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WÜRZBURG
Die Schule mit dem Experiment am Ende der Stunde
Neuntklässler fertigen Kostüme für die Jubiläumsaufführung.      FOTOs: Christ
Foto: Pat Christ | Neuntklässler fertigen Kostüme für die Jubiläumsaufführung. FOTOs: Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 17.10.2017 11:03 Uhr

Hier gibt es Hausaufgaben, wie an jeder anderen Schule, auch Schulaufgaben werden geschrieben. „Allerdings können wir nicht sitzenbleiben“, meinte Jasper Runge. Ohne Druck lernen zu können, findet der Elftklässler von der Würzburger Waldorfschule gut. Wobei er noch eine Menge mehr schätzt an seiner Schule. Zum Beispiel die Praktika sowie die Tagungen, bei denen man Waldorfschüler aus ganz Deutschland und teilweise sogar aus der ganzen Welt kennenlernt.

Vor 40 Jahren wurde die unterfrankenweit erste Waldorfschule in Würzburg gegründet. Initiatoren waren drei aus der Region stammende, ehemalige Schüler der „Urwaldorfschule“ in Stuttgart, erläutert Waldorflehrer Albrecht Häberlein: „Sie wollten, dass ihre Kinder vor Ort eine Waldorfschule besuchen könnten.“ Mit 40 Erst- und Zweitklässlern ging die Schule 1975 in Heidingsfeld an den Start. Schon nach zehn Jahren hatte sich die Schülerzahl mehr als verzehnfacht. Diesen Stand hält die Schule bis heute: „Wir unterrichten stets 430 Kinder und Jugendliche.“

Die meisten besuchen die Waldorfschule von der ersten Klasse an. „So war es auch bei mir“, sagt Hannah Kaufmann. Rückblickend findet die 18-Jährige, dass ihre Eltern eine gute Wahl für sie getroffen haben. Was sie von Gleichaltrigen aus anderen Schulen hört, klingt für sie abschreckend: „Sie haben Angst, eine zweite Sechs zu schreiben und sitzen zu bleiben.“ Dauernd stünden sie unter Druck.

In der Waldorfschule, meint Florian Mende, lernt man stärker aus eigener Motivation – und eben nicht nur für gute Noten. Vor allem naturwissenschaftliche Fächer findet der junge Mann aus der 13. Klasse spannend: „Zum Beispiel, wenn wir uns in Physik mit dem Licht beschäftigen.“ Faszinierend die Vorstellung von Photonen: „Und interessant die Frage, warum eigentlich der Himmel blau ist.“ Klasse findet Florian auch den Unterrichtsaufbau: „In Physik kommt das Experiment immer am Ende der Stunde.“ Erst am nächsten Tag wird der Versuch gemeinsam besprochen: „So dass wir Zeit haben, uns das Ganze über Nacht selbst durch den Kopf gehen zu lassen.“

Durch die Waldorfschule wurde Florian auch sehr sensibel für die Umwelt: „Müll einfach in die Natur werfen, das würde ich niemals tun.“ Gespür für die Natur entwickelte der Jugendliche insbesondere durch das landwirtschaftliche Praktikum, das alle Schüler in der neunten Klasse absolvieren.

Drei Wochen lang lebte Florian auf einem Demeter-Bauernhof mit, er versorgte die Kühe, mistete den Stall aus, hackte Holz und lernte die Feldarbeit kennen: „Das war eine echt coole Zeit gewesen.“ Bei einem anderen Praktikum war der Abiturient in Rumänien im Einsatz: „Dort wird eine alte Kirchenburg in eine Jugendbegegnungsstätte umgebaut.“

Geschätzt wird von den Jugendlichen auch das intensive Miteinander zwischen Lehrern und Schülern. „Bei uns kommt ein Pädagoge auf 13 Schüler“, erläutert Physiklehrer Albrecht Häberlein. In öffentlichen Schulen sei dies deutlich mehr. Dass Lehrer bemüht sind, ihre Schüler wahrzunehmen, bestätigt Hannah Kaufmann: „Als es mir einmal nicht so gut ging, hat das mein Lehrer tatsächlich gemerkt.“

Dass Künste, Werken und Handarbeiten an der Waldorfschule großgeschrieben werden, das schätzt Zwölftklässlerin Daniela Rabenstein sehr. Zu den intensivsten Erlebnissen ihrer Schulzeit gehört die Arbeit am Klassenspiel „Der gute Mensch von Sezuan“. Daniela hatte eine fiese Frau zu verkörpern: „Das fand ich reizvoll, also, etwas zu spielen, was man selbst gar nicht ist.“

Festakt und Feier: Am kommenden Samstag, 30. Januar, feiert die Schule ihr 40-jähriges Bestehen mit einer öffentlichen Aufführung des von den Schülern umgesetzten Stücks „Karneval der Tiere“. Am 7. Mai wird im Zeichen des Jubiläums ein großes Ehemaligen-Fest organisiert.

Waldorfschule in Zahlen

In einem Holzpavillon im Stadtteil Heidingsfeld wurde die Waldorfschule im Jahr 1975 mit der ersten und zweiten Jahrgangsstufe eröffnet. Drei Jahre später zog die Schule in das neu errichtete Schulhaus am Oberen Neubergweg um. Der erste Schülerjahrgang legte also vor genau 30 Jahren seine Abschlussprüfungen ab.

Das Gebäude im Frauenland wurde nach und nach ausgebaut und umfasst heute einen Bau für Fachklassen und einen für die Oberstufe, Werkstätten, Schulgarten, Sportanlagen, Hort, Kindergarten und Krippe. Es gibt zwölf Jahrgangsstufen sowie Klassen zur Vorbereitung auf die Mittlere Reife und auf das Abitur. Rund 430 Schüler werden aktuell unterrichtet. Das Einzugsgebiet der Waldorfschule ist groß, die Kinder und Jugendlichen kommen aus Würzburg, dem Landkreis Main-Spessart, Kitzingen, Main-Tauber-Kreis und aus Schweinfurt und Umgebung. Im Durchschnitt zahlen die Eltern derzeit rund 165 Euro pro Schüler im Monat, wobei es jedoch keine einheitliche Gebühr gibt. Jede Familie zahlt ihrem Einkommen gemäß. Die Idee dieses Schulgeldes: Auch Kinder aus Hartz-IV-Familien sollen die Chance haben, auf die Waldorfschule zu gehen. Text: pat

Bei Lehrer Michael Seeberger erstellen Schüler Dokumente am Computer.
Foto: Pat Christ | Bei Lehrer Michael Seeberger erstellen Schüler Dokumente am Computer.
In der Schmiede der Waldorfschule lernen die Schüler, Kupfer zu treiben.
Foto: Pat Christ | In der Schmiede der Waldorfschule lernen die Schüler, Kupfer zu treiben.
 
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