
Mit der Form des Romans hat sich der russische Erzähler und Theaterautor Anton Čechov zeitlebens (1860-1904) schwer getan. So wurde auch aus dem von seinen Freunden erbetenen Romanprojekt "Die Steppe" lediglich eine längere Erzählung bzw. einer von den sieben "kleinen Romanen", die eine Ausnahmestellung im Werk Čechovs einnehmen. Der umtriebige Regisseur Jannik Pitt hat die knapp 200 Seiten für die Bühne bearbeitet und mit vier Darstellern in der Würzburger Theaterwerksatt inszeniert.
Erzählt wird die Geschichte einer Reisegruppe, die mit einer altersschwachen Kutsche von einem Provinznest in die nächste größere Stadt fährt. Dort soll der Junge Egoruška auf Wunsch seiner Mutter das Gymnasium besuchen. Die beiden Mitreisenden sind sein Onkel, der Geschäftsmann Ivan Ivanyč Kuzmičov (Hans Bischoff), und der Geistliche Christofor Sirikskij (Katharina Schmelter) sowie der Kutscher Deniska (Jennifer Seeger). Auf ihrer Fahrt durch die karge Steppenlandschaft treffen sie die eigenwilligsten Menschen: den Gastwirt Mojseij Mojseič und seinen zwielichtigen Bruder Salomon, die vornehme Gräfin Draničkaja, Bauern, Schnitter und anderes Volk, das die Landstraße bevölkert.

Der Junge Egoruška ist die einzige durchgängige Figur, von Finja Sigmund einfühlsam an der Grenze vom Kind zum Jugendlichen gezeichnet. Die drei anderen Darsteller wechseln immer wieder und blitzschnell, nur durch kleine Requisiten wie Hut oder Mantel verändert, die Rollen. Es sind enorme Flexibilität und hohe Konzentration, die den Schauspielern von der Regie abverlangt werden, die aber Katharina Schmelter, Jennifer Seeger und Hans Bischoff mit Bravour meistern, auch wenn sie dabei manchesmal gegen die nicht ganz nachvollziehbare Musikauswahl des Soundtracks anspielen müssen.
Eindringliche Geräuschkulisse
Die eigentliche, wenn auch nur imaginäre Hauptfigur ist die "Steppe", die in Čechovs Text in großartigen Natur- und Landschaftsbeschreibung überaus expressiv gezeichnet wird. Die entsprechenden Passagen werden wiederum vom Darsteller-Trio von einem am Bühnenrand stehenden Mikrophon eingesprochen und verschmelzen mit dem aus erntereifen Maisstauden umrahmten Bühnenbild von Markus Rakowsky, Eve Sava-Halbig und Lisa Schopf zu einem gelungenen Gesamtkunstwerk. Vervollständigt wird diese dichte Atmosphäre durch die eindringliche Geräuschkulisse, sowie die perfekt passende Lichtgestaltung von Benedikt Issing. Ein multimediales Bühnenereignis ganz in der Tradition des vor elf Jahren verstorbenen Theaterwerkstatt-Gründers Wolfgang Schulz. Absolut sehenswert!
Auf dem Spielplan bis zum 9. Dezember. Karten unter Tel.: (0931) 59400.
