Der kurze graue Zopf wippt über dem Ohr. Der rechte Arm schwingt nach hinten, der linke holt vorne Schwung. Katrin Joachimsthaler richtet in einer fließenden Bewegung ihren Oberkörper auf, schon heben sich die weißen Schlittschuhe vom Eis. Ein Sprung – Katrin Joachimsthaler dreht sich in der Luft, strahlt. Nur Sekunden später treffen die Kufen wieder auf die glatte Fläche. Die 57-Jährige geht in die Knie und verliert für einen Moment das Gleichgewicht. „Lockere Sprünge schaffe ich noch viel zu selten“, sagt Joachimsthaler und fährt sich mit der Handschuhhand kurz durch die Haare. Aufstehen, Eiskristalle von der Hose klopfen. Weiter geht's.
Training für die Leichtigkeit in der Luft
Jeden Tag ist Katrin Joachimsthaler auf dem Eis, drei Stunden lang, den ganzen Winter über. „Ich bin Perfektionistin“, sagt sie. „Das Gefühl, sich schwerelos zu drehen, das ist es.“ Für die kurzen Momente in der Luft, für die Leichtigkeit beim Sprung – genau dafür trainiert sie, immer und immer wieder.
Dabei hat die gebürtige Würzburgerin ihre Begeisterung für das Eislaufen erst spät entdeckt. Nach Karate und Windsurfen war es 2010 die dritte Sportart, die sie zu ihrem Lebensmittelpunkt machte. Wie es dazu kam? „Es war Winter und für mich zu kalt zum Joggen“, sagt die 57-Jährige. Deshalb schnürte sie statt der Lauf- eben erstmals die Schlittschuhe und stakste unsicher über ein gefrorenes Becken in Waldbüttelbrunn.
Spätberufene Autodidaktin
Heute, sechs Jahre später, scheinen ihre Füße ganz von selbst über die Würzburger Eisbahn zu gleiten. „Das meiste habe ich mir selbst beigebracht“, sagt Katrin Joachimsthaler. Stundenlang schaute sie Videos an, analysierte Bewegungen in Zeitlupe. Irgendwann reichte ihr das nicht mehr: Im Olympia-Eissport-Zentrum in Garmisch-Partenkirchen nahm sie ihre ersten Trainerstunden. Der Unterricht sei eine Enttäuschung gewesen – zumindest für ihre Ambitionen. „Die Trainerin sagte, wenn ich als Kind zu ihr gekommen wäre, wäre ich weit gekommen.
“ Ja, mit 57 Jahren sei sie zwar „schon recht alt“. Für sie kein Grund, nicht ehrgeizig zu sein: „Ich will wissen, wie viel ich noch lernen kann.“
Deshalb übt sie jeden Tag, angetrieben vom eigenen Anspruch. „Am schwierigsten ist es, die eigene Mitte zu finden“, meint die Würzburgerin. In weiten Bögen zieht sie über die Fläche, wechselt fließend von vorwärts zu rückwärts. Nur wenige andere Läufer sind an diesem Nachmittag auf der Bahn am Nigglweg mit auf dem Eis. Katrin Joachimsthaler nimmt sie kaum wahr.
„Wenn man es richtig macht, ist es wie Fliegen“
Sie holt mit den Armen erneut Schwung, atmet ein und springt ab. Dieses Mal landet sie sicher auf den Kufen. „Wenn man es richtig macht, ist es wie Fliegen“, sagt die 57-Jährige lachend. „Und vergleichbar mit Windsurfen.“
Das stand vor dem Schlittschuhfahren 25 Jahre lang für sie im Mittelpunkt. Statt nach dem Staatsexamen als Juristin zu arbeiten, zog es die Würzburgerin ans Meer, in die Wellen. Sie verbrachte das halbe Jahr in Spanien, verdiente ihr Geld mit Gelegenheitsjobs, etwa bei Surf-Stunts für eine Fernsehproduktion in Kenia. „Weil ich groß bin und breite Schultern habe, habe ich damals einen jungen Mann gedoubelt“, erzählt sie. Auf dem Eis wirkt sie in ihrer schwarzen engen Hose und dem roten Rollkragenpulli eher zierlich und schmal. Ihr großes Ziel: der Doppelaxel. Der schwierigste Sprung im Eiskunstlauf.
In der Fläche fehlen Trainingsmöglichkeiten
Vermessen? Eiskunstlaufen sei eine technisch-kompositorische Sportart, sagt Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union. Man brauche ein hohes Maß an Koordination, das lasse sich „am besten in jungen Jahren schulen“. Anders als beispielsweise im Fußball gibt es längst nicht überall Trainingsmöglichkeiten. „Wir haben deutliche Probleme, genügend Nachwuchssportler dem Leistungssport zuzuführen“, sagt Dönsdorf. Insgesamt zählt die Eislauf-Union bundesweit etwa 180 Eislaufvereine, in Bayern um die 60.
In den Schweinfurter Eislauf- und Rollschuh-Verein einzutreten, hat sich Katrin Joachimsthaler kurz überlegt. Nach der Erfahrung in Garmisch-Partenkirchen wollte sie nicht mehr. Lange Zeit versuchte sie zu beweisen, dass man Eiskunstlaufen auch ohne die „allerbesten Trainer und viel Geld“ lernen kann.
Fortschritte mit Trainer
Bis zu diesem Winter. Gerade hat sie ihre ersten beiden Stunden bei einem Würzburger Lehrer absolviert. Mit Begeisterung und erfolgreich. „Ich kann ihn nur loben“, sagt Joachimsthaler, zufrieden mit den eigenen Fortschritten. Bis zum Ende der Saison will sie nun mit professioneller Hilfe trainieren. Und so zieht sie auf der Eisbahn in Würzburg weiter Tag für Tag ihre Bahnen. Die Emotionen in ihrem Gesicht wechseln so schnell wie die Schrittfolgen einer Profi-Kür. Mal presst sie die Lippen zusammen, unzufrieden und verärgert über einen wackeligen Sprung. Gleich darauf, nach einer geglückten Pirouette, kräuseln sich kleine Lachfalten um die Augen.
Die passionierte Sportlerin, die in Waldbüttelbrunn lebt und für ein Orthopädiefachgeschäft arbeitet, widmet auch in den Sommermonaten all ihre Konzentration dem Eislaufen: Jahr für Jahr fährt sie nach Garmisch-Partenkirchen, um in der Halle zu trainieren. Oder sie probiert zu Hause auf dem Teppichboden vor dem Fernseher Sprünge. „Sonst würde ich mich das auf dem Eis niemals trauen.“ Ob sie davon träumt, irgendwann doch Wettkämpfe zu laufen? Nein, sagt die 57-Jährige. „Ich mache das für mich.“ Einmal in Kanada auf dem Eis stehen, das würde sie gerne.
„Eisprinzessin nennen sie mich hier manchmal“
Noch dreht sie ihre täglichen Runden in Würzburg. Bei Eismeistern und Schlittschuh-Verleihern ist die 57-Jährige mit dem grauen Zöpfchen längst bekannt. „Eisprinzessin nennen sie mich hier manchmal“, grinst Joachimsthaler. Was die anderen von ihrem Eifer denken, ist ihr egal. Ihre Leistung nicht. Wieder und wieder übt sie den gleichen Sprung. Blaue Knie und Ellbogen gehören dazu, denn: „Ich weiß, dass ich es irgendwann noch hinkriege.“
Eisbahn Würzburg Zellerau
Die Würzburger Eisbahn neben dem Erlebnisbad Nautiland ist von Montag bis Sonntag geöffnet. Die Laufzeiten für die Öffentlichkeit beginnen meist um 9 Uhr und enden am späten Nachmittag beziehungsweise mittwochs um 21.15 Uhr sowie freitags und am Wochenende um 22 Uhr. Einmal im Monat bieten die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH eine Eisbahndisco an. Regulär kosten zwei Stunden auf dem Eis für Erwachsene 4 Euro. Schlittschuhe können für 3 Euro ausgeliehen werden. www.wvv.de
Eishalle Schweinfurt
In Schweinfurt können Schlittschuhläufer in der Halle in der Willi-Kaidel-Straße 3 meist ab 10 Uhr, samstags erst nachmittags, sonntags ab 9.30 Uhr über das Eis gleiten. Der Eislauf- und Rollschuh-Verein Schweinfurt bietet nach eigenen Angaben Kurse für Kinder, Anfänger und Fortgeschrittene an. Erwachsene zahlen pro Laufzeit 3 Euro, Schlittschuhe können ebenfalls für 3 Euro ausgeliehen werden. www.ervsw.de
Eissporthalle Bad Kissingen
Die Eissporthalle in Bad Kissingen (Oskar-von-Miller-Straße 9) ist von Mitte Oktober bis Mitte März geöffnet. Beginn der Eislaufzeit ist um 14.30 Uhr, am Samstag um 13.30 Uhr und am Sonntag bereits um 9.30 Uhr. Montags ist die Halle für die Öffentlichkeit geschlossen, allerdings werden dann vom Ski-Club Bad Kissingen Training und Kurse im Eiskunstlaufen angeboten. Der Eintritt in die Halle kostet 4 Euro (Erwachsene), Schlittschuhe gibt es für 3 Euro auszuleihen. www.badkissingen.de Eissportstadion Haßfurt
Das Haßfurter Eissportstadion öffnet seine 1800 Quadratmeter große Eisfläche von Donnerstag bis Sonntag für die Öffentlichkeit. Schlittschuhläufer können jeweils ab 14 Uhr aufs Eis, am Sonntag ab 9 Uhr. 1,5 Stunden im Stadion kosten für Erwachsene 3,50 Euro, so viel zahlen Gäste auch für den Verleih von Schlittschuhen. www.stadtwerkhassfurt.de/eissportstadion
Eissporthalle Aschaffenburg
In Aschaffenburg kann in der Eissporthalle in der Stadtbadstraße 7 täglich ab 10 Uhr (Ausnahme ist der Ruhetag Montag) übers Eis geglitten werden. Die Eisfläche misst nach Angaben der Betreiber 30 mal 60 Meter, am Freitagabend findet eine Eisdisco statt. Der Eintritt kostet für Erwachsene 4,50 Euro, Schlittschuhe gibt es für 4 Euro auszuleihen. www.freizeitwelt-aschaffenburg.de