Der neue „Aktionsplan Inklusion“ stützt sich auf die reichen Erfahrungen von Menschen, die mit ganz unterschiedlichen Einschränkungen in der Stadt Würzburg wohnen, leben und arbeiten. Er ist mit 250 Seiten ein gewichtiges Werk mit einem großen Ziel. „Für alle Menschen in der Stadt soll das Leben barrierefrei werden, damit jeder aktiv an der Gesellschaft teilhaben kann“, sagte Oberbürgermeister Christian Schuchardt bei der öffentlichen Präsentation des Plans am Dienstagnachmittag im Ratssaal.
Jahrzehntelang blieb unhinterfragt und unwidersprochen, dass Menschen mit einem Handicap auf besondere Weise behandelt werden „müssen“. Sie gingen auf besondere Schulen – nicht dorthin, wo der Nachbarsjunge unterrichtet wurde. Sie arbeiteten in besonderen Werkstätten – nicht dort, wo Bekannte und Freunde einkaufen, Dienstleistungen abrufen oder als Kollegen anzutreffen sind.
Bis heute bleiben viele erwachsene Menschen mit Behinderung zu Hause bei ihren Eltern, weil die einzige Alternative angesichts der Wohnungsnot und der mangelhaften Förderung alternativer ambulanter Wohnprojekte das Heim wäre – wohin sie auf keinen Fall wollen. Durch die UN-Behindertenkonvention wandelte sich zwar das Denken über den Umgang mit Beeinträchtigungen radikal.
Wobei es, wie der Aktionsplan aufzeigt, noch sehr viele Barrieren gibt. Auch solche, die noch gar nicht im Bewusstsein sind. Der Prozess „Inklusion“ in der Stadt Würzburg wird darum nie vollendet sein. „Viele Maßnahmen, die im Plan aufgelistet sind, tragen den Hinweis 'fortlaufend’“, bestätigte Sozialreferent Robert Scheller. „Die Fachkompetenz der selbst Betroffenen ist weiter gefragt“, ergänzte Karl-Heinz Marx, der Kommunale Behindertenbeauftragte. Für ihn ist durch die zweijährige Erstellung des Aktionsplans lediglich „ein Zwischenziel erreicht“. Seine große Hoffnung ist es, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung endlich aus ihrer „Sonderrolle“ schlüpfen können und sich nicht mehr als Bittsteller fühlen müssen. Was den Plan betrifft, unterstrich er: „Darin stehen keine exotischen Wünsche.“
In Deutschland mache sich Politikmüdigkeit breit, weswegen es unangebrachter denn je sei, Menschen mit einer Behinderung durch Barrieren von ihrem aktiven und passiven Wahlrecht auszuschließen, betonte Bayerns Behindertenbeauftragte Irmgard Badura. Von allen Würzburgerinnen und Würzburgern mit einer Einschränkung wünschte sie eine stärkere politische Beteiligung: „Und zwar auch außerhalb der sozialen Ecke.“ Würden Behinderte politisch aktiv, würden sie sich meist für Fortschritte in der Behinderten- und Sozialpolitik engagieren: „Doch sie sollten sich mehr Themen zu eigen machen.“ Kommunale Aktionspläne gäben hierzu Anstöße.
Kommunen könnten ihre beschränkte Zuständigkeit als Alibi nehmen, um die Augen vor Barrieren im Alltag behinderter Menschen zu verschließen. Doch genau das geschah beim Würzburger Aktionsplan nicht. Viele Maßnahmen richten sich auch an den Bezirk Unterfranken, an den Freistaat, die Bundesregierung, an Wohlfahrtsverbände oder Arbeitgeber, zeigte Sabine Wenn von der Münchner Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Altersforschung auf.
Eben das macht die Umsetzung so diffizil. Ohne Partner, die sich ebenso stark wie die Stadt für Inklusion engagieren wollen, ist ein großer Teil der 180 Maßnahmen nicht umsetzbar. So kann die Stadt alleine unmöglich die brisante Wohnungsnot von Menschen mit Handicap beheben. Auch wird sie es nicht alleine schaffen, dass beeinträchtigte Männer und Frauen gute inklusive Arbeitsplätze erhalten.