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Würzburg
Die Tafel als ehrenamtliches Großunternehmen: Damit Bedürftige täglich Essen haben
Die Tafel Würzburg sammelt und verteilt jedes Jahr etwa 300 000 Kilogramm Lebensmittel. Wie die rund 160 Aktiven jährlich mehr als 18 000 Ehrenamtsstunden leisten.
An der Gemüsetheke der Würzburger Tafel (von links): Anita Klaes, Hildegard Mauersberger, Maria Pfeufer, Traudel Nusser, Ruth Pabst und Waltraud Martin.
Foto: Tafel Würzburg | An der Gemüsetheke der Würzburger Tafel (von links): Anita Klaes, Hildegard Mauersberger, Maria Pfeufer, Traudel Nusser, Ruth Pabst und Waltraud Martin.
Sabine Dähn-Siegel
Sabine Dähn-Siegel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:08 Uhr

An einem Freitag vor wenigen Wochen stand unerwartet eine Großlieferung im Tafelladen in der Würzburger Zellerau: über 1000 kleine Eier, gelegt von Junghennen. Also hieß es, zusätzlich zu den üblichen Aufgaben Ware in zweckdienliche Behältnisse verpacken. Vorsichtig und schnell, denn kurz darauf wurde die Ladentür aufgesperrt. „Aber da wir ein gutes Team sind, packen wir auch solche Fälle. Am Abend war alles weg, auch die Eier“, berichtet Hildegard Mauersberger lebhaft von ihrem Tafeldienst. Der verrät enormes bürgerschaftliches Engagement, mit Anteilnahme, mit Einsatz für Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Und mit der Organisation namens Tafel Würzburg e.V., die seit über 20 Jahren konkret und unbürokratisch Hilfe für Menschen in Not leistet.

„Lebensmittel- und Sachspenden einsammeln und an karitative Einrichtungen und nachweislich Bedürftige weiterleiten“, umreißt Andreas Mensing die Aufgabe der Tafel. Der ehemalige Ingenieur ist seit seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben im 240 Mitglieder starken Verein aktiv, seit sieben Jahren im Vorstand. Mit der Leitung der Tafel, die mit einem Unternehmen vergleichbar ist, hat er einen zeitintensiven und herausfordernden „Job“ übernommen: An die 15 Stunden wöchentlich organisiert und koordiniert er vorrangig den Einsatz der gut 160 Aktiven.

Im Durchschnitt weit über 70 Jahre alt – „unsere Älteste ist 86“ –, leisten sie freiwillig und unbezahlt zum Wohl von über 900 Bedürftigen und ihren Familien jährlich mehr als 18 000 Ehrenamtsstunden für und in der Tafel. Wie intensiv und in welchem Bereich (Fahren und Einsammeln, Sortieren und Ausgeben) sich die oder der Einzelne einbringt, bestimmt jeder selbst. „Egal ob 14-tägig oder mehrmals wöchentlich, wichtig ist uns vor allem, dass die Dienste zuverlässig ausgeübt werden. Aber in puncto Pflichtbewusstsein gibt es kaum mal Probleme“, berichtet Mensing.

Schwieriger wird es mitunter, die Sammeltouren zu organisieren. Alle vier, jeweils mit zwei Personen besetzte Kühlfahrzeuge sind an 50 Wochen im Jahr – pausiert wird zwischen Weihnachten und Dreikönig – werktäglich ab 7.30 Uhr in der Region unterwegs, um dann den ganzen Vormittag lang die Lebensmittelspenden einzusammeln. „Ein echter Knochenjob, den unsere Ehrenamtlichen da verrichten“, weiß der Vereinsvorstand aus eigener Erfahrung.

Tafel-Dienst ist ein Knochenjob

Fahrer und Beifahrer – derzeit oft einer der aktuell fünf Tafel-„Bufdis“ – sortieren die meist schon bereitgestellten Kisten vor, um tatsächlich nur qualitativ noch einwandfreie Ware vom Lagerplatz in den Wagen zu verfrachten. „Im Durchschnitt der letzten Jahre kommen wir locker auf 300 000 Kilogramm Lebensmittel im Jahr, die unsere Teams bei einer Vielzahl von Lebensmittelgeschäften und -großhandlungen, Bäckereien, mitunter auch bei Privatleuten einsammeln und dann am Tafelladen wieder ausladen.“

Dort übernimmt die in der Regel zehnköpfige Frauengruppe der Tafelhelferinnen das weitere Sortieren: Ware, die an die rund 300 Abholer, darunter Organisationen wie Bahnhofsmission, Obdachlosenheim, Wärmestube, Ebracher Schwestern, weitergeleitet wird. Ware für Tafelkunden, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ihr Zuhause nicht verlassen können und beliefert werden.

Einkaufen für einen symbolischen Preis

Vor allem aber Ware für die Bedürftigen, die eine der wöchentlich je einmal geöffneten fünf Ausgabestellen in der Stadt oder den Zellerauer Laden nutzen, der an drei Nachmittagen pro Woche seine Tür aufsperrt. Anders ausgedrückt: Ware für Menschen, die zum symbolischen Preis von zwei Euro einmal in der Woche Lebensmittel von Backwaren über Eier, Obst und Gemüse bis zu Getränken und Kühlwaren einkaufen, wie die Mitarbeitenden selbst sagen.

Voraussetzung dafür ist ein Tafelausweis, den nur erhält, wer seine Bedürftigkeit gemäß den Auflagen der Hartz-IV-Gesetze oder dem Sozialgesetzbuch II nachweist. „Auf dem Ausweis vermerken wir die Gültigkeitsdauer und die Anzahl der Familienmitglieder, weil sich nach ihr die Einkaufsmenge richtet“, berichtet Hildegard Mauersberger, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Tafel.

Gerechtigkeit wird groß geschrieben

Ein großes Anliegen sei dem Team das gerechte Verteilen, weshalb Extras notiert und die Einkaufszeiten zugeteilt werden. „So entstehen keine Wartezeiten und jeder ist mal in der ersten und der letzten Gruppe. Jeder hat mal die Chance auf Waren wie Kaffee, Tee oder Sanitärartikel, die nicht zum üblichen Spendensortiment der Händler gehören, das sich nach Frische und Haltbarkeitsdatum richtet. Solche Extra-Sachen oder Geld, um sie zu kaufen, erhalten wir aber immer mal wieder von Privatleuten.“

Für wen der Einkauf im Tafelladen lebenswichtige Normalität ist, den freuen solche unerwarteten Zuwendungen besonders. „Und das zeigen uns die Menschen oft auch“, so Mauersberger, die über viele bewegende Momente zu berichten weiß. Auslöser ist mal ein Blumenstrauß, mit dem Bedürftige ein bisschen Farbe in ihre Wohnung tragen können. Mal ein Eis, das die Augen der Kinder strahlen lässt. „Mal konnten wir sogar mit nagelneuen Schultaschen Erstklässler beglücken.“

Gelegentlich auch unerfreuliche Begegnungen

Szenen, die auch über gelegentliche unerfreulichere Begegnungen oder vereinzelt zutage tretendes Anspruchsdenken der Kundschaft – „habt ihr keine Krabben?“ – hinwegsehen lassen. „Dass wir alle hier freiwillig und unentgeltlich unsere Freizeit einbringen, ist für manchen genauso wenig fassbar wie die Tatsache, dass die gesamte Arbeit der Tafel durch Sponsoren und Mitglieder ermöglicht wird.“ Laden- und Lagermiete, Strom, Nebenkosten, Fahrzeugunterhalt, Benzin, Reparaturen – „alles wird seit mehr als 20 Jahren durch Spenden und die Beiträge der Vereinsmitglieder finanziert“, unterstreicht Mensing. Arbeit, die dringend gebraucht wird. Nicht grundlos hat sich die ursprünglich private Initiative aus kleinen Anfängen 1999 zu einem Verein mit steigender Mitgliederzahl, mit über zwei Dritteln regelmäßig aktiver Männer und Frauen entwickelt.

Dass es dieses wichtige soziale Engagement in diesem enormen Umfang gibt, ist nicht zuletzt dem guten Miteinander, der freund(schaft)lichen Atmosphäre untereinander zu verdanken. „Klima“ ist nach Ansicht von Hildegard Mauersberger „das Allerwichtigste. Und so anstrengend die Tafel-Dienste auch sind, das Klima ist bei uns toll.“

 
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