
"Leuchtend geht die Sonne auf, ohne einen Hauch von Morgendunst.“ Die 23-jährige Charlotte Ambrosch erlebt einen wunderbaren Märztag. Um acht Uhr steht sie auf, gegen neun verlässt sie ihre Wohnung in der Petrinistraße 9 in Grombühl, um eine kleine Radtour zu machen. Es ist einfach zu schön, um zuhause zu bleiben.
Der klare Frühlingstag wird der schwärzeste in der Würzburger Geschichte werden. An diesem Freitag, dem 16. März 1945, löschen englische Bomber die Innenstadt aus und töten fast 5000 Menschen.
All das kann Charlotte Ambrosch nicht wissen, als ein Bekannter sie abholt, der sich als Verwundeter in der Stadt aufhält.
Später notiert sie ihre Erlebnisse bei dieser Radtour: „Wenn ich nicht zugesagt hätte, wäre ich bestimmt nicht mitgefahren, denn ich bin so unheimlich müde, so müde, dass mir jede Umdrehung meines Pedals zu viel wird. Beim Forsthaus Guttenberg schlafe ich nach einer kleinen Brotzeit auf dem blanken Boden ein, der Tag ist ja so schön und warm und der Boden ist gar nicht kalt.“
Um 19 Uhr beginnt der Dienst der 23-Jährigen im Bischofspalais in der Herrnstraße, wo im Keller das „Warnkommando Würzburg“ seinen Sitz hat, in dem sich an diesem Abend zwölf junge Frauen und ein Mann einfinden. Charlotte Ambrosch: „Alle waren guter Stimmung, ein jeder erzählte, was er an diesem wunderschönen Frühlingstag unternommen hatte. Kaum hatten wir uns ausgeplaudert, kam eine Feindmeldung und wir mussten Luftwarnung geben. Das war ungefähr um 19.45 Uhr. Um 20 Uhr wieder Entwarnung.“
Der weitere Abend verläuft zunächst ruhig und es verspricht eine ebensolche Nacht zu bleiben. Doch schnell wird die Hoffnung zunichte gemacht. Gegen 20.30 Uhr trifft im Warnkommando die Meldung ein, dass feindliche Flugzeuge über dem Bodensee im Raum Ulm sind, später folgt die Nachricht, dass sich die Flugzeuge geteilt haben und nach Osten und Norden weiterfliegen.
Auf einmal geht die Tür zum Befehlsraum auf und ein Luftwaffenbediensteter kommt herein. Er ist blass, hat keine Farbe mehr im Gesicht. Zitternd kann er noch die Worte sagen: „Es gibt einen ganz großen Bum, sofort Fliegeralarm geben, Befehl vom höchsten Luftfahrtkommando!“
Um 21 Uhr tönen die Sirenen lang und schaurig. Charlotte Ambrosch: „Wir verlängern diese grausamen Töne, um der Bevölkerung die Dringlichkeit kundzutun. Gleichzeitig können wir nur immer wieder über das Radio sagen, dass die Luftschutzkeller unbedingt aufzusuchen sind, immer und immer wieder. Von unseren Warnwachen auf der Festung und von der Steinburg bekamen wir um 21.20 Uhr die Meldung, dass Würzburg taghell erleuchtet ist durch Leuchtkörper, wir sagten damals Christbäume, die die Feindflugzeuge abgesetzt hatten.“
Im Nebenraum sitzen, durch eine Glaswand getrennt, zehn weitere junge Frauen an den Rundspruchschränken, die Köpfe eingezogen und Decken umgehängt. „Ich hörte nur noch das Gewimmer und die Schreckensrufe, wenn eine Bombe einschlug“, erinnert sich die 23-Jährige.
Nach dem Angriff, der weniger als 20 Minuten dauert, folgt die große Ratlosigkeit. „Was nun?“, fragt sich Charlotte Ambrosch. „Arbeit gab es keine mehr, denn sämtliche Leitungen waren unterbrochen. Also bekamen wir auch keine Meldungen mehr und wussten nicht, was alles los war. War es nur in der Innenstadt? Ich dachte noch: Na vielleicht hat es Grombühl gar nicht getroffen! Aber doch, eine Leitung hatten wir noch, Ironie des Schicksals, eine zum Gauleiterbunker in der Rottendorfer Straße. Und da saß unser Warnkommandochef. Er gab den Befehl: Keiner darf die Dienststelle verlassen, das ist eine militärische Dienststelle und die muss besetzt bleiben!“
Auch die folgenden Ereignisse im Keller sind Charlotte Ambrosch Jahrzehnte später, als sie ihre Erinnerungen notiert, noch präsent: „Herr Schnackig, unser Ablösungsführer, hat ein paarmal gewagt, bei unserem Chef für uns zu bitten. Er sagte immer wieder: 'Ich bleibe ja da, aber lassen Sie doch die Mädels raus! Es wird doch nicht besser, die Flammen kommen immer tiefer, dann ist es unmöglich, dass sie durchkommen, sie müssen entweder ersticken oder verbrennen!' Er holte sich nur Befehlsverweigerungs- und Kriegsgerichtsdrohungen.“
Um 24 Uhr ruft Schnackig nochmals an und findet mutige Worte: „Ich kann es nicht verantworten, ich lasse jetzt die Mädchen raus, und wenn Sie mich dafür hinrichten.“ Er gibt Anweisungen für das Verlassen des Kellers: Jeder muss sich mit einem nassen Mantel oder einer Decke oder etwas Ähnlichem umhüllen. Auch der Kopf soll gut geschützt sein mit einem nassen Schal oder einer dichten Mütze. Endlich kommt ein Anruf vom Chef, der das Verlassen der Dienststelle erlaubt – während fast ganz Würzburg schon eine Feuerhölle ist.
Charlotte Ambrosch: „Nachdem wir den Keller verlassen hatten, liefen meine Kollegin Hilde, ein zartbesaitetes Mädel, auch aus Grombühl, und ich erst einmal auf die Hofstraße zu. Am Paradeplatz berieten wir kurz, wie wir weitergehen sollten. Natürlich zum Main hinunter, also zwischen Dom und Neumünster bis zur Domstraße. Aber die Hitze war einfach zu groß und die Flammen schlugen uns entgegen. Auf der Straße lag haufenweise glühender Schutt von den schon heruntergebrannten Häusern.
Also zurück zur Hofstraße und auf die Residenz zu. Aber da war es genauso. Dann über den Paradeplatz zur Domerschulstraße oder rechts durch die Plattnerstraße? Nein, wieder zurück und noch einmal in Richtung Residenz. Flammen, Flammen, wohin man schauen konnte, dazu die glühenden Drähte von den Dächern und der Sog. Der unheimliche Wind hielt alles und jedes in Bewegung. Wieder zurück über den Paradeplatz. Wir müssen doch durchkommen! Irgendwie müssen wir da rauskommen!“
Charlotte sagt zu Hilde: „Schau mal, diese hundert Meter bis zur Residenz werden wir doch schaffen, wir müssen einfach!" Die jungen Frauen steigen über heiße Schuttberge. Wenn sie schnell genug sind, können die Schuhe nicht zu brennen anfangen.
„Es waren Schritte um unser Leben“, schreibt Charlotte Ambrosch später: „Wir sind gestürzt, aufgestanden und über glühende Drähte gestolpert. Der Sog schlug uns die Flammen entgegen, also mussten wir einige Schritte zurückweichen. Dann zog der glühende Sog die Flammen in die entgegengesetzte Richtung und wir kamen wieder ein paar Schritte voran.
Der Wind war das Schlimmste. Man musste jede Sekunde nutzen, genau die Flammen beobachten und dann den richtigen Moment ausnützen, losrennen bis zum nächsten Windwechsel, rechtzeitig stoppen, stehen bleiben und wieder etwas zurückweichen. So haben wir die hundert Meter von der Herrngasse zum Residenzplatz geschafft. Da ich immer vorausging – Hilde kam hinter mir – habe ich ein paar Mal die Flammen voll ins Gesicht bekommen und mein Kopftuch hat zweimal angefangen zu brennen. Hilde schrie es mir jedes Mal außer sich zu, und so konnten wir die Flammen gleich ersticken.
Schließlich erreichen Charlotte und Hilde den Ringpark. Von dort aus schlagen sie sich nach Randersacker durch. Am nächsten Tag kehren sie in die immer noch schwelende Trümmerstadt zurück und erfahren, dass Hildes Mutter im Keller von einem Ziegelstein erschlagen wurde.
Buch und DVD zum 16. März 1945
Text und Bilder auf dieser Seite entnahmen wir dem Buch von Roland Flade „Zukunft, die aus Trümmern wuchs. 1944 bis 1960: Würzburger erleben Krieg, Zerstörung, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“.
Historische Filme und Interviews mit Augenzeugen zum 16. März 1945 enthält die DVD von Angelika Kleinhenz und Roland Flade „Hoffnung, die aus Trümmern wuchs. Würzburg 1942 bis 1945“. Buch und DVD sind in den Geschäftsstellen der Main-Post erhältlich und über shop.mainpost.de bestellbar.
"More than half a century later, the area bombing strategy continues to nag the national conscience. The British descended to the enemy´s level. How could a country, so proud of its moral standards, drop bombs on women and children."
Mehr als ein halbes Jahrhundert später nagt das Flächenbombardement fortdauernd am national Gewissen. Die Briten sind auf das Niveau des Feindes herabgesunken. Wie kan ein Land, so stolt auf seine moralischen Standards, Bomben auf Frauen und Kinder werfen."
UND JETZT KOMMTS:
wörtlich zitiert von der BBC website WWII area_bombing:
"Nobody could tell what the destruction of places like Würzburg really contributed to shorten the war"
"Niemand war imstande to erklären, was die Zerstörung von Orten wie Würzburg wirklich zu einer Verkürzung des Krieges beigetragen hat"
Das meine ich aber auch! Zumal in Würzburg keine kriegswichtigen Industrien vor Ort waren - in Coventry waren die Rolly Royce Flugezeugwerke das eigentliche Ziel, die Altstadt wurde trotzdem mit getroffen
Das britische Ziel, alle Städte über 100.000 Einwohner zu bombadieren, wurde Würzburg zum Verhängnis (in den 1930er Jahren wurde diese Grenze überschritten) - ohne Rücksichtnahme auf Standorte des Roten Kreuzes, diese Lazarettstädten sollten eigentlich nicht bombadiert werden
Schockierend ist nur der Umfang - eine völlige Zerstörung - und der Zeitpunkt - nach der Casablanca-Konferenz wurde die Nachkriegsordnung festgelegt, militärisch wurde der deutsche Widerstand schwächer.
Mit Flüchtlingen, Frauen, Kindern und alten Leuten hat es außerdem die Schwächsten getroffen.
Anstatt das Naziregime in Berlin zu stürzen und die Bahnlinien zu den KZs zu bombadieren.
Ob die Zerstörung von 35 Kirchen innerhalb einer historischen Altstadt den Krieg wirklich entscheidend verkürzt?
Wohl kaum.
Nicht alle deutschen Zivilisten waren zwangsläufig Nazis - wer offenenen Widerstand geleistet hat, landete wohl im KZ.
Churchill hat selbst zugegeben, dass die Einnahme eines total ausgebombten Landes nicht im eigenen Interesse liegen kann, und nach der Zerstörung Dresden die Strategie des Luftterrors in Frage gestellt, zumal internationale Kritik zunahm.
Dass auf der einen Seite dem "Bomber" Sir Arthur Harris in London auf ein Denkmal gehievt wird - Queen Mum hat ihn als "inspirierenden Führer" gelobt -, und damit die Zerstörung Dresden und Würzburgs offensichtlich unkritisch akzeptiert wird -auf der anderen Seite aber Geld für den "Dresden Trust" zum Wiederaufbau gesammelt wird, ist ein großer Widerspruch.
Wie kommt das zusammen?
"Nobody could tell..."
Wie wäre es, wenn man in Würzburg zusätzlich einmal eine Gedenkveranstaltung für den deutschen Bombenangriff auf Coventry abhielte? Im Augenblick herrscht ja eher der Eindruck vor, in Würzburg kenne man bei diesem Thema nur Selbstmitleid.
Wenn Sie zu der (richtigen!) Erkenntnis gelangen, dass die Bombardierung Würzburgs keinen militärischen Sinn mehr hatte und sie als Kriegsverbrechen verorten wollen, kein Problem.
Dann würde mich aber auch Ihre Meinung über die Deutschen interessieren, die die eigene deutsche Bevölkerung kurz vor Kriegsenden hat krepieren lassen, z. B. dass befohlen wurde.
Wieviele Deutsche wurden von Deutschen ermordert, nur weil diese das wussten, was Sie heute von Engländern verlangen, dass der Krieg für Deutschland verloren war?
Wieviele Amerikaner mussten bei der Eroberung noch sterben, weil deutsche Offiziere und Soldaten die "Frontstadt" Würzburg halten wollten, um es den Engländern mit den lang ersehnten "Wunderwaffen" doch noch heimzahlen zu können?
Lesen Sie "Die Todesmärsche 1944/45" von Daniel Blatman. Zehntausende Menschen wurden noch ab Januar 1945 von den Deutschen ermordet. Es wurden Menschen ermordert, obwohl schon die Amerikaner nur wenige Kilometer entfernt waren.
Wenn Sie heute die Bombardierung Würzburgs mit dem Hinweis auf den bereiits als verloren zu erkennenden Krieg verurteilen, dann ist das völlig in Ordnung. Nur die eigentliche Schuld daran tragen nicht die Engländer, sondern die Deutschen, sie hätten ja schon zuvor kapitulieren können.
Zudem ist anzumerken, dass die Deutschen auch noch 1945 englische und belgische Städte mit V1- und V2-Raketen angegriffen haben, um vorsätzlich Zivilisten zu töten - als "Vergeltung" (daher das "V") für die Bombenangriffe auf deutsche Städte.
Im Übrigen möchte ich meinen Beitrag den Opfern des Massakers von My Lai widmen:
Am 16 März 1968 haben amerikanische Soldaten ca. 500 Frauen, Kinder und Männer abgeschlachtet. Die Opfer wurden zuvor fotografiert, gefilmt und man hat sich Zeit gelassen, bei der Mordaktion, die bis heute ungesühnt geblieben ist.
Krieg ist ein Verbrechen. Auch dann, wenn Offiziere Kuscheltiere an Kinder verteilen.
Dass Deutschland die Ursache mit dem Krieg gesetzt hat, und die Luftangriffe die Wirkung sind, habe ich gar nicht bezweifelt.
Ich wiederhole nochmals, dass der Zeitpunkt - 6 Wochen vor Kriegsende - und der Umfang - eine völlige Zerstörung - in veränderte Kriegsumstände hineingestellt sind, z.B.
die Luftabwehr war völlig zusammengebrochen und aus dem Osten hat ein Flüchtlingsstrom die Städte überschwemmt.
Außerdem wurde Würzburg bereits im Februar 1945 erheblich durch Luftangriffe zerstört.
Sicher haben Deutsche den Krieg begonnen und andere unterworfen und zugrunde gerichtet. Wenn das gesagt wird, darf aber auch gesagt werden, dass alte Menschen, Frauen, Kinder, Flüchtlinge Opfer des Krieges wurden.
Sie pauschal als Nazis zu verurteilen, wäre zu einfach.
Schuld ist eine individuelle Kategorie, keine kollektive.
Sicher ist Churchills Aussage, "Deutschland müsse in eine Wüste verwandelt werden" zu extrem. Stalin hat hier unterschieden: "DIe Hitlers kommen und gehen, das deutsche Volk bleibt".
Es gab auch Deutsche, die andere geschützt und gerettet haben, die Widerstand geleistet und dafür gestorben sind.
Deutsche sind auch Opfer und Täter: Opfer der NS-Ideologie und ihrer falschen Versprechen, und von deren Feindbildern, Opfer der militärischen Einberufung, dann Täter in einem Aggressionskrieg im Osten, später in einem Rückzugskrieg.
Die Geschichte in Schwarz-Weiß-Bildern zu malen, indem einfach alles in Opfer und Täter eingeteilt wird, wäre falsch.
Nicht alle Deutsche waren "Hitlers willige Vollstrecker", wie die Schicksal von Stauffenberg und der Geschwister Scholl exemplarisch zeigt.
vereinigt im/ unter dem Nagelkreuz aus Trümmern der Kathedrale von Coventry.
Father forgive! (Inschrift zum Nagelkreuz)