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WÜRZBURG
Die Künste bestimmen Hildegard Richters Leben
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 22.03.2018 02:43 Uhr

„Ohne Kunst kann ich nicht leben“ sagt die Hundertjährige. Wenn man Hildegard Richter, die an diesem Dienstag ihren 100. Geburtstag feiert, zuhört, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Man fühlt sich fast wie in einem Kammerspiel, wenn die Würzburgerin, die auf dem besten Weg zu einer großen Theaterkarriere stand, erzählt. Ihre 100 Lebensjahre merkt man ihr kaum an.

Als das Gespräch kurz auf die AfD kommt, wird die alte Dame resolut: „Die Nazis, die hab ich gehasst“ platzt es aus ihr heraus und sie erzählt wie sie als junges Mädchen beobachten musste, dass auf dem Residenzplatz die Bücher ihrer damaligen Lieblingsautoren wie Stefan Zweig oder Joseph Roth verbrannt wurden.

Sie kann aber auch sehr humorvoll werden, wenn sie über ihr Vorstellungsgespräch in der Schauspielschule des Deutschen Staatstheaters in Berlin erzählt, wo sie der Auswahljury als „des Bocksbeutele aus Franken“ angekündigt wurde – und schließlich als eine von nur fünf jungen Damen angenommen wurde.

Aber der Reihe nach: Hildegard Schuchbauer, so ihr Mädchenname, wurde am 20. März 1918 als viertes Kind der alteingesessenen Würzburger Kaufmannsfamilie Schuchbauer geboren. Schon früh zeigte sich in Schulaufführungen ihr schauspielerisches Talent. Ihre Familie hielt nicht viel von ihrem Plan, als sie als 16-Jährige ihren Berufswunsch – Schauspielerin werden – durchsetzen wollte. Doch sie wurde in Berlin unter insgesamt 300 Bewerbern angenommen. Es folgte ein glückliche Zeit. Schon bald spielte sie neben Theatergrößen wie Elisabeth Flickenschildt, Käthe Gold, Gustav Gründgens oder Theo Lingen, um nur ein paar wenige zu nennen. Dabei arbeitete sie mit berühmten Regisseuren wie Jürgen Fehling, Lothar Müthel und Gründgens.

Nach diversen Engagements holte sie Otto Falckenberg 1940 an die Münchner Kammerspiele, wo die Julia aus Shakespeares „Romeo und Julia“, Viola und Marie aus „Was ihr wollt“, oder die Katharina aus „Der Widerspenstigen Zähmung“ zu ihren Paraderollen zählten.

1942 heiratete sie den Schauspieler Friedrich Georg Richter und 1943 kam Sohn Florian zur Welt. Es folgten schwere Jahre der Trennung, Entbehrungen und der Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg. Das junge Schauspieler-Ehepaar hatte sowohl in München als auch in Würzburg alles verloren und nach Kriegsende begann der Kampf um die Existenz, zunächst mit Gastspielen, denn die meisten Theater waren zerstört.

Nach der Rückkehr ihres Mannes aus russischer Kriegsgefangenschaft stand Hildegard Schuchbauer, wie sie sich als Schauspielerin weiterhin nannte, mit ihrem Mann gemeinsam auf der Bühne. Zur Eröffnung des Bamberger Theaters wurde Goethes „Faust“ gespielt – mit Friedrich Georg Richter als „Faust“ und Hildegard Schuchbauer als „Gretchen“. Es folgten mehrere gemeinsame Engagements, bis sie Heinz Hilpert an das Deutsche Theater Konstanz holte.

Als sich 1955 Tochter Bettina ankündigte (heute Bettina Richter-Schwarz, ihrerseits eine gefragte Kostüm- und Bühnenbildnerin in Salzburg) sollte sie in Salzburg, der Heimatstadt des Vaters zur Welt kommen. Deshalb nahm das Paar ein Engagement des Landestheaters Salzburg an. Ein Jahr später starb Friedrich Georg Richter an den Spätfolgen der Kriegsstrapazen.

1959 entschied sich Hildegard Richter für die Rückkehr nach Würzburg. Dort widmete sie sich dann anderen künstlerischen Betätigungen. Sie besuchte eine Klasse des Bildhauers Richard Rother und eine Sommerakademie in Salzburg. Als Ergebnis entstanden in dieser Zeit und auch später noch bemerkenswerte Tonplastiken. Ab 1998 widmete sie sich zudem mit großen Engagement der Regiearbeit mit Studierenden der akademisch-musikalischen Verbindung in Würzburg.

Ein schwerer Schicksalstag ereilte Hildegard Richter 2001 mit dem Tod ihres Sohnes Florian. Doch auch dadurch ließ sie sich nicht aus der Bahn werfen. Mit ihrem Temperament, ungebrochener Lebenskraft und Disziplin meisterte sie die weiteren Seniorenjahre – und noch heute fast täglich die 80 Treppenstufen hinauf zu ihrer Wohnung. Foto: B. Richter

 
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