffszubringer für einen Festungsaufzug gewesen. Und auch die 1798 gegründete Fürstbischöfliche Schönfärberei habe ihr Betriebswasser aus dem Umlaufkanal geholt. Sie warb mit den Worten: Man „färbt und reinigt nicht nur alle Damen-, Herren- und Kinder-Garderoben, sondern nimmt auch alle Arten von Imprägnierungen gegen Wasser und nicht zuletzt die Eulanisierung gegen Motten vor.“ In der Schönfärberei wurden Lederartikel, Wandbespannungen, Polstermöbel und Ähnliches behandelt. „Und das, womit gerade behandelt wurde, ist über den Umlaufkanal in den Main entsorgt worden. Woraufhin das Gewässer die jeweilige Farbe des Färbemittels annahm.“

Je nach der chemischen Zusammensetzung der Abfallsubstanz „überlebten die Fische gerade noch und konnten später, gebacken oder gesotten, die aufgenommenen Substanzen fördernd weitergeben.“ Das, berichtet Eujen, habe er dem Buch „Würzburg, wie es früher war“ von Jörg Lusin entnommen. An all das erinnern die drei Steine, auf die man sich – auch wenn sie etwas schmal sind – durchaus setzen und über Zeiten nachsinnen kann, als Fische Farbe speisten.

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