Die Isolation ist mit am schlimmsten. Leukämiepatienten, die sich Stammzellen transplantieren lassen, müssen in der Regel Monate auf einer isolierten Klinikstation verbringen. Schuld daran ist ihr defektes Immunsystem, das die Erkrankten nicht vor Virusinfektionen schützen kann. „Früher mussten Würzburger Patienten nach Frankfurt oder Dresden fahren, wo die monatelange Behandlung weit weg von ihrer Familie durchgeführt wurde“, sagt Hermann Einsele, Direktor der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Würzburg.
Heute ist das nicht mehr nötig. Seit zehn Jahren können sowohl Erwachsene als auch Kinder aus der Region am Stammzell-Transplantationszentrum der Uniklinik Würzburg behandelt werden. Bis es so weit war, mussten die Verantwortlichen einige Hürden nehmen. „Wir mussten den Freistaat Bayern davon überzeugen, dass die Region ein solches Zentrum braucht“, sagt Christoph Reiners, der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums. Ende der 90er Jahre wurden mehrere Fördervereine angefragt, ob sie sich an der Finanzierung beteiligen würden. „Doch es hieß immer, es gäbe deutschlandweit schon genug Einrichtungen“, erinnert sich Einsele.
Erst eine Bürgerbewegung leistete die entscheidende Starthilfe für das Würzburger Zentrum. Unter der Leitung von Gabriele Nelkenstock sammelte die Initiative „Aktion Stammzelltherapie“ über 500 000 Euro an Spenden. Daraufhin übernahmen das Land Bayern und der Bund Kosten von weiteren 7,3 Millionen Euro für einen Neubau auf dem Klinikgelände. „Ohne die Bürgerinitiative gäbe es das Zentrum heute nicht“, sagt Reiners.
Der Klinikchef bezeichnet das Projekt als echte Erfolgsgeschichte. Mit jährlich rund 280 Therapien ist die Einrichtung bundesweit mittlerweile die zweitgrößte. Nur in Heidelberg finden noch mehr Stammzelltherapien statt. Insgesamt wurden in Würzburg schon über 1000 Patienten behandelt, wobei etwa zehn Prozent der Therapien auf Kinderpatienten entfallen.
Bei einer Stammzelltransplantation werden die Körperzellen, die für die Blutbildung und das Immunsystem zuständig sind, ersetzt. Die Spender kommen bestenfalls aus der Familie, können aber auch Fremde sein. Eine Transplantation kann zum Beispiel bei Patienten mit Blutkrebs (Leukämie) nötig werden. Im Würzburger Zentrum liegt ein Schwerpunkt auch auf der Stammzelltherapie von Hirntumoren.
„Diese Behandlung findet so quasi nur in Würzburg statt und führt dazu, dass inzwischen auch Patienten aus anderen Bundesländern zu uns kommen“, sagt Einsele.
Besonders stolz ist man darauf, dass man mit dem Zentrum renommierte Wissenschaftler nach Würzburg holen und die Forschung intensivieren konnte. Zwar wurde das Verfahren der Stammzelltransplantation in den vergangenen vier Jahrzehnten bereits immer weiter verbessert. Starben vor wenigen Jahren noch 30 bis 40 Prozent der Patienten an der Transplantation, liegen die Heilungschancen heute bei über 80 Prozent, auch für ältere Erkrankte. „Und das bei Krankheiten, die früher sicher zum Tode geführt hätten“, sagt Arzt Götz Grigoleit. Doch für die Uniklinik ist das kein Grund, mit der Forschung zur Stammzelltransplantation aufzuhören. Man möchte die Risiken von Infektionen, Abstoßungsreaktionen und Krankheitsrückfällen weiter minimieren.
Für die Patienten im Würzburger Zentrum ist aber heute schon klar: Sobald sie die Therapie einmal durchgestanden haben, sind ihre Chancen auf eine vollständige Genesung sehr hoch. „Zwei Jahre nach der Transplantation werden Rückfälle immer unwahrscheinlicher“, so Grigoleit. Den Patienten merkt man ihre Erkrankung dann nicht mehr an, sie können ein ganz normales Leben führen.