Immer wenn sie große Nähe spürte, zog er sich zurück. Hatte sie sich an den Abstand gewöhnt, traf prompt wieder eine Nachricht von ihm ein. „Dann gab es die tollste Mail oder SMS“, schildert Anne Fischer (Name geändert). Ein Jahr lang litt die inzwischen 67-Jährige unter dem permanenten Hin und Her mit ihrem Freund. Dass sie es schaffte, sich aus dieser unheilvollen Beziehung zu lösen, hat sie der Frauenberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) zu verdanken.
Seit über 25 Jahren gibt es die Einrichtung des SkF in Würzburg. Um die 300 Frauen wenden sich pro Jahr an den Fachdienst, erläutert Claudia Widmann, Leiterin der SkF-Frauenberatungsstelle. „In diesem Jahr werden es sicher noch einmal mehr werden“, schätzt sie. Denn die Beratungsstelle ist seit Juli in neuen, großzügigen Räumen in der Würzburger Huttenstraße untergebracht. Dadurch konnte das Angebot erweitert werden. Die Nachfrage ist seit langem größer als das, was die Beraterinnen leisten können. Wartezeiten von sechs Wochen sind keine Seltenheit. Kein Wunder, so Widmann: „Wir sind die einzige Frauenberatung in der ganzen Diözese Würzburg.“
Vor allem Frauen zwischen 40 und 60 Jahren wenden sich an Claudia Widmann und ihre Kollegin Annette Murmann. Sehr häufig geht es, wie im Falle von Anne Fischer, um das Thema „Beziehungen“. Anne Fischer lebt seit mehr als 25 Jahren getrennt von ihrem Mann. Lange sehnte sie sich danach, wieder einen Partner zu haben. Vor zwei Jahren ließ sie sich erneut auf einen Mann ein – was ihr jedoch aufgrund seiner ambivalenten Haltung zu ihr psychisch sehr schlecht bekam. „Doch aus eigener Kraft hätte ich mich nicht aus dieser Beziehung befreien können“, gibt sie zu.
Mit immensen Selbstzweifeln wandte sie sich 2013 an Claudia Widmann. Eine gescheiterte Ehe lag hinter ihr, ihre aktuelle Beziehung war eine Qual. „Warum gerate ich immer an die falschen Männer?“, spukte es der Klientin durch den Kopf. Durch die Gespräche in der Frauenberatung merkte Fischer, dass sie mit ihrem Problem keineswegs alleine dastand. „Beziehungen einzugehen ist heute viel schwieriger als früher“, sagt Claudia Widmann. Einst waren die Rollen von Mann und Frau klar definiert. Zwar ging es nicht jeder Frau gut in ihrer Ehe: „Heute haben Frauen viel mehr Freiheit. Das ist grundsätzlich positiv, kann jedoch auch zu Orientierungslosigkeit führen.“
Ein großes Thema neben „Beziehungen“ ist Widmann zufolge „Burn-out“. Etliche der Frauen, die sich an die Anlaufstelle des SkF wenden, sind mit 40 oder 50 Jahren derart überlastet, dass sie zusammenbrechen: „Was sich nicht selten in schweren psychischen oder auch physischen Krankheiten äußert.“ Widmann gegenüber sitzen Frauen mit Depressionen, Angststörungen oder Krebs. Viele hatten lebenslang ihren Ehrgeiz darin gesetzt, eine gute Gattin, eine gute Mutter, eine gute Mitarbeiterin im Betrieb und teilweise auch noch eine gute Ehrenamtliche zu sein. Jahrelang standen die Frauen unter Hochspannung – bis nichts mehr ging.
„Wer bin ich und was will ich?“ Das ist die Schlüsselfrage in vielen Beratungsgesprächen. „Es geht um weibliche Identität“, so Widmann. Durch den Fokus auf diese Frage unterscheidet sich die Frauenberatung auch von Angeboten der Ehe- und Lebensberatung.
Noch viel mehr Angebote für Frauen wären sinnvoll und notwendig. Doch die Finanzierung ist schwierig. Grundsätzlich sollen alle Frauen kostenlos die Möglichkeit haben, sich beraten zu lassen. Wer kann, wird um eine Spende gebeten. Wünschenswert wäre es für Widmann, würden Geschäftsfrauen die Beratungsstelle mit einem regelmäßigen Beitrag unterstützen.
Gruppentherapie im Sommer
Die Frauenberatung des SkF berät Frauen aus der gesamten Diözese persönlich, telefonisch und per Mail. Die Räume der Beratungsstelle befindet sich in der Huttenstraße 29B. Per Telefon sind die Beraterinnen unter 0931-450070 zu erreichen, per E-Mail unter fbs@skf-wue.de
Neben der Einzelberatung werden drei Mal im Jahr auch Frauengruppen angeboten. Die nächste startet im Sommer, bis zu zwölf Frauen können daran teilnehmen.