Eine 3-D-Presse, das Modell der Ariane 5-Rakete, ein Fahrsimulator: Was haben diese Objekte gemeinsam? Sie sind groß, sehr speziell in der Herstellung – und somit ein Fall für die Firma Kinkele in Ochsenfurt. „Wir entwickeln keine eigenen Produkte, sondern fertigen die Produkte von Kunden“, sagt Geschäftsführer Kurt Kinkele, der das Unternehmen seit 2012 in der fünften Generation zusammen mit seiner Mutter, Ursula Kinkele, leitet.
Kinkele hat sich auf Aufträge im Maschinenbau spezialisiert, die aufgrund ihrer Größe und Komplexität nur von wenigen Zulieferern erfüllt werden können. „Kinkele – wir machen das“, lautet der Slogan des Unternehmens, das laut Geschäftsführer zu den führenden Spezialmaschinenbauern in Europa zählt. Gibt es etwas, was man im Ochsenfurter Gewerbegebiet Hohestadt doch nicht machen würde oder könnte? „Mehr als 100 Tonnen Fertiggewicht sollte ein Objekt nicht haben“, so Kinkele.
Und auch wenn der Auftragsfertiger die Bereiche Projektmanagement, Schweißbau, Zerspanung, Lackierung und Montage abdeckt – manches wird abgegeben: „Wenn wir etwas nicht können – wie zum Beispiel Löten – vergeben wir es an den passenden Partner“, sagt der 31-Jährige.
Ziel sei aber, alle Arbeiten für den Kernbereich der Firma selbst im Haus erledigen zu können. „Wir betreiben mit unserem breit aufgestellten Maschinenpark eine erstklassige Fertigung, die wir durch etwa 1000 Kundenaufträge aus mehr als zehn Branchen im Jahr auslasten“, so Vertriebsleiter Thomas Beck. Und wie sieht der optimale Kunde aus? „Das ist jemand, der eine Maschine bauen will, aber nur die Konstruktion erstellt und einen Fertiger braucht“, so Kinkele. „Wenn jemand einen Partner sucht, der ihm auch Probleme abnimmt, sind wir stark. Wenn jemand nur den günstigsten Anbieter sucht, sind wir es nicht.“
Die Palette der Aufträge bei Kinkele ist vielfältig, ein Standardprodukt eine Seltenheit. Dennoch begleiten einige Branchen die Firma über Jahre. „Unser Geschäft ist an Trends gekoppelt“, erklärt Kinkele. Anfang der 2000er bis 2013 etwa boomte die Solartechnik und brachte zahlreiche Aufträge nach Ochsenfurt, inzwischen stehen andere Themen hoch im Kurs. Der Rückbau und die Entsorgung von Kerntechnischen Anlagen (KTA) zum Beispiel, Offshore-Projekte im Öl- und Gasgeschäft, Vakuum- und Nukleartechnik sowie Aufträge aus der Luft- und Raumfahrtbranche. Auch in der Wehrtechnik kennt man sich bei Kinkele aus – ein Bereich, der in der Öffentlichkeit oft kritisch gesehen wird. „Wir bearbeiten Fahrwerke von Fahrschulfahrzeugen und Truppentransportern der Bundeswehr“, sagt Kinkele. Ihm ist es wichtig, festzuhalten: „Wir bauen nichts, wo eine Kanone darauf ist.“
Spektakuläre Aufträge gibt es beim Hohestadter Spezialmaschinenbauer zuhauf – davon zeugt eine beeindruckende Bilderwand im Flur, der zu den Fertigungshallen führt: Kinkeles „Wall of Fame“. Besonders stolz ist Kurt Kinkele auf ein Projekt für den sogenannten Ceremonial Dome. Es handelt sich um ein Schiebedach für die Al-Haram-Moschee in Mekka – mit einer Spannweite von 32 Metern und einem Gewicht von 1000 Tonnen. Kinkele hat die Fahrwerke für das Dach gebaut. „Für diesen Auftrag, der mit einer Gesamtlaufzeit von drei Jahren unser bisher längster war, bedurfte es viel Durchhaltevermögen sowie die Expertise unseres Mitarbeiters vor Ort“, erinnert sich der Geschäftsführer.
Auch viele weitere Aufträge bei Kinkele waren mit Superlativen verbunden. Der „Royal Clock Tower“ in Mekka etwa: Für den 600 Meter hohen Turm hat Kinkele das Uhrwerk beigesteuert, es gilt als das größte der Welt.
Zum Portfolio von Kinkele gehören auch Kunstwerke: Die mit 13 Metern Höhe und 90 Tonnen Gewicht größte Pferdeskulptur der Welt, das von Bildhauer Jürgen Goertz entworfene S-Printing-Horse, wurde in Ochsenfurt hergestellt und mit sechs Schwertransporten nach Heidelberg gebracht. Und für den Transport des bei Kinkele produzierten 14 Meter hohen Modells der europäischen Trägerrakete Ariane 5 musste gar die Brücke zum Kreisel vor Ochsenfurt gesperrt werden.
Sich immer neue Kompetenzen anzueignen und auch vor Aufträgen nicht zurückzuscheuen, von denen man anfangs vielleicht noch gar nicht weiß, wie man sie erfüllen kann – das scheint schon immer die Philosophie der Firma Kinkele gewesen zu sein. Die Wurzeln des Unternehmens liegen im Jahr 1885: Damals gründete Stefan Kinkele in Ochsenfurt eine kleine mechanische Werkstatt, „eine Schlosserei für den Dorfgebrauch“, so Kinkele. Dann ging man zur Reparatur von Landmaschinen über, daraus wiederum entwickelte sich Maschinenbau als Spezialgebiet.
Als Friedrich A. Kinkele, der Vater des heutigen Geschäftsführers, das Geschäft übernahm, wollte er Maschinen als Ganzes bauen. Mit 20 Mitarbeitern machte er sich 1981 ins geräumige Gewerbegebiet Hohestadt auf und schaffte damit die Grundlagen für die Entwicklung des Unternehmens in seiner heutigen Form; es folgten Maschinenbau- und Zulieferaufträge. Von da an wandelten sich die Anforderungen stetig. „Bei Kinkele hat man sich an Themen hochgearbeitet, zu denen niemand anderes Kenntnisse hatte – man selbst aber auch noch nicht.“
Auf einer überdachten Fläche von 35 000 Quadratmetern entstehen die verschiedensten Objekte. „Alles, wovon wir über zwei Exemplare herstellen, läuft bei uns schon unter dem Begriff 'Serienfertigung'“, sagt Kinkele und lacht. Auch wenn bei einem Rundgang durch die Fertigungshallen die Größe einzelner Objekte beeindruckend erscheint: Es geht noch größer. „Was wir herstellen, entspricht in etwa Kleidergröße L“, erklärt der 31-Jährige. „Mal ist ein Teil in M oder XL dabei – S oder XXL bedienen wir nicht.
“ Die Fertigung sieht er als „Showroom“ – wichtig bei einem Unternehmen, das vielseitige Produkte herstellt, sie aber nicht bewerben darf. „Viele Kundenbeziehungen leben von absoluter Vertraulichkeit“, zahlreiche Aufträge unterstünden strenger Geheimhaltung. Mit 2,60 Meter Durchmesser lassen sie sich wohl am ehesten der Kategorie „M“ zuordnen: Deckel für Castor-Behälter. „Diese Behälter sollen so sicher wie möglich sein – wir bauen die Deckel dafür.“ Jeder Behälter hat zwei Deckel, eine Schutz- und eine Verschlussplatte, deren Rohmaterial speziell geprüft und gekennzeichnet sein muss. „Man sieht einem Stahlblock seine chemischen Eigenschaften nicht an.“ Auch wenn das Stahlwerk bereits ein Zertifikat über das Material ausgestellt hat – bei Kinkele wird der Stahlblock ein zweites Mal unter die Lupe genommen. Und das ist aufwändig: Zur Herstellung eines Kundenbauteils kann zum Beispiel eine Stahlplatte in 25 Einzelteile zerschnitten werden, die alle einzeln beschriftet und geprüft werden.
Die Bedeutung der Themen Rechtssicherheit und Zertifizierung hätten sich in den vergangenen Jahren verdoppelt: „Für anspruchsvolle Bauteile wird manchmal für jede Tonne Eisen, die unsere Firma verlässt, fast ein Kilo Papier zur Dokumentation produziert“, sagt Kinkele und lacht. Dieser Aufwand hat seinen Preis: Etwa 50 000 Euro kostet ein einziger Castor-Deckel, davon entfallen etwa 25 000 Euro auf die Materialkosten.
Als eine der größten Herausforderungen für sein Unternehmen sieht es Kinkele, gute und treue Mitarbeiter zu finden. Daher lege man viel Wert auf den eigenen Nachwuchs – unter den 400 Mitarbeitern befinden sich 60 Azubis.
Firmendaten
Firma: Kinkele
Standort: Ochsenfurt
Gründungsjahr: 1885
Mitarbeiterzahl: 400
Umsatz: cirka 50 Millionen
Niederlassungen: keine
Hauptprodukte: Sondermaschinen
Eigentümer: Familie Kinkele
Internetauftritt: www.kinkele.de