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OCHSENFURT
Die Stadt aus der Türmerperspektive
Ausgerechnet den Tag des Weins hatten sich die Ochsenfurter Stadtführer ausgesucht, um zu türmen. Was aber nicht heißt, dass sie die Stadt fluchtartig verlassen hätten.
Schöne Aussichten: Auch auf dem Oberen Torturm in Ochsenfurt konnten Besucher am Tag des Weins das Panorama genießen.
Foto: CLAUDIA SCHUHMANN | Schöne Aussichten: Auch auf dem Oberen Torturm in Ochsenfurt konnten Besucher am Tag des Weins das Panorama genießen.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 11.07.2014 18:00 Uhr

Unter „türmen gehen“ verstehen die Stadtführer, ganz außer der Reihe Besucher auf zwei der Ochsenfurter Stadttürme zu führen. Das Angebot wurde sowohl von Einheimischen als auch von Auswärtigen wahrgenommen.

Gertraud und Rudolf Stein haben die 139 Stufen bis ins oberste Stockwerk des Taubenturms hinter sich gebracht. Das Ehepaar aus Oberbayern musste einen außerplanmäßigen Halt in Ochsenfurt einlegen, weil ihr Zug wegen eines brennenden Bahndamms nicht weiterfahren konnte. Kurz entschlossen mieteten sich die beiden in einem Ochsenfurter Hotel ein und entdeckten sogleich die Möglichkeit des „Türmens“. Was sie dabei zu sehen bekommen, hat sie mit ihrem Schicksal schnell ausgesöhnt.

„Es ist zauberhaft hier“, schwärmt Gertraud Stein und blickt durch die engmaschigen Gitter vor den Fenstern des Taubenturms. Von Stadtführerin Christa Fritsch möchte sie wissen, wie sich die Türmer auf den verschiedenen Türmen untereinander verständigten. „Bei Tag winkten sie mit bunten Wimpeln und Quasten, bei Nacht gab es Feuersignale und Böllerschüsse“, erklärt die Stadtführerin. Und wenn es brannte, musste der Türmer so laut in seine Trompete blasen, dass es der Küster hören und die Kirchenglocken Alarm läuten lassen konnte.

Christa Fritsch erklärt, dass der Taubenturm am Bollwerk der höchste der Ochsenfurter Stadttürme und gut geschützt war. Wieder unten angekommen, zeigt sie ihren Gästen den früheren Eingang, mehrere Meter über dem Boden und vom Türmer nur über eine Leiter zu erreichen. Noch ärger war der Zustieg für die Delinquenten, die in alter Zeit im Taubenturm schmachten mussten. Wahrscheinlich zog man sie einfach außen am Turm bis zum Einstieg hinauf und ließ sie im Innern wieder hinab. Die Tür, die jetzt in den Turm führt, sei erst später eingebaut worden, sagt die Stadtführerin.

Gertraud und Rudolf Stein verabschieden sich. Sie möchten nun noch die Michaelskapelle besichtigen, ein Tipp der Stadtführerin für die Riemenschneider-Fans aus dem oberbayerischen Planegg. Dass sie statt wie beabsichtigt in Gemünden in Ochsenfurt gelandet sind, bedauern sie kein bisschen. „Es war schon immer ein geheimer Wunsch meines Mannes, Ochsenfurt zu besichtigen“, sagt Gertraud Stein augenzwinkernd und macht sich auf Richtung Hauptstraße.

Im Oberen Torturm war das Ehepaar bereits. Dort wartet Stadtführerin Angelika Brainard auf Gäste. Sie muss nur 107 Stufen bewältigen, denn „ihr“ Turm ist nicht ganz so hoch wie der Taubenturm. Auch sie hat sich mit dem Leben der Türmer auseinandergesetzt und vermutet, dass dessen Beruf nicht allzu viel Behanglichkeit bot.

„Der Türmer musste jeden Tag 24 Stunden aufpassen“, sagt sie. „Und nur alle 14 Tage durfte er den Turm verlassen, um in die Kirche zu gehen und vielleicht einmal ein Bad nehmen zu können.“

Das Panorama, das die unvergitterten Fenster des Oberen Torturms heute bieten, unterscheidet sich natürlich von dem, das vor Jahrhunderten die Türmer sahen.

Hier einmal hinaufsteigen und aus dieser ungewöhnlichen Perspektive auf Ochsenfurt blicken zu können: eine gute Idee der Stadtführer, die zurecht Anklang fand.

Auf dem Taubenturm in Ochsenfurt am Tag des Weins: Stadtführerin Christa Fritsch (links) mit dem oberbayerischen Touristen Rudolf und Gertraud Stein.
Foto: CLAUDIA SCHUHMANN | Auf dem Taubenturm in Ochsenfurt am Tag des Weins: Stadtführerin Christa Fritsch (links) mit dem oberbayerischen Touristen Rudolf und Gertraud Stein.
 
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