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Würzburg
Deutsches Zentrum für Gesundheitsforschung in Würzburg?
Prof. Dr. Paul Pauli, Simone Strohmayr, Volkmar Halbleib und Prof. Dr. Marcel Romanos (von links) bei ihrem Besuch in der Uniklinik.
Foto: Michael Reitmair, SPD-Bürgerbüro
| Prof. Dr. Paul Pauli, Simone Strohmayr, Volkmar Halbleib und Prof. Dr. Marcel Romanos (von links) bei ihrem Besuch in der Uniklinik.
Bearbeitet von Frank Kupke
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:22 Uhr

"Jedes vierte Kind in Deutschland zeigt Symptome psychischer Störungen. Und eines von drei Kindern ist im Laufe seines Lebens mindestens einmal auf psychische Behandlung angewiesen", erklärt Prof. Dr. Marcel Romanos den beiden SPD-Landtagsabgeordneten Simone Strohmayr und Volkmar Halbleib. Sie waren zu Gast in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, um sich über die Arbeit von Prof. Romanos und seinen Mitstreitern zu informieren. So das SPD-Bürgerbüro in einer Pressemitteilung. Angsterkrankungen treten demnach häufig in frühen Lebensjahren auf, so der Leiter des Deutschen Zentrums für Präventionsforschung und Psychische Gesundheit (DZPP) an der Uniklinik Würzburg weiter. "Diese Angststörungen können sich im Erwachsenenalter zu Depressionen entwickeln, der deutschen Volkskrankheit". Um dies zu verhindern forschen Romanos und seine Kollegen an Präventionsprogrammen für Kinder und Jugendliche.

Mit der Gründung des DZPP im Jahr 2019 wurde ein interdisziplinäres Institut geschaffen, um Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und Psychotherapieforschung in die Entwicklung, Erprobung und Verbreitung von Präventionsprogrammen in Deutschland systematisch voranzutreiben. Das Gebäude am Würzburger Hubland befindet sich bereits in Planung und soll zeitnah mit Unterstützung durch Sternstunden e.V. realisiert werden.

Würzburg bewirbt sich

Zudem wird eine Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für weitere sogenannte "Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung" erwartet. Würzburg wird sich sowohl für das "Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit" wie auch das "Zentrum für Psychische Gesundheit" bewerben. Damit wäre eine strukturelle finanzielle Förderung des Bundes verbunden. "Ich bin zuversichtlich, dass die exzellente Arbeit mit einem Zuschlag bei der Ausschreibung belohnt wird. Dann wird auch der Freistaat gefordert sein, seinen Anteil zur Finanzierung dieser Spitzenforschung zu tragen. Ich werde mich im Landtag mit Nachdruck für den Forschungsstandort Würzburg einsetzen", sicherte Halbleib zu. Bisher ist Nordbayern leer ausgegangen, während München bereits sechs dieser Zentren besitzt. Halbleib beklagt hier generell eine regionale Ungleichverteilung.

Für die Abgeordneten war es der erste Informationsbesuch seit dem Beginn der Corona-Beschränkungen. Unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregelungen nahmen auch der Kanzler der Universität Dr. Uwe Klug, der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikum Prof. Dr. Georg Ertl, der Dekan der Fakultät für Humanwissenschaften Prof. Dr. Johannes Hewig sowie der Lehrstuhlinhaber für Klinische Psychologie und stellvertretender Leiter des DZPP, Prof. Paul Pauli, an dem Gespräch teil.

Exzellente Voraussetzungen

Bisher sind viele Präventionsprogramme für psychische Erkrankungen, die beispielsweise an Schulen eingesetzt werden, nur regional verbreitet und in der Regel nicht evidenzbasiert. Die Wirkung präventiver Maßnahmen zu belegen ist außerordentlich aufwändig und komplex und wird daher in der Regel nicht realisiert. In Würzburg bestehen exzellente Voraussetzungen, um dies zu ändern. Durch die etablierten interdisziplinäre Forschungskooperationen können Erkenntnisse aus der Grundlagen-, Therapie- und Versorgungsforschung in Präventionsprogramme im DZPP umgesetzt werden. So gibt es beispielsweise derzeit nur ein einziges Programm zur Prävention von Selbstverletzungen an Schulen weltweit. Auch in Würzburg arbeitet man nun an einem solchen Programm und wäre somit international das zweite dieser Art. "Bei der Erforschung von Angststörungen sind die Würzburger Wissenschaftler auf hohem Niveau unterwegs. Gerade in diesem Gesundheitsbereich besteht dringender Handlungsbedarf. Mir ist wichtig, dass Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen wirksamer geholfen werden kann", so Halbleib.

Um psychische Erkrankungen früher und besser erkennen zu können, müssten Studierende besser geschult werden, fordert Halbleib. "Im Lehramts- und Medizinstudium spielen psychische Störungen bisher noch nicht die Rolle, die sie für unsere Gesellschaft haben. Die psychische Gesundheit ist ein hohes Gut, das wir nicht vernachlässigen dürfen, gerade bei Kindern", so Halbleib. An der Uni Würzburg gibt es bereits erste kleine Kooperationen zwischen Lehrerbildung und Medizin. "In meinen Augen ist genau das der richtige Weg. Lehrkräfte können ein wichtiges Frühwarnsystem sein, wenn es um psychische Störungen bei Schülerinnen und Schülern geht", so Halbleib weiter. Auch außerhalb des Studiums wird sich um Kooperationen mit Schulen bemüht, wie z.B. mit der alljährlichen Arzt-Lehrer-Tagung des Universitätsklinikums.

Gibt es immer mehr ADHS-Erkrankungen?

Thematisiert wurden seitens der bildungspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion Strohmayr vor allem auch die psychischen Erkrankungen bei Schülerinnen und Schülern. "Ein Thema auf das ich als Abgeordnete häufig angesprochen werde, ist die Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Viele Eltern haben den Eindruck, die Rate an ADHS-Erkrankungen würde in den letzten Jahren stark steigen", so Strohmayr. Doch dies sei ein Trugschluss, denn lediglich eine verbesserte Diagnostik habe zu höheren Zahlen geführt. Problem sei viel mehr die Versorgung der erkrankten Kinder. "40 Prozent der Eltern, deren Kinder die Diagnose ADHS beim Arzt erhalten, wissen dies nicht einmal", kritisiert Romanos. Eine leitliniengerechte Diagnostik und Behandlung von ADHS ist aufwendig. "Leider ist die Versorgung von Kindern mit ADHS noch immer in der Fläche völlig unzureichend", so Romanos.

 
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