Im Garten wird augenfällig, wie eng die weite Welt zusammenrückt. In der Zierpflanzung, auf der Obstwiese und im Gemüsebeet sind Migranten extrem beliebt. Sie sind selbstverständlicher Teil unserer Kultur und fallen als pflanzliche Einwanderer längst nicht mehr auf: Flieder, Löwenmäulchen und Schafgarbe, Tomaten, Topinambur und Mangold kennen wir inzwischen aus dem bayerischen Bauerngarten, aber sie kamen mit etlichen 100 anderen Arten aus aller Welt zu uns und gelten als Neu-Pflanzen, oder Neophyten. Stichjahr dafür ist die Entdeckung Amerikas 1492 durch Kolumbus. Gewächse, die davor zu uns einwanderten, wie Apfel und Walnuss heißen Archäophyten, Alt-Pflanzen. Einheimisch sind sie dennoch nicht.
Unsere Gärten sind also international. Und die weite Welt ist auch das Motto für zwei Themenwochen auf der Landesgartenschau in Würzburg vom Freitag, 27. April, bis Donnerstag, 10. Mai. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Kunst, Kultur und Ausstellungen exotischer Gewächse. Darunter sind ein paar Pflanzen, die zur Region einen ganz besonderen Bezug haben: Blumen, Sträucher und Bäume, die der gebürtige Würzburger Philipp Franz von Siebold im 19. Jahrhundert aus Japan mitbrachte, wo er als Arzt einer holländischen Handelsniederlassung isoliert auf einer Insel arbeitete.
Er sei ein Abenteurer mit breitem wissenschaftlichen Interesse gewesen, sagt Gerd Vogg, Kustos des Botanischen Gartens der Uni Würzburg. Siebolds Problem: Japan schottete sich damals streng ab und verteidigte seine uralte Ordnung vehement gegen die Kolonialmächte. Informationen und Kulturgüter auszuführen, war streng verboten. Der junge Würzburger Arzt tat es trotzdem, wurde allerdings dafür aus Japan verbannt. Er hatte nicht nur Pflanzen, Tiere und geologische Erkenntnisse nach Holland geschickt, sondern auch geografische Karten. Weil er seine Neugier und sein Interesse an der fremden Kultur nicht bezwang, zieren nun beispielsweise Hortensien-, Magnolien- oder Clematisarten, die er mitbrachte, Gärten in Unterfranken.
Die Siebold-Pflanzen spielen bei der Landesgartenschau eine Rolle und besonders im Botanischen Garten, wo zu Ehren des unterfränkischen Gelehrten über 150 dieser Gewächse kultiviert werden – erkennbar am roten Punkt auf dem Infotäfelchen. Zudem zeigen Botanischer Garten und Siebold-Museum bis zum Herbst Fotos, die den Pflanzenzeichnungen nachempfunden sind, die Siebold aus Ostasien mitbrachte (siehe Infokasten).
Was die Siebold-Pflanzen über Garten und Welt erzählen können, wird bei einem Rundgang mit Gerd Vogg durch die Ausstellung im Botanischen Garten erlebbar. Unter einem Blauglockenbaum, vor dem Schneeballstrauch und zwischen japanischen Zedern schildert er Siebold als gewieften Netzwerker, der nicht nur die richtigen Fachleute für seine Forschungen, sondern auch Sponsoren gewann. Geschickt vermarktete er die Mitbringsel aus Japan. Gartenkultur und grüne Exoten hatten damals in Holland und England einen hohen Stellenwert. „Die Holländer schickten auf jedem Kriegsschiff einen Wissenschaftler mit. Und England sandte Pflanzenjäger in alle Welt“, sagt Vogg.
Seine Hortensien, Funkien und Strauchpäonien aus Japan soll Siebold besonders geliebt haben. Und da hatte er wohl einen ähnlichen Geschmack wie Gartenfreundinnen und -freunde heute. Im Botanischen Garten jedenfalls häufen sich um Pfingsten herum die Fragen, ob die Päonien schon blühen. Hortensien gibt es als Discounterware. Und von den Funkien, die sich ursprünglich nur im Schatten wohlfühlten, gibt es inzwischen Züchtungen für viele Ansprüche.
Siebold ging es aber nicht um dekorative Pflanzen für den Garten, sondern um möglichst vielfältige Informationen aus Japan. „Er wollte Japan dazu bringen, sich zu öffnen, und zwar in kooperativer Weise“, sagt Vogg. Der Würzburger Arzt nahm nämlich nicht nur, er brachte auch die europäische Medizin nach Japan. Er sah sich als Vermittler zwischen den Welten. Im Garten jedenfalls war er einer von denen, die die Kulturen zusammen brachten.
Nicht jede Pflanze, die mit ihm nach Europa wanderte, gedeiht im mainfränkischen Klima. Manche, wie die Wollmispel, muss im Kübel gepäppelt und im Winter vor Frost geschützt werden. Und nicht jedes Gewächs aus seinem Gepäck ist wirklich willkommen. Die hübsche, rosafarbene Kartoffelrose ist anspruchslos und deshalb beliebt, aber wehe, wenn sie ohne gärtnerische Aufsicht wächst. Dann wuchert sie wild alles zu. Und der japanische Staudenknöterich beispielsweise gilt geradezu als Problempflanze, die alles andere verdrängt.
Zu den Neubürgern im Beet, egal, ob sie nun Siebold mitgebracht hat, oder ob sie auf anderem Weg kamen, hat Fachmann Vogg jedoch eine gelassene Einstellung. „Im Garten haben wir sehr, sehr viele Exoten. Es stellt sich gar nicht mehr die Frage, wo sie herkommen“, sagt er. Wer bedenke schon, dass etwa die Sonnenblume, die kleine Kinder fast reflexhaft als Blume malen, aus Nordamerika komme. Die grünen Migranten sind integriert. Und manche sind eben nicht die reine Zierde, sondern können auch eine Plage sein.
Bei der Landesgartenschau können die Gäste während der internationalen Wochen nicht nur die Schönheiten fremder Pflanzen wie der Hortensien, die Siebold nach Europa gebracht hat, und die Kultur der weiten Welt genießen. Es gibt auch Veranstaltungen zu Wissensthemen wie Klimaschutz, „Von Naturvölkern lernen“ oder „Nachhaltig konsumieren“, die einen internationalen Bezug haben. Und schließlich gibt es noch den interkulturellen Garten, in dem nicht nur pflanzliche Migranten wachsen, sondern den Menschen aus vieler Herren Länder mitgestaltet haben.
Internationale Wochen auf der Landesgartenschau
„Erkunden wir den Globus“ ist das Motto vom Freitag, 27. April, bis Donnerstag, 10. Mai, auf der Landesgartenschau in Würzburg. Während dieser Themenwochen gibt es neben einer imaginären Reise in ferne Länder in Form von exotischen Gewürzen, Früchten, Blüten und Ziergewächsen in der Blumenhalle ein Begleitprogramm mit Musik, Brauchtum und Mitmachaktionen, die die weite Welt näher nach Würzburg bringen wollen.
Die Partnerstädte präsentieren die Verbundenheit mit Mainfranken während der beiden Wochen durch allerhand Veranstaltungen. Dabei ist beispielsweise eine japanische Teezeremonie und viel Musik unter anderem aus Spanien, Kanada, Schweden, Irland, und Polen.
Der israelische Lyriker Jehuda Amichai, der aus Würzburg stammte, wird am Samstag, 28. April, ab 16 Uhr auf der Bühne am Belvedere vorgestellt. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Würzburg liest ein Buch“ lesen Passagen aus seinem autobiografischen Roman „Nicht von jetzt, nicht von hier“, der in Würzburg und Jerusalem spielt. Auf der WVV-Bühne gibt es zur selben Zeit südamerikanische Folklore.
Beim Maifest am Dienstag, 1. Mai, ist während des ganzen Tages internationaler Tanz in den Mai. Unter anderem gibt es ein arabisches Märchen als Improvisationstheater.
Der Botanische Garten der Würzburger Uni (Julius-von-Sachs-Platz 4) zeigt bis zum Sonntag, 30. September, eine Ausstellung des Fotografen Günter Beck. Er stellte die Zeichnungen des Würzburger Wissenschaftlers Philipp Franz von Siebold mit echten Pflanzen für seine Bilder nach. Siebold beschrieb im 19. Jahrhundert zusammen mit dem Münchner Botaniker Joseph Gerhard Zuccarini viele ostasiatische Pflanzenarten zum ersten Mal und ließ japanische Künstler Zeichnungen anfertigen. Außerdem führte er eine Reihe Pflanzen in Europa ein, beispielsweise Hortensien, Funkien oder Fetthenne. Im Siebold-Museum (auf dem ehemaligen Bürgerbräugelände in der Frankfurter Straße 87) stellt Günter Beck bis Freitag, 27. Juli, ebenfalls Fotos aus.
Wissenswertes über internationale Pflanzen, die in heimische Gärten integriert sind, gibt es auf dieser Homepage: www.lfu.bayern.de bea