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REGION WÜRZBURG
„Des Zeugengeld versauf‘ mer fei zusammen!“
Von unserem Mitarbeiter Christian Kelle
 |  aktualisiert: 13.04.2012 16:22 Uhr

Die Kombattanten entstammen dem Obdachlosenmilieu, wo es mal hart und mal herzlich zugeht. Zumindest konnte man diesen Eindruck beim Verfahren gegen einen 57-jährigen ehemaligen Lüftungsbauer gewinnen, der sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor dem Würzburger Amtsgericht verantworten musste. Der Mann hatte sein Opfer in einer Unterkunft für Wohnsitzlose zuerst verprügelt. Am Ende des Verfahrens gab es jedoch die große Versöhnung im Gerichtssaal.

Spät nachts war es zu dem angeklagten Vorfall gekommen. Ein Mann kam ins Zimmer des Angeklagten, weil er von dem späteren Opfer aus dessen „Wohnraum“ verwiesen worden war. Offenbar hatte man dort vorher mit Unterstützung hochprozentiger Alkoholika dem Kartenspiel gefrönt.

Angeblich hatte der, seiner Schlafstatt beraubte Mann, Angst vor seinem Zimmergenossen. Der Angeklagte nahm dies zum Anlass, sein Opfer mit brutalen Faustschlägen ins Gesicht davon zu überzeugen, den Kompagnon wieder in sein Zimmer aufzunehmen. Außerdem soll er ihn gewürgt haben. Der 38-Jährige trug schwere Prellungen im Gesicht und ein Veilchen davon. „Ach, das war doch kein Veilchen,“ so der offenbar nahkampferprobte Angeklagte jovial zu Richter Thomas Behl, „das war eher ein Gänseblümchen!“

Was er selbst an dem Abend denn so getrunken habe, will Behl vom 57-Jährigen wissen. „Wodka, Bier, Wein – Sie trinken doch bestimmt auch, Herr Richter?“ Das dies jedoch keine Entschuldigung ist, einfach Leute zu vermöbeln, wird dem Angeklagten schnell klar gemacht.

Sein Opfer sieht aus, als habe es Zeit seines Lebens viele Schlachten geschlagen. Der 38-Jährige ist jedoch nicht sonderlich sauer auf seinen Peiniger, der wegen zahlreicher Diebstähle so manches Gefängnis von innen gesehen hat. Man grüßt sich wieder und redet ab und an miteinander. Der Angeklagte erhebt sich feierlich, schreitet auf sein Opfer zu und gibt ihm mit großer Geste die Hand zur Entschuldigung, die auch prompt angenommen wird.

Vom Richter darauf hingewiesen, dass es für das Opfer eine Entschädigung gibt, fällt der Satz des Tages seitens des Angeklagten: „Des Zeugengeld versauf‘ mer fei zusammen!“ Das Opfer lächelt, nickt und verlässt „aufgrund anderer Termine“ schnell den Gerichtssaal. Die große Geste verhindert jedoch nicht, dass der 57-Jährige zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt wird. Er nimmt das Urteil an, es ist rechtskräftig.

 
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