
Wenn der neue Stadtteil Hubland auf dem Gelände der ehemaligen Leighton Barracks einmal fertig ist, werden rund 4000 Menschen hier eine Heimat gefunden haben. Sie sind die Nachfolger der amerikanischen Soldaten und ihrer Familien, die bis zum Abzug der US-Truppen im Jahr 2008 am Galgenberg lebten.
Doch die Geschichte der Besiedlung des Gebiets geht bis zum Ersten Weltkrieg zurück. Damals wurden auf dem 1830 eingerichteten menschenleeren Truppenübungsplatz am Galgenberg zahlreiche Baracken aufgestellt, in denen bis zu 6000 französische und amerikanische Gefangene untergebracht waren.
Kriegersiedlung am Galgenberg
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs blieben die Gefangenenbaracken nicht lange leer. Da der zivile Wohnungsbau während des Krieges völlig eingestellt worden war, dienten einige als Notunterkünfte für Wohnungssuchende. Ab 1921 entstand mit der „Kriegersiedlung Galgenberg“ zwischen der Rottendorfer Straße und der Straße Am Galgenberg die erste Kolonie für Kleinsiedler in Würzburg. Das Ziel: Kriegsveteranen aus der Mittel- und Unterschicht in einer Zeit großer sozialer Not zu preiswertem Wohnraum zu verhelfen.
Die Menschen in der Kriegersiedlung blieben nicht die einzigen Galgenberg-Bürger. In der 1924 eröffneten Fliegerschule auf dem Kürnacher Berg wohnten der Direktor und seine Familie sowie einzelne Schüler. Als die Nazis 1935 den Fliegerhorst schufen, errichteten sie außer Flugzeughangars auch zahlreiche Mannschaftsunterkünfte und Offiziershäuser. In einem eigenen Gebäude wohnten Lehrlinge, die auf dem Horst zu Flugmotorenschlossern und Flugzeugbauern ausgebildet wurden; Zwangsarbeiter waren in Baracken untergebracht.
Baracken für Kriegsgefangene
Im Jahr 1945 stellten die Amerikaner weitere Baracken auf, in denen zunächst deutsche Kriegsgefangene lebten, ab 1948 dann drei Jahre lang Vertriebene, die aus dem Sudetenland stammten. Die Baracken verschwanden, weil die Besatzer ab 1951 das Wohngebiet Skyline Hill errichteten; viele der neuen Häuser gehören heute zum Campus Hubland Nord der Uni.
Wie nach dem Zweiten Weltkrieg war auch nach dem Ersten Weltkrieg – obwohl keine Bomben gefallen waren – die Wohnungssituation in Würzburg äußerst angespannt. Im Februar 1920 suchten 2134 Familien in der Domstadt eine Unterkunft. Zeitweise war der Zuzug streng reglementiert und nur erlaubt, wenn Verwandte oder Bekannte eine Unterkunft bereitstellten.
Ab 1921 wurde gebaut
Um zumindest etwas Abhilfe zu schaffen, begannen 1921 die Arbeiten an der „Kriegersiedlung Galgenberg“ auf einem Gelände, das der bayerische Staat der Siedlergemeinschaft im Erbbaurecht auf 99 Jahre überließ. Gebaut wurde in mehreren Etappen in einem Dreieck zwischen der Rottendorfer Straße, der Straße Am Galgenberg und dem Truppenübungsplatz. Nach einer Pause, die vermutlich Geldmangel verursacht hatte, gingen die Bauarbeiten ab 1927 weiter.
Die Siedlung wurde in Form einer eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter Haftung (e.G.m.b.H.) organisiert. Geplant war 1921 eine fächerförmige symmetrische Anlage: Entlang der seitlich gelegenen Straßen (Rottendorfer Straße, Straße Am Galgenberg) sollten Doppelhäuser entstehen. Beide Straßen verbanden die neu angelegte, leicht bogenförmige Straße Am Flugplatz, umbenannt 1936 in Nopitschstraße nach einem der Fliegerschul-Direktoren, und die ebenso geformte Straße Am Kugelfang.
Häuser im „Heimatstil“
Im Innenbereich der Siedlung entstanden Einzel- und Reihenhäuser zwischen Grünanlagen. Nicht umgesetzt wurden die ursprünglichen Pläne für den Bereich direkt am Truppenübungsplatz; hier hatte man weitere geschlossene Riegel von Reihenhäusern und einen zentralen Platz mit einem größeren Gebäude vorgesehen, der wohl an den Appellplatz in einer Kaserne erinnern sollte.
Die Häuser waren je nach Größe und Lage des Grundstücks unterschiedlich, entsprachen jedoch oft dem damals dominierenden „Heimatstil“, der städtischen Infrastruktur mit ländlich anmutender Architektur paarte. So verfügten viele Häuser über hölzerne Fensterläden und Gaubenreihen in den Dächern.
Angegliedert wurden Schuppen- und Stallgebäude in Fachwerk und Holzbauweise, denn der Siedlungsgedanke der zwanziger und dreißiger Jahre war mit der Idee verbunden, dass sich die Bewohner teilweise selbst versorgen sollten, indem sie Kleintiere wie Kaninchen und Hühner hielten sowie Obst und Gemüse im lang gestreckten Garten anbauten.
Vom 16. Juni 1932 stammt eine Notariatsurkunde, die Aufschluss über die juristische Konstruktion der Genossenschaft gibt. An jenem Tag übertrug die e.G.m.b.H. einem Würzburger Zugschaffner das Erbbaurecht eines Grundstücks in der Straße Am Flughafen (heute Nopitschstraße) mit unterkellertem Wohnhaus, Schuppen, Hofraum und Garten für 9400 Goldmark. Das Haus sollte höchstens zwei Familien und zwei Untermieter beherbergen; alle Änderungen bedurften der Zustimmung. Der bayerische Staat behielt sich ein Rückkaufsrecht vor; an ihn ging auch der Erbpachtzins.
Die Hindenburgsiedlung
Ab 1927 entstand mit einer ähnlichen Konzeption auf dem Neuberg die Hindenburgsiedlung. Anlass war der 80. Geburtstag des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg im Oktober 1927, der mit einer Spende an die Stadt das Projekt unterstützte. Die Grundstücke wurden von der Stadt mit der Spende erworben und den Bauherren in Erbbaurecht zur Verfügung gestellt.
Der erste Teil umfasste in einem L-förmigen Grundriss fünf zweistöckige Doppelhäuser an der Damaschkestraße und ein ebenfalls zweistöckiges Reihenhaus am westlichen Straßenende. Bis 1932 wuchs die Hindenburgsiedlung, die ebenfalls vor allem für Kriegsgeschädigte, kinderreiche Familien und sozial Benachteiligte gedacht war, um Reihenhäuser in der Sanderroth-, Schanz- und Bodelschwinghstraße.
Umbenennung in Gartenstadt
1934 wurde die Gemeinnützige Baugesellschaft für Kleinwohnungen e.G.mbH. als Zusammenschluss von Stadt und privaten Investoren gegründet, zu der die Stadt eine Stammeinlage von 155000 Reichsmark gab und die im Anschluss an die bestehende Bebauung weitere Häuser errichtete. Das Jahr 1939 brachte die kriegsbedingte Einstellung der Bauarbeiten.
Im September 1950 erfolgte die Umbenennung in Gartenstadt Keesburg; der Name bezieht sich auf das 1955 abgerissene Anwesen des 1823 gestorbenen Maurermeisters Josef Kees, das aus der Ferne wie eine Burg wirkte. Seither wurde die Siedlung in südlicher und östlicher Richtung erheblich vergrößert, behielt aber ihren ursprünglichen Charakter weitgehend bei.
Während die Hindenburgsiedlung 1945 von Bomben fast völlig verschont blieb, wurden viele Häuser der Kriegersiedlung beschädigt. In den letzten Jahrzehnten haben die Besitzer zahlreiche der zunächst im ursprünglichen Stil wieder errichteten Gebäude verändert; Schuppen und Nebengebäude sind verschwunden, um Platz für Garagen und zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.
Die Geschichte des Galgenbergs erzählt Roland Flade in seinem Buch „Würzburgs neuer Stadtteil Hubland“. Menschen, die für die Ausstellung über die Vergangenheit der Kriegersiedlung berichten wollen oder Erinnerungsstücke besitzen, können unter der E-Mail-Adresse roland.flade@gmx.de oder telefonisch (0176-70574011) mit dem Autor Kontakt aufnehmen. Die Ausstellung über die Geschichte des Hub-lands findet im Rahmen der Landesgartenschau 2018 statt und wird von Roland Flade konzipiert.