
Dem ersten Eindruck im Internet nach ist Diametric ein feministischer Verlag für medizinische Themen. Ob das richtig ist, und wie gut das läuft, soll ein Verlagsbesuch zeigen. Eventuelle Erwartungen dämpft Chefin allerdings gleich im Vorfeld: Sie habe nur eine Halbtagskraft zur Aushilfe, und einen Büroraum.
Dem Besichtiger des Verlags ist klar: Ein-Personen-Unternehmen unterscheiden sich in erster Linie durch das Gesicht der Verlegerpersönlichkeit. Alles weitere ist austauschbar. Das Stichwort "Raum" fasst Diametric-Verlegerin Jutta A. Wilke übertragen auf: Es gehe um "Räume für neue Gedanken und Handlungskonzepte, deren feministische Sicht die vielfältigen Leistungen von Frauen sichtbar werden lässt".
Pionierarbeit beim Thema Endometriose
Den medizinischen Schwerpunkt des Verlags nennt Wilke "kritische Frauengesundheit" und "ein zentrales Anliegen, das den Umgang mit dem weiblichen Körper thematisiert, und Entscheidungshilfen für Frauen bietet, die nicht der Gynäkologie das Sich-Kümmern überlassen wollen". Ihre Fachautoren und -autorinnen behandeln nicht nur "Frauenkrankheiten", sondern auch das wenig erforschte Phänomen, dass Therapien auf Frauen und Männer unterschiedlich wirken können.
Diametric wendet sich an Laien-Leserinnen "ab 35 Jahren", auch wenn etwa die Publikationen über Endometriose, einer häufigen, gutartigen, oft schmerzhaften chronischen Erkrankung von Frauen, zugleich fachpublizistische Pionierarbeit leisten. Eine der Publikationen ist bereits in sechster Auflage lieferbar. Dem zehntausendsten Exemplar nähert sich "Die ‚glückliche’ Gebärmutter". Falls das nach Ratgeber klingt: "Ich habe was gegen Ratgeber", sagt Wilke. "Es kommt darauf an, Hintergründe und Kontexte einzubeziehen, ein Thema in seiner Komplexität darzustellen."
Die vitale Ex-Personalerin verweist auf ein paar vielsagende Details: Männer und Frauen "verkörpern ihre Beschwerden und ihr Wohlbefinden anders". Bei Frauen sei "Selbstkontrolle sehr viel stärker internalisiert", zum Beispiel als "Zwang, sich gesund zu ernähren; Diäten werden als etwas Selbstverständliches wahrgenommen." Und, übergreifend: Feministische Sichtweisen "decken auf, was anders ist, und warum es anders ist. Erst wenn das geklärt ist, kann ich verstehen, warum ich bin wie ich bin."
Bücher "aus Überzeugung und mit Leidenschaft" macht Wilke mit ihrem kleinen Team aus Freiberuflern und Freiberuflerinnen "in langjährigem partnerschaftlichen Verbund" – hauptberuflich, ganztags und "selbstausbeuterisch", wie sie lachend versichert: "Das macht man nicht zum Reichwerden." Ein sichereres Einkommen hatte sie bis zur Verlagsgründung im Jahr 1996 im Personalmanagement einer internationalen Spedition, wo sie allerdings die Ungleichbehandlung von Frauen störte. Dabei gab es in ihrer Firma "Bemühungen und Programme dagegen", nur hatten die wenig Erfolg – und die wenigen Frauen wenig Interesse an Veränderungen.
Zwei bis zehn neue Bücher pro Jahr
Das brachte Jutta Wilke zur Erkenntnis: "Es muss am System liegen." Die Frage, ob sie ihre Arbeitssituation noch einige Jahrzehnte mitmachen oder zu etwas ganz Anderem wechseln wolle, entschied sie mit "reichlich Eigenkapital" zugunsten der Verlagsgründung. Der Verlag konnte sich "relativ schnell selbst ernähren – nur die Verlegerin nicht", so Wilke.
Partnerschaften gibt es mit Frauengesundheitszentren, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und mit Brustkrebs Deutschland e. V. Zwei bis zehn neue Bücher erscheinen pro Jahr, 40 Titel sind derzeit lieferbar, keiner davon ist "wissenschaftlich feministische Literatur". Diese sei für einen Publikumsverlag oft sprachlich nicht besonders zugänglich. "Feminismus muss gelebt werden", ist Wilke überzeugt.
In einer Serie stellt die Redaktion Buchverlage in Würzburg und Umgebung vor.