
Für Claire Rosenthal wird am Montag, 11. Februar, um 15.20 Uhr vor dem Anwesen Rotkreuzsteige 10, wo die Familie zu Hause war, ein Stolperstein verlegt.
Claire Rosenthal, 1889 geboren, war eine „lebensfreudige, heitere und glückliche Person“, erinnert sich ihr 91-jähriger Sohn Paul und schreibt weiter: „Ihre Lebensaufgabe war die Unterstützung meines Vaters in seiner beruflichen und gesellschaftlichen Tätigkeit und die Erziehung ihrer drei Kinder.“ Einen Teil ihrer Ausbildung erhielt sie in der Schweiz und England; sie sprach fließend Französisch, Englisch und Italienisch.
Ihr Mann, Rechtsanwalt Karl Rosenthal, war den Nazis verhasst, weil er als Vorsitzender der Würzburger Ortsgruppe des 1933 verbotenen „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ versucht hatte, den Aufstieg der NSDAP zu verhindern und den Nazis mutig entgegengetreten war.
Die drei Kinder Anni, Paul und Fritz wanderten nach 1933 in die USA und die Schweiz aus. Das Ehepaar Rosenthal jedoch blieb in Würzburg, in der Hoffnung, den Lebensabend unbehelligt in Deutschland verbringen könnten, schrieb der Sohn Paul.
In der Nacht zum 10. November 1938 wurde Karl Rosenthal in seinem Haus verhaftet. „Er hat doch nichts getan, warum wollen Sie ihn festnehmen?“, fragte die Ehefrau Claire. „Ziehen Sie sich an!“, herrschte eine kalte Stimme den Anwalt an. Im Stockwerk darüber wohnte Alo Heuler, der den Wortwechsel hörte und die Szene später beschrieb.
Claire Rosenthal wusste, was es heißt, in „Schutzhaft“ zu kommen, welche Methoden angewandt wurden, um Gegner des Nationalsozialismus zu zerbrechen. Ihr Mann war 1935 mehrere Monate in den Händen seiner Todfeinde gewesen, doch weil ihm beim besten Willen keine Straftaten nachgewiesen werden konnten, musste er wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Tod im KZ Buchenwald
Damals war ihm der Aufenthalt im KZ erspart geblieben. Nach der Pogromnacht von 1938 wurden jedoch 130 jüdische Männer aus Würzburg in das KZ Buchenwald eingeliefert. Am 12. November trafen Rosenthal und seine Leidensgenossen dort ein; wenige Stunden später war bereits ein Mann aus Würzburg und einer aus Reichenberg tot.
Lange bevor Claire Rosenthal dies erfuhr, suchte der Mob ihre Wohnung heim und schlug alles kurz und klein. „Als das Gejohle und die krachenden Schläge gedämpft in mein Bewusstsein drangen, glaubte ich in einem wüsten Traum zu liegen“, erinnerte sich Alo Heuler.
Am 12. November erhielt Claire Rosenthal die Gewissheit, dass ihrem Mann diesmal das Konzentrationslager nicht erspart geblieben war; sie hatte sich bei der Gestapo nach seinem Schicksal erkundigt. Allein kehrte sie in die zerstörte Wohnung zurück. Menschen, die zu solchen Gewalttaten fähig sind, werden auch vor der Vernichtung ihre Mannes nicht zurückschrecken, muss sie gedacht haben.
„Meine Mutter sagte 1935 oft, dass sie eine Überführung meines Vaters in ein KZ nicht überleben könne und sich dann das Leben nehmen werde“, schrieb Paul Rosenthal vor kurzem. „Das war ihr fester Entschluss.“ Bevor Claire Rosenthal im Badezimmer eine Überdosis Veronal einnahm, schrieb sie einen Abschiedsbrief an ihr Kinder. „Ihr wisst, ich war ein überaus glücklicher Mensch und einschlafen ist auch nicht schwer“, hieß es darin. Und weiter: „Wenn ich denk, dass Vatl gequält wird, dann kann ich nicht atmen. Vielleicht kommt er frei, weil ich das tue.“
Claire Rosenthal hatte noch die Kraft, den Polizeipräsidenten und die Gestapo brieflich zu bitten, ihren unschuldigen Mann aus dem KZ zu entlassen; sie scheide aus dem Leben, um dieser Bitte Nachdruck zu verleihen. Tatsächlich kam Karl Rosenthal frei, doch erfuhr er den Grund nicht.
Voller Vorfreude auf das Wiedersehen kehrte er am 17. November 1938 nach Würzburg zurück. Alo Heuler hörte ihn den Namen seiner Frau rufen: „Ich bin wieder da, mach doch auf!“ Der Schriftsteller ging nicht zu ihm. „Ich gestehe, ich hatte nicht den Mut, ihn in die schreckliche Verlassenheit zu stoßen, die zwischen zerschlagenen Stühlen, zerschlitzten Teppichen voll Scherben und geschändeten Bildern auf ihn lauerte.“