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WÜRZBURG
Die Gartenschau im neuen Stadtteil
Stadt im Wandel: Seit 2013 wird in Würzburg das Kasernengelände der Leighton Barracks zum Stadtteil Hubland umgebaut. Am 12. April beginnt dort die Bayerische Landesgartenschau 2018. Was ist dort geplant?
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Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:17 Uhr

Mit 2,5 Millionen Besuchern hat die Bayerische Landesgartenschau, die 1990 in Würzburg stattfand, wohl einen Rekord für die Ewigkeit aufgestellt. Jedenfalls kam keine Nachfolgeschau auch nur annähernd an diese Zahl heran. Jetzt steht Würzburg zum zweiten Mal in den Startlöchern für eine Bayerische Gartenschau. Sie wird am 12. April eröffnet werden. Eine Million Besucher erwarten die Veranstalter zur Gartenschau, die bis 7. Oktober dauern wird, dieses Mal.

Gartenschauen als Blümchenolympiaden – das war einmal. Heutzutage bedeutet der Zuschlag zur Durchführung einer Gartenschau, ob auf Bundes- oder Länderebene, vor allem die Chance für dynamische städtebauliche Entwicklungsprozesse. Städte, die eine Gartenschau planen und durchführen, erhalten großflächige und zukunftsorientierte Parkanlagen oder Grünbereiche, in denen aktuelle Themen abgebildet werden, die weit über den Gartenbau hinaus weisen: Klimawandel, Schutz der Umwelt, Nachhaltigkeit, Ressourceneinsparung. Das gilt auch für die Bayerische Landesgartenschau, die am 12. April in Würzburg eröffnet wird. Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie umgeben von mehreren Großbaustellen für den neuen Stadtteil Hubland stattfindet, der gerade auf einem ehemaligen US-Militärgelände entsteht.

Gartenschaupark ist ein Privileg

Nach dem endgültigen Abzug der US-Armee im Januar 2009, die hier nach Ende des Zweiten Weltkriegs einen Militärstützpunkt unterhielt, erwarb die Stadt im Jahr 2012 rund 95 der insgesamt 135 Hektar dieses Areals. Der Rest ging schon vorher an die Universität, die dort ihre bestehende Campus-Fläche verdoppeln konnte. Seit 2013 laufen auf der städtischen Fläche die Bauarbeiten für einen neuen Stadtteil, in dem Mitte des nächsten Jahrzehnts etwa 4500 Menschen leben sollen. Forciert wurden und werden die Arbeiten durch den Zuschlag für die Landesgartenschau 2018, denn bis zu deren Start dafür mussten beispielsweise die ersten Wohnhäuser entlang des zentralen Wiesenparks fertiggestellt sein, damit die Gartenschau nicht inmitten einer Baustelle stattfindet.

„Die Landesgartenschau ist die Triebfeder für viele Entwicklungen im neuen Stadtteil und auch außerhalb“, sagt denn auch Klaus Heuberger, einer der beiden LGS-Geschäftsführer. Er verweist beispielsweise auf die Grünvernetzung in der Umgebung, die es ohne die LGS nicht gegeben hätte. Als „großartig“ bezeichnet er den bereits 2010 entstandenen Masterplan für das Hubland, in dem unabhängig von der Gartenschau schon großflächige Grünbereiche vorgesehen waren. „Das ist ein Privileg für die Gartenschau, dass zuerst Park und Grün und erst danach die Wohngebäude entstanden sind“, ergänzt Heuberger. „Normalerweise ist der Ablauf genau umgekehrt und die Grünbereiche sind dann nur noch ein moralisches Feigenblatt“, fährt Heuberger fort.

21 Hektar grüne Wiese

Welches Bild wird sich also den LGS-Besuchern bieten? Auf jeden Fall wird auf verschiedenen Baustellen weitergearbeitet, auch während der Gartenschau. Im östlichen Bereich (Richtung Gerbrunn) grenzt der 21 Hektar große Wiesenpark an ein Neubaugebiet an, wo Kräne, Bagger und andere schwere Baumaschinen das Bild dominieren. Eingefasst wird der gesamte Park von einem drei Kilometer langen Rundweg, dem Beltwalk.

Schon bei Aufstellung des Masterplans für den neuen Stadtteil im Jahr 2010 spielte die Gartenschau eine Rolle, hatte sich die Stadt Würzburg doch seinerzeit für die Landesgartenschau 2016 beworben, die dann aber nach Bayreuth vergeben wurde. Von Beginn an war deshalb die riesige 1,7 Kilometer lange Grünfläche geplant, die für die Bewohner des neuen Stadtteils nach der Gartenschau als zentrale Grünanlage erhalten bleibt. Entlang des Beltwalks wird auf 15 Stelen, die auch nach der Gartenschau stehen bleiben, die Geschichte des Hublands aufgezeigt.

Aussicht zur Festung

Eine besondere Attraktion ist das Belvedere am westlichen Ende des Parks (Richtung Gerbrunn), eine geschwungene Aussichtsplattform, die einen Überblick über das ganze Gartenschau-Gelände bis zur Festung Marienberg gestattet. Auch nach der Gartenschau soll das Belvedere Besucher in den Park auf der Höhe Würzburgs locken.

Ebenfalls neu geschaffen wurde für die Gartenschau das „Aktivband“ an der Eschenallee. Hier reihen sich (angrenzend an den neuen Uni-Campus Nord) über die gesamte Länge Spielfelder für Streetsoccer, Beachvolleyball, Tischtennis und Streetball sowie für Trampolinspringen und Slackline aneinander. Bei der Gartenschau laden sie zu Bewegung und Entspannung ein, für den neuen Stadtteil werden sie später eine abwechslungsreiche Aktivzone für die Bewohner darstellen, in der auch Picknickzonen eingerichtet werden sollen.

„Urwelten“ für Kinder

Das gilt auch für die neuen Spielbereiche für Kinder, die sogenannten Urwelten in den Terrassengärten mit Spielgeräten in Form von überdimensionalen Fossilien, Schnecken und Muscheln. Der Spielplatz, zu dem auch eine Kletterwand und eine schneckenförmige Stein-Kreation zum Klettern gehören, ist eine Reminiszenz an das Urzeitmeer, das sich vor Jahrtausenden an diesem Ort befand. Auch die Kids aus dem Stadtteil werden hier später sicher gerne herumtoben.

Als Initialzündung für einen denkbaren späteren Skulpturenpark könnte eine riesige Kunstinstallation dienen, die bei der Gartenschau zu sehen sein wird. „Das letzte Luftschiff“ des Würzburgers Michael Ehlers ist eine 20 Meter große Stahlplastik, die sowohl an die Fliegerei-Geschichte des neuen Stadtteils erinnert als auch die Vergänglichkeit menschlicher Utopien aufzeigt.

Tummelplatz für Flugpioniere

Auf dem dortigen Exerzierplatz machten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Würzburger Flugpioniere ihre Flugexperimente. Ab 1913 nutzten immer mehr Militärmaschinen den Galgenberg, wie das heutige Hubland damals noch hieß. Die Pläne, hier einen festen Militärflugplatz einzurichten, scheiterten am Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914. Erst zehn Jahre später, im Juni 1924, wurden am Hubland ein Flughafen und eine Fliegerschule eröffnet. Während des Dritten Reichs wurden der Flugplatz und seine Einrichtungen von den Nationalsozialisten als Fliegerhorst genutzt, ehe dort nach dem Zweiten Weltkrieg die US-Armee einzog.

Aus dieser Phase stammen noch einige Gebäude, die auch für die Gartenschau genutzt werden. In einem ehemaligen Hangar, der von den Amerikanern zur Sporthalle und Bibliothek umgebaut wurde, werden während der Gartenschau wechselnde Blumenausstellungen stattfinden. Anschließend wird die Sporthalle den Bewohnern des Stadtteils zur Verfügung stehen. Die alte Tankstelle wird für die Gartenschau zum American Diner umgebaut, im Untergeschoss wird eine Ausstellung über die Fliegereigeschichte gezeigt. Nach der LGS wird wegen zu großer Altlasten im Untergrund das „Aus“ für die Tankstelle kommen.

Die Mall wird zum Food Court

Während der amerikanischen Phase entstand auch die riesige, 1998 eröffnete Einkaufsmall für US-Soldaten, die die größte ihrer Art in Europa war und inzwischen zu großen Teilen abgerissen ist. Lediglich der Kopfbau steht noch und wird für die LGS als „Food Court“ genutzt. Danach muss auch dieser Gebäudeteil der Entwicklung des neuen Stadtteils weichen.

Als Katalysator dient die Gartenschau auch für das neue Zentrum für Digitale Innovation Mainfranken (ZDI), das an einem der Quartiersplätze entsteht. Bereits bei der Planung im Jahr 2016 wurde festgelegt, dass das ZDI bis zur LGS 2018 fertiggestellt sein soll.

In seinem Grünbestand erhalten geblieben ist der Alte Park gleich hinter dem Rottendorfer Tor. Für die Gartenschau entstanden neue Anpflanzungen und es wurden zahlreiche Fitness-Geräte installiert, die den Stadtteilbewohnern auch in Zukunft zur Verfügung stehen.

Kapelle als Rückzugsort

Auch die ökumenische Trinitatis-Kapelle, die in diesen Tagen im LGS-Park aufgebaut wird, bleibt Bestandteil des neuen Stadtteils. Geplant hat sie das Architekturbüro Brückner & Brückner. Die Kulturspeicher-Architekten gewannen mit ihrem Entwurf den ersten Preis bei einem Architektenwettbewerb, zu dem die Diözese Würzburg und das evangelisch-lutherische Dekanat Würzburg, acht Büros eingeladen hatten. Während der LGS soll das pyramidenförmige, aber nur aus drei Seiten bestehende Bauwerk als Rückzugsort für Besucher dienen, die abseits des Trubels Ruhe und Entspannung sorgen. Für den neuen Stadtteil ist sich das einzige bisher geplante kirchliche Gebäude, das auch nach der Gartenschau genutzt werden soll. Ob es dann auch eine liturgische Ausstattung erhält, ist derzeit noch offen.

Stadt(entwicklung) und Landesgartenschau werden im Hubland Hand in Hand gehen und voneinander profitieren: Der neue Stadtteil, weil er durch die Landesgartenschau attraktive Grünanlagen und Infrastruktureinrichtungen wie Spielplätze und Freizeiteinrichtungen erhält. Außerdem erhält er durch die Gartenschau Impulse, um seinem selbst gesteckten Anspruch eines ökologischen Stadtquartiers gerecht zu werden. Die Gartenschau ihrerseits kann auf einem außergewöhnlichen Gelände mit den Überresten seiner militärischen Vergangenheit und seinem Baustellencharakter zeigen, dass sie auch in einem solchen Umfeld funktionieren kann. Nicht zuletzt kann das ehemalige Militärgebiet, das fast 70 Jahre für die Öffentlichkeit unzugänglich war, durch die Um- und Neugestaltung zu einer ähnlichen Besucherattraktion werden, wie es der Gartenschaupark von 1990 heute noch immer ist.

Die Oase der Stille – ein Ort zum Entspannen bei der Gartenschau.
Foto: ANGIE WOLF | Die Oase der Stille – ein Ort zum Entspannen bei der Gartenschau.
 
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