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Würzburg
Die Sehnsucht nach einer unerreichbaren Dame
Marc Hoinkis
 |  aktualisiert: 20.12.2019 02:10 Uhr

"Dame durch euch" – so fängt einer der Texte des mittelalterlichen Dichters Guillaume de Machaut an. Bereits diese eine Zeile bringt auf den Punkt, worum es darin geht: Dem Mann widerfährt etwas und der Grund ist eine Frau.

Machaut, dessen Lieder Isabel Kraft bei ihrem Gastspiel beim Theater Ensemble vorstellt,  wurde vermutlich um 1300 in der französischen Champagne geboren. Vor allem ist er als Komponist und Dichter bekannt, der durch seine unkonventionelle Art ein rotes Tuch für die Kirche darstellte. Isabel Kraft beschreibt ihn als den "ersten Influenzer", da er sich stets zu inszenieren wusste. Was man über ihn weiß, entstammt, bis auf wenige Ausnahmen, seinen eigenen Erzählungen. Daher formuliert der englische Musikwissenschaftler Daniel Leech-Wilkinson seine Ansicht dazu: "Wir wissen nichts über Machaut, aber was wir erzählen, hätte ihm sicherlich gefallen."

Seine Lieder handeln von der "loyal amour". Im Mittelpunkt steht die Sehnsucht nach einer unerreichbaren Dame, die ihm durch diese Distanz den süßen Schmerz der Liebe schenkt. Isabel Kraft empfindet diese Texte aber weniger als Liebeslieder. Sie erkennt darin die philosophische Frage nach dem Ich und dem Umgang mit sich selbst. Die Dichter versuchten so, "die Welt in ihrem Kopf umzudrehen". Neben den Texten Machauts trägt sie auch eigene Zeilen vor, die an diese Idee angelehnt sind.

Die richtige Aufführungspraxis

Für Isabel Kraft ist es wichtig, dass diese Musik auf die richtige Weise aufgeführt wird. Dabei geht es ihr aber weniger um eine korrekte Spielweise oder authentische Kostüme, sondern um den Aufführungsort und das Publikum. Daher ist das kleine Theater Ensemble genau richtig: Hier braucht sie kein Mikrofon und kommt so einer mittelalterlichen Aufführung näher, als in einem Konzertsaal. Ihre Gäste informiert sie vorher mit einer Einleitung in das Thema und anschaulichen Bild- und Textbeispielen.

Die Künstlerin stellt sich außerdem einen eher rauen Klang für diese Musik vor und bringt drei Instrumente mit, die nach dem Vorbild alter Abbildungen nachgebaut wurden. Die zwei Fideln wurden in der katalanischen und der Wormser Bibel dargestellt, von der eine traditionell aus einem Stück Holz geschnitzt und in Milch gekocht wurde. Die Vorlage ihrer Drehleier ist im "Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch zu sehen.

In einer dezenten Kulisse spielt sie knapp zwei Stunden und trägt mit einer beiläufigen, aber wirksamen Inszenierung die Stücke vor. Die Dramaturgie der Aufführung ergibt sich aus dem anschwellenden Affekt, den Isabel Kraft der Musik verleiht. Dabei singt sie auf Deutsch und Altfranzösisch. Es war definitiv ein Abend für Liebhaber, denen es aber sichtlich gefallen hat.

 
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