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TAUBERRETTERSHEIM
Die Villa und die Vorschriften
Umstritten: Die Villa der Bürgermeistertocher am Karlsbergweg in Tauberrettersheim stößt vielen sauer auf.
Foto: Thomas Fritz | Umstritten: Die Villa der Bürgermeistertocher am Karlsbergweg in Tauberrettersheim stößt vielen sauer auf.
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:40 Uhr

Der Blick aufs Taubertal und die Weinberge ist herrlich. Am Karlsbergweg in Tauberrettersheim besitzt Bürgermeister Hermann Öchsner ein rund drei Hektar großes Grundstück. Auf einer Teilfläche davon baut gerade seine Tochter eine toskanische Villa. Das Landratsamt hat ihr die Genehmigung erteilt, an einer der schönsten Stellen im Taubertal ein Wohnhaus im Außenbereich zu bauen. „Das geht gar nicht“, sagt der Würzburger Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Professor Hans-Benno Ulbrich.

„Anders als in Italien, wo gezielt zersiedelte Gebiete entstanden sind, soll dies in Deutschland verhindert werden,“ sagt Ulbrich. So sei Paragraph 35 bewusst ins Baugesetzbuch (BauGB) aufgenommen worden, um genau dieser Siedlungspolitik entgegenzuwirken. Das Landratsamt hat das Wohnhaus der Bürgermeistertochter in Tauberrettersheim als sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach Paragraph 35, Absatz 2 des BauGB genehmigt. Die Begründung: „Neben dem Wohnhaus ist ein Pferdestall geplant. Und dieser gehört allein schon wegen der Immissionen in den Außenbereich“, so Michael Pahlke, Leiter der Bauabteilung im Würzburger Landratsamt.

Hans-Benno Ulbrich ist seit mehr als 40 Jahren im Beruf. An der Fachhochschule lehrt er jungen Architekten das Baurecht. Und Ulbrich vertritt in Bausachen öfter die Stadt Würzburg. „Eine Genehmigung für sonstige Vorhaben im Außenbereich habe ich noch nie durchbekommen“, sagt er. Sogar bis vors Bundesverwaltungsgericht ist ein Würzburger Bauwerber gezogen, um für ein Haus im oberen Steinbachtal eine Baugenehmigung für den Außenbereich zu bekommen. Ohne Erfolg. Dabei ist das Obere Steinbachtal komplett bebaut.

Umso unverständlicher sei die freizügige Art, wie das Würzburger Landratsamt mit Genehmigungen für den Außenbereich umgeht. Denn eine solche darf nur erteilt werden, wenn sonstige Bauvorhaben im Außenbereich keine öffentlichen Belange beeinträchtigen und die Erschließung gesichert ist, so das Gesetz. Dazu zählen auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Auch darf die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert weder beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet werden, heißt es im Baugesetzbuch.

„Hinter dem Wohnhaus gibt es Streuobstbestände. Da gehen Leute spazieren. Durch die Villa, die ja im ehemaligen Landschaftsschutzgebiet gebaut wird, ist auf jeden Fall der Erholungswert beeinträchtigt“, sagt Baurechts-Professor Ulbrich. „Dass das Landratsamt da mitmacht, ist schon haarsträubend“, so der Anwalt weiter. Er könne auch nicht verstehen, warum der Bund Naturschutz und die Naturschutzbehörde beim Landratsamt nichts dagegen unternommen habe.

Dazu Michael Pahlke: „Das Orts- und Landschaftsbild ist durch das Vorhaben Öchsner in keiner Weise beeinträchtigt. Gleiches gilt für den Erholungswert des entsprechenden Gebietes.“ Der Bund Naturschutz (BN) sieht dies anders. „Aus unserer Sicht beeinträchtigt eine derartige Baumaßnahme an dieser Stelle die natürliche Eigenart der Landschaft durchaus. Auch sehen wir das Landschaftsbild verunstaltet“, schreibt Steffen Jodl, Geschäftsführer der Kreisgruppe Würzburg im BN in einer Stellungnahme.

Seiner Meinung nach hätte damit das Bauvorhaben nicht genehmigt werden dürfen. Als es vor 14 Jahren im Kreisausschuss um die Frage ging, ob das drei Hektar große Grundstück von Hermann Öchsner aus dem Landschaftsschutzgebiet genommen werden soll, weil hier unter anderem eine Seniorenresidenz geplant sei, hatte der Naturschutzbeirat des Landkreises bereits erhebliche Bedenken geäußert. Denn in dem betroffenen Gebiet wurden auch Vogelarten festgestellt, die von überregionaler Bedeutung und als bedrohte Arten in der Roten Listen aufgeführt sind und damit unter besonderem Schutz stehen.

„Diese Bedenken spielten für die Genehmigung keine Rolle“, so Pahlke. Denn die Naturschutzkraft der Unteren Naturschutzbehörde habe das Vorhaben geprüft und festgestellt, dass es außerhalb des Landschaftsschutzgebietes und der Natura-2000-Gebiete liegt. „Das Wohnhaus beeinträchtigt keine Vogelarten“, so der Leiter der Bauabteilung im Landratsamt.

Fraglich ist auch, ob die Villa nicht doch noch im Landschaftsschutzgebiet liegt. Der Kreistag hat zwar 2000 die Herausnahme der Fläche beschlossen. Allerdings mit dem Wissen, dass dort eine Seniorenresidenz gebaut werden soll – und damit die Zukunft Tauberrettersheims verbunden ist. „Für ein Wohnhaus hätte ich nicht die Hand gehoben“, sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Paul Lehrieder, der sich damals für die Herausnahme aus dem Schutzgebiet stark gemacht hatte.

Auch im Flächennutzungsplan von 1991 ist die Fläche, auf der die Villa steht, weiter als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. „Die Fläche ist rechtlich kein Landschaftsschutzgebiet mehr; es kommt auf die materielle Rechtslage und nicht auf überholte Flächennutzungspläne an“, sagt Michael Pahlke dazu.

Professor Ulbrich sieht dies anders: „Der Kreistagsbeschluss für die Herausnahme war zweckgebunden. Das Gebiet wurde für ein Altenheim heraus genommen, nicht für ein Einfamilienhaus.“ Somit habe sich an der Begründung für das Landschaftsschutzgebiet nichts geändert. Und auf noch etwas weist Ulbrich hin: Mit der Baugenehmigung für das Wohnhaus am Karlsbergweg sei anderen Bauvorhaben auf dem schön gelegenen Bürgermeistergrundstück Tür und Tor geöffnet. „Es gilt gleiches Recht für alle.“

Im Landratsamt drückt man sich vor der Antwort auf die Frage, wie weitere Bauvorhaben dort verhindert werden könnten. „Es liegen keine weiteren Bauanträge vor; die Frage stellt sich für das Landratsamt nicht“, so Michael Pahlke.

 
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