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Creglingen
Die Spinnräder surren wieder
Geschäftige Runde im Familienzentrum 'Komm'. Dort hat die Creglinger Spinnstube nach der Corona-Pause eine neue Heimat gefunden. 
Foto: Erika Weimer | Geschäftige Runde im Familienzentrum "Komm". Dort hat die Creglinger Spinnstube nach der Corona-Pause eine neue Heimat gefunden. 
Bearbeitet von Michael Mahr
 |  aktualisiert: 29.01.2023 03:07 Uhr

Die Coronawelle verschaffte der Spinnstube eine lange Pause. Doch jetzt drehen sich wieder die Rädchen. Im Familienzentrum "Komm" in der Creglinger Hauptstraße haben die Spinnstubenfrauen eine neue Heimat gefunden. In den Wintermonaten sind alle, die Interesse und Spaß an Handarbeiten haben, immer am ersten Donnerstag im Monat dorthin eingeladen. Und so wie eh und je wird gestrickt, gehäkelt, gesponnen, gefachsimpelt und auch in gemütlicher Runde gegessen und geplaudert, berichten die Spinnstubenfrauen in einer Pressemitteilung. Dieser sind die folgenden Informationen entnommen.

Gislinde Forkel lernte vor 45 Jahren das Spinnen und lehrte es dann anderen Frauen

Vor 45 Jahren hatte Gislinde Forkel, die damalige Creglinger Pfarrersehefrau, von einer alten Bäuerin aus Münster das Spinnen gelernt. Daraufhin brachte sie den Sechselbacher Landfrauen diese alte Handwerkskunst bei und bei Volkshochschulkursen ein Jahr später auch den Creglinger Frauen. Von nun an trafen sie sich im Herbst und Winter regelmäßig in der geräumigen Wohnstube im Pfarrhaus zum Spinnen. Die Creglinger Spinnstube war geboren.

Bald platzte das Wohnzimmer aus allen Nähten. Man traf sich jetzt im Gasthaus Bruder, im Gemeinschaftshaus in Sechselbach oder im evangelischen Gemeindehaus neben der Stadtkirche. Jeder brachte sein Spinnrad mit, seinen Strickstrumpf oder eine andere Handarbeit. Es war gemütlich warm und während die Spinnräder surrten und die Stricknadeln klapperten erzählte man sich alte Geschichten und plauderte über Gott und die Welt. Und fast nebenbei entstanden durch die flinken und geschickten Hände aus gesponnener Wolle kunstfertige und wärmende Kleidungsstücke.

Nach getaner Arbeit wurde getafelt und gesungen

Luise Kluge (links), Gislinde und Theo Forkel, die Initiatoren der beliebten Spinnstube.
Foto: Hubert Kluge | Luise Kluge (links), Gislinde und Theo Forkel, die Initiatoren der beliebten Spinnstube.

Nach getaner Arbeit wurde der Tisch gedeckt, Brot und Hefezopf aufgetragen und die mitgebrachten Marmeladesorten ausgepackt. Es begann der fröhliche Teil. Zu Gitarrenklängen von Pfarrer Theo Forkel sang man Volkslieder, oft zweistimmig, und genoss die gemütliche Runde, so wie es früher in den alten Bauerhäusern bei der Spinnstube – in anderen Regionen auch Roggenliacht oder Kunkelkammer genannt – der Brauch war.

Die geschäftigen Frauen interessierten sich aber mit der Zeit auch für andere textile Handwerkstechniken. Sie lernten das Färben von Wolle, das Filzen, das Weben, die außergewöhnliche Wikinger-Strickkunst und vieles mehr. Sogar ein Fachbuch gab Gislinde Forkel heraus, "Vom Schaf zur Wolle". Das sprach sich herum. Beim traditionellen Mai-Singen in Weikersheim zeigten die Frauen jedes Jahr ihre Spinnkunst, auf der Touristikmesse CMT in Stuttgart waren sie vertreten und Zeitungen berichteten über die Creglinger Spinnstube. Selbst das Fernsehen war zu Gast.

Die Spinnspule wurde weitergereicht an Luise Kluge

Als das Ehepaar Forkel eine neue Stelle antrat und nach Langenbrettach zog, überreichte Gislinde Forkel die Spinnspule weiter an Luise Kluge, mit der Bitte, die Spinnstube in Zukunft zu führen. Mit den Jahren erweiterte sich der Kreis. Aus Waldmannshofen, Weikersheim, Igersheim, Bad Mergentheim, Neunkirchen, Rothenburg, Bettwar, Rot am See und anderen benachbarten Orten kamen Frauen und selbst einige Männer und Jugendliche neu in die Runde.

In der Zwischenzeit hatte sich das Frauenbild gewandelt. Viele Frauen waren berufstätig und mussten Familie und Beruf unter einen Hut bringen.  Oft blieb wenig Zeit für Handarbeiten. Es wurde auch immer schwieriger einen geeigneten Ort für die Treffen zu finden. Doch die Spinnstube hielt stand. Nur die Coronavorschriften forderten vorübergehend eine Zwangspause ein.

Fachfrau für Filz und Patchwork-Techniken

Luise Kluge (links) gibt symbolisch die Spinnspule weiter in jüngere Hände, in die von Erika Weimer, stellvertretend für die Frauen im Familienzentrum 'Komm'.
Foto: Michaela Albrecht | Luise Kluge (links) gibt symbolisch die Spinnspule weiter in jüngere Hände, in die von Erika Weimer, stellvertretend für die Frauen im Familienzentrum "Komm".

Über dreieinhalb Jahrzehnte lag die Organisation der Treffen in der Hand von Luise Kluge. Sie ist die Filz- und Patchwork-Fachfrau in Creglingen und bei Hand- und Näharbeiten eine routinierte Beraterin. Unterstützt durch ihren Mann Hubert hat sie in mit ihrer ruhigen, besonnenen und stets freundlichen Art die Abende vorbereitet, die Kasse verwaltet, Ausstellungen organisiert, sich um alles gekümmert. Dafür gebührt ihr Dank.

Kluge hat dazu beigetragen, dass die alten Traditionen nicht verlorengehen und für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. Creglingen ist stolz darauf, dass es immer wieder Menschen gibt, die mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen das Gemeindeleben bereichern. Und das Brauchtum kann weiter gepflegt werden, ist Luise Kluge froh, denn es haben sich Nachfolger gefunden. Sie gab die Spinnspule weiter an Erika Weimer, stellvertretend für die Frauen im Familienzentrum.

Informationen über die Creglinger Spinnstube bei Erika Weimer, Tel.: (07933) 70144, E-Mail: familienzentrum@creglingen.de

 
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