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WÜRZBURG
Die Neue hat „Richtig Bock“ auf das Engagement
Anja Brünglinghaus.
Foto: Tschirwitz | Anja Brünglinghaus.
Katja Tschirwitz
 |  aktualisiert: 24.10.2016 03:32 Uhr

Wo mancher aus Angst, etwas „Falsches“ zu sagen, jede Formulierung auf die Goldwaage legt, nimmt Anja Brünglinghaus kein Blatt vor den Mund. Erfrischend offen spricht die 1963 in Bochum geborene Schauspielerin über blamable Honorare, über die Rolle der Frau am Theater und vieles andere, was man schon immer wissen wollte, sich aber nie zu fragen traute. „Als Frau am Theater? Da musst du hartnäckig sein. Zwei Drittel der Schauspieler sind Männer – für Frauen gibt es wenig Rollen.“

Anja Brünglinghaus kann sich diese Offenheit leisten. Hervorragende Kritiken bekam sie zuletzt als Rechas Amme Daja in Lessings Bühnenstück „Nathan der Weise“, das unter Regie des neuen Intendanten Markus Trabusch die Spielzeit am Mainfranken Theater eröffnete. Die schlanke, hochgewachsene Frau macht Furore, sobald sie den Raum betritt, und das auch jenseits der Bühne.

Als lebenshungriges Mädchen war Brünglinghaus bereits mit 15 von zu Hause ausgezogen: „Meine Mutter wollte, dass ich Zahntechnikerin werde. Ich aber wollte zum Ballett.“ Mit 18 ging sie auf die Schauspielschule, erst privat in Hamburg, dann nach Zürich, worauf sich ein Vierteljahrhundert mit teils langjährigen Festengagements an vier verschiedenen Theatern anschloss. Am längsten blieb Brünglinghaus am Staatsschauspiel Dresden und am Staatstheater Stuttgart.

Nach ihrer Zeit im mondänen Zürich erlitt die 31-Jährige in Dresden jedoch einen ersten Kulturschock: „Nach der Wende waren die Theater hier leer, die Leute sind lieber gereist oder haben sich ein Auto gekauft. Das verbliebene Publikum hat überall unterschwellige Messages erwartet – echt anstrengend!“ Als Wessi-Frau, noch dazu als Direktimport aus dem superreichen Zürich, habe man sie in Dresden zwar komisch angeschaut. Zum Unmut vieler Kollegen habe sie sich aber trotzdem schnell in die erste Reihe gespielt.

In Stuttgart erwartete die mittlerweile 42-Jährige der nächste Kulturschock. Während Dresden sich im Lauf der Jahre zur schicken Stadt gemausert hatte, empfand die Schauspielerin Stuttgart als verbaut und hässlich, ja als „kontrollierend“. Dass der damalige Schauspielintendant viel Wert auf Ostliteratur legte und eher das Kollektiv als den Solisten suchte, kam Brünglinghaus nicht gerade entgegen. Stückauswahl und unbefriedigende Besetzungen setzten sie unter Stress: „Ich als Parteisekretärin? Furchtbar! Ich bin kein Kollektiv, das sieht man mir auch an.“ Nach sieben Jahren brach sie 2012 mit Stuttgart und nahm auch kein Folge-Engagement mehr an.

Sie nutzte die Zeit, um sich „vom Schock zu erholen“, zu reisen und spanisch zu lernen. Die Überlegung, zum Fernsehen zu wechseln, war schnell vom Tisch, denn als geborene Bühnenschauspielerin wolle sie einfach am Stück durchspielen. Außerdem sei sie eine Sprachfetischistin, die besonders die Dramatiker Heiner Müller, Thomas Bernhard und Werner Schwab sowie die klassische Sprache liebe. Dann erfuhr ihr Mann, der in der Region als Chirurg arbeitet, vom Intendantenwechsel in Würzburg. Brünglinghaus schrieb eine Initiativbewerbung und bekam nach einem Vorstellungsgespräch bei Intendant Markus Trabusch wieder „richtig Bock“ auf ein neues Engagement.

Seit dieser Spielzeit ist Anja Brünglinghaus festes Mitglied im Würzburger Schauspielensemble.

 
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